Das endgültige Ergebnis steht im Laufe des Montags fest, wenn die Briefwahlstimmen ausgezählt sind. Es besteht jedoch kein Zweifel mehr, dass Hofer und van der Bellen die Stichwahl am 22. Mai bestreiten.
Der Fernsehmoderator im ORF sah sich genötigt, die Zuschauer vorzuwarnen, sich zu wappnen für das, was da um Punkt 17.00 Uhr auf dem Bildschirm erscheinen würde: Es war ein blauer Balken, der erst bei knapp 37,3 Prozent stehen blieb. 37,3 Prozent. Für Norbert Hofer, den Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ. Es ist das beste Ergebnis, das die Freiheitlichen je auf Bundesebene erzielt haben, nicht einmal unter Jörg Haider waren sie so stark. Ein Rechter in der Hofburg und 2018 oder sogar schon früher ein FPÖ-Kanzler Heinz-Christian Strache, ein Österreich fest in rechter Hand also, das ist seit Sonntagabend ein vollkommen realistisches Szenario.
Rot-Schwarz zu Blau
Als "Schock" bezeichnete der zweitplatzierte Grüne Alexander van der Bellen den Triumph seines Kontrahenten, dem in Umfragen nur 20 bis 24 Prozent der Stimmen prophezeit wurden. Van der Bellen hatte alle Befragungen angeführt, am Ende rettete er sich knapp vor Irmgard Griss in die Stichwahl. Die beginnt bei Null, das betonte der Grüne immer wieder an diesem Abend. Aber selbst wenn er gewinnt und Hofer nicht in die Hofburg einzieht: Der erste Wahlgang hat die politische Landkarte Österreichs verändert – und das ist keine leere Metapher, sondern wörtlich zu nehmen: Wer auf die Karte blickt, die den jeweiligen Sieger in den Gemeinden anzeigt, sieht fast ausschließlich blau. Vereinzelt finden sich schwarze und rote Kleckse für die Kandidaten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Sie wurden regelrecht abgestraft und landeten bei jeweils rund 11 Prozent. Die größeren grünen Flecken in der Karte stehen für die Erfolge des Intellektuellen van der Bellen in den großen Städten, vor allem in Wien und Graz.
"Sollte es Hofer in die Stichwahl schaffen, sind zwei Sachen sicher", hatte der Wiener Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit n-tv.de prophezeit: "Internationale Aufmerksamkeit und ein Schulterschluss verschiedener Lager, um einen Blauen in der Hofburg zu verhindern." Noch aber konnte sich keine Partei dazu aufraffen, Bündnisse gegen Hofer zu schmieden, zu sehr sind vor allem die Großparteien SPÖ und ÖVP mit sich selbst beschäftigt.
Kanzler Werner Faymann (SPÖ) sieht sich immer größerem innerparteilichen Druck ausgesetzt. Sein Schwenk in der Asylfrage war vor allem machtpolitisch begründet: Indem die Regierung FPÖ-Positionen übernahm, wollte sie den Siegeszug der Freiheitlichen bei den Landtagswahlen beenden. Erfolg hatte sie damit bislang nicht, eher mit dem Gegenteil: In Wien gewann SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl die Wahl mit einer klaren Frontstellung gegen die Rechtspopulisten. Im Bund liegt die FPÖ in den Umfragen derzeit mit rund 30 Prozent weit vorn, der Wahlabend dürfte ihnen weiteren Aufschwung geben – allein deswegen muss die Große Koalition vorgezogene Neuwahlen dringend vermeiden. Faymann zeigte sich im Interview denn auch demütig: Er habe eine "klare Warnung" an seine Regierung vernommen.
Näher an Ungarn als an Deutschland
An einem Präsidenten Norbert Hofer hätten Faymann und seine Regierungspartner von der ÖVP wenig Freude. Der FPÖ-Kandidat hatte im Wahlkampf kraftmeierisch verkündet, er werde die Regierung entlassen, wenn sie keine gute Arbeit für Österreich liefere. Bislang hat das noch kein Bundespräsident gemacht, auch wenn er rein theoretisch das Recht dazu hätte. Moralische Bedenken wischte Hofer in einer TV-Debatte vor Millionenpublikum vom Tisch – mit einem Satz, den viele Beobachter als Drohung verstanden: "Sie werden sich wundern, was alles möglich ist." Der 45-Jährige will das TTIP-Abkommen selbst dann nicht unterzeichnen, wenn das Parlament es beschließt, und Österreich am liebsten aus Europa hinausführen.
Unter den ersten Gratulanten waren Marine Le Pen und Geert Wilders. Wiederholt Hofer seinen Triumph auch in der Stichwahl, bekommt die Öffentlichkeit einen Vorgeschmack auf die Ideen, nach denen sein Parteichef Heinz-Christian Strache das Land ab 2018 als Kanzler formen möchte: Es wäre ein Österreich, näher an Ungarn als an Deutschland.
Sein Kontrahent in der Stichwahl, Alexander van der Bellen, hat seine Taktik schon früh auf ein Duell mit Hofer ausgerichtet. Er will als Präsident eine FPÖ-Regierung mit allen Mitteln verhindern. Die Botschaft an die Wähler ist klar: Wer die Freiheitlichen verhindern will, muss van der Bellen wählen. Österreich steht also bis zum 22. Mai ein klassischer Lagerwahlkampf ins Haus – hier die urbane, gut ausgebildete Mittelschicht, die eine liberale Asylpolitik befürwortet, dort die stramm Rechten und die Anti-Establishment-Wähler. Doch selbst wenn die FPÖ gewinnt und den Bundespräsidenten stellt: Noch sitzen ÖVP und SPÖ an den Schalthebeln der Macht – in sämtlichen Landesregierungen, in den Ministerien, in den wichtigen Schlüsselpositionen in der Wirtschaft. Am Ende ist die Dominanz von Schwarz-Rot noch nicht. Aber es könnte der Anfang vom Ende sein.
Quelle: n-tv.de
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