Ein paar Meter vor ihnen sitzen die fünf internationalen Experten auf dem Podium und stellen wortreich dar, was sich in der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 in der Stadt Iguala im mexikanischen Bundesstaat Guerrero ereignet haben muss: Wie die 43 Studenten der Landuniversität Ayotzinapa von Schergen des örtlichen Drogenkartells und der lokalen Polizei angegriffen, beschossen, verschleppt wurden, wie das Militär des örtlichen 27. Infanteriebataillons alles beobachtete, aber nicht eingriff, wie die Bundespolizei den verletzten jungen Männern nicht zu Hilfe eilte , sondern im Gegenteil die örtlichen Polizeikräfte und die Verbrecher sogar noch unterstützte. Es habe alles einer "breit angelegten und perfekten Koordination" gehorcht, schlussfolgern die Experten.
Die Eltern hören, wie die Kommission über zweieinhalb Stunden neue Erkenntnisse präsentiert und alte verteidigt . Sie legt dar, welche Fehler Polizei und Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen gemacht haben, wie Beweismittel unterdrückt und manipuliert wurden, warum die offizielle Version der Ermordung und Verbrennung der Opfer auf einer nahegelegenen Müllkippe sich nie so ereignet haben kann und wie die von der Staatsanwaltschaft präsentierten Täter vor ihren angeblichen Geständnissen gefoltert wurden.
Viele Fragen, keine Antworten
Es gibt an diesem Sonntagmittag im Auditorium der Universität Sor Juana in Mexiko-Stadt viele Antworten, aber die entscheidende, die einzig relevante können auch die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission beauftragten Juristen, Mediziner und Psychologen nicht geben: Was geschah in jener finsteren Nacht mit den 43 Studenten, nachdem sie verschleppt wurden. Wer tötete sie? Wo sind sie vergraben? Wurden sie in den Krematorien der Armee verbrannt oder irgendwo in den Weiten der Berge von Guerrero verscharrt? Wer waren die wahren Täter, wer die Hintermänner? Warum hält die mexikanische Regierung vehement an einem Tathergang fest, der durch Beweise widerlegt wurde?
Der mehr als 600 Seiten starke Abschlussbericht der Experten wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. "Es ist ein bitteres Gefühl zu gehen und den Eltern nicht sagen zu können, was mit ihren Söhnen passiert ist", sagt Francisco Cox, chilenischer Menschenrechtsanwalt und Mitglied der Expertengruppe. Und für einen Moment sieht er genauso zermürbt aus wie die Eltern vor ihm.
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