Der Renault 5 ist ganz auf Retro getrimmt, das ist spätestens seit verschiedenen Präsentationen allen Interessierten klar. Nun stellt sich automobilhistorisch bewanderten Menschen die Frage, warum der Konzern die scharfe Ausgabe des R5 unter dem Label Alpina bringt. Und dann noch unter einer wenig sagenden Bezeichnung - A290. Na ja, wenn sich die Renault-Gruppe schon ein eigenes sportliches Label gönnt, das ohnehin an Modellarmut krankt (das erste neue und bisher letzte Modell A110 kam vor etwa sieben Jahren), ist ein zweiter emotionaler Kandidat, der die Volumensituation der Marke außerdem verändern könnte, doch sinnvoll.
Und während die historischen Serienautos und Rennsportwagen fast alle A-Bezeichnungen trugen, ist diese Vorgehensweise beim abgewandelten Renault 5 E-Tech eigentlich nicht ganz konsequent. Schließlich wurden die Urversionen der stärksten Renault 5 mit der Zusatzbezeichnung "Alpine" versehen (aber als Renault verkauft), und beim legendären Topmodell "R5 Turbo" - nicht zu verwechseln mit dem deutlich schwächeren R5 Alpine Turbo - mit breiten Backen sowie damals unfassbaren 160 PS kam der Name Alpine überhaupt nicht vor.
Fraglich ist, ob die heutige Baureihe nicht von der bekannten klassischen Bezeichnung R5 profitiert hätte, denn Alpine dürfte so schrecklich bekannt nicht sein. Aber damit müssen sich die Marketingleute des Konzerns herumschlagen. Wenn der Kunde (oder der es einmal werden will) erst einmal den Weg zu Alpine gefunden hat, könnte das allerdings gut für die Marke ausgehen.
Optischer Hingucker
Denn schon auf den ersten Blick macht die jüngste Alpine an. Ihre Retro-Optik gefällt sowieso und wirkt in den meisten Fällen sympathisch (ja, auch hier gibt es sicherlich unterschiedliche Empfindungen). Ob die hoch angesetzten LED-Nebelscheinwerfer vielleicht einen Zacken drüber sind, okay, darüber kann man diskutieren. Aber sonst? Für einen kleinen Hot Hatch, diese Autospezies soll ja auch immer ein bisschen Aufmerksamkeit anziehen, hat Alpine das richtige Maß gefunden.
Schweller, Spoiler und eben auch eine etwas breitere Spur gehören halt zum guten Ton bei sportiven Kleinwagen. Und die leicht ausgestellten Heckkotflügel lassen definitiv Reminiszenzen an die Legende R5 Turbo anklingen, auch wenn die berühmte Heckschleuder unter Einsatz ihrer vollen Leistung mehr Adrenalin freisetzen dürfte, mit dem Straßengraben immer fast auf Tuchfühlung.
Auch innen gibt es bei der A290 leichte Abweichungen zu den zivilen Modellen. Die Fahrprogramme werden per Knopfdruck statt Hebel aktiviert. Kann man machen. Ein spezifisches Menü regelt diverse Fahrcharakteristika und lässt den Blick in so manche Fahrdynamikdaten zu. Ich stelle erst einmal den künstlichen Motorsound aus vor Antritt der Fahrt. Ein Elektroauto ist ein Elektroauto und bleibt ein Elektroauto - Sound soll hier allenfalls in Form von Musik oder Sprache aus dem Lautsprechersystem entweichen.
Vor allem die Topversion hat Druck
Ansonsten ist der Druck auf das Fahrpedal ziemlich aufschlussreich, ziemlich machtvoll nämlich. Das passiert eben, wenn man die Maschine mit 218 PS aus der starken Ausgabe des Mégane-E-Tech in eine 1,5 Tonnen schwere Rennsemmel stopft. Die 300 Newtonmeter Drehmoment wüten derart ausufernd, dass der Fronttriebler naturgemäß um Traktion ringt, insbesondere beim Ampelstart. Eine unschöne Konsequenz aus jeder Menge Kraftüberfluss. Ansonsten kommt der Franzose mit der Power schon klar.
Die Mehrlenker-Hinterachse plus modifiziertem Stabi sowie eine präzise abgestimmte elektrische Servolenkung sind brauchbares Rüstzeug, um die Alpine zügig durch straßenbauliche Rundungen scheuchen zu können. Außerdem beherbergt das Lenkrad eine Boosttaste. Einfach mal drücken beim Überholvorgang und den Schub genießen.
Und weil die Entwickler selbst wussten, dass die A290 auf der Landstraße ordentlich Spaß bereiten würde, haben sie die Interieur-Spezialisten schon mal vorgewarnt. In der Konsequenz gaben diese üppigen Sportsessel in Auftrag mit kräftig ausgeführten Seitenwangen. Und die halten den Passagier nicht nur ausgezeichnet in der Mittelbahn bei wildem fahrerischen Treiben, sondern sind außerdem auch noch total komfortabel. Das macht Lust darauf, diesen angeschärften Renault 5 sogar mit auf längere Reisen zu nehmen.
Ein Reichweitenmonster ist die Alpine nicht gerade
Die könnte allerdings durch den Blick auf die Reichweite-Anzeige leicht gedämpft werden. Da stehen nämlich bloß 280 Kilometer bei 89 Prozent State of Charge - tja, so viel Batteriespeicher passt eben doch nicht unter den Boden eines 3,99 Meter langen Kleinwagens, es sind bloß 52 kWh. Und wie bei anderen batterieelektrischen Fahrzeugen auch ist die angegebene WLTP-Reichweite (hier 380 Kilometer) nicht immer reproduzierbar. Auch wenn die Wärmepumpe serienmäßig ist.
Wer die starke Alpine A290 für mindestens 41.700 Euro als Hauptauto auswählt, sollte also die je nach Fahrprofil und Wetterlage eingeschränkte Reichweite berücksichtigen. Für das Laden von 15 auf 80 Prozent veranschlagt der Hersteller 30 Minuten bei einer Peak-Ladeleistung von 100 kW.
Steht maximale Motorleistung nicht im Vordergrund, lassen sich ein paar Tausender einsparen. Nämlich mit der GT-Version zu 38.700 Euro. Dann gibt es allerdings bloß 177 PS auf die Vorderräder. Die Beschleunigung fällt dann mit 7,4 statt 6,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h zwar nicht mehr ganz so giftig aus, reicht aber immer noch allemal. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 160 respektive 170 km/h. Das ist schade, hier sollte Alpine ein bisschen nachlegen, zumal die historischen Vorbilder schneller fahren, der R5 Turbo liegt gar über 200 Sachen.
Ansonsten ist sogar die Basis namens GT sicherlich kein schlechter Fang, zumal Features wie 19-Zoll-Alus, LED-Scheinwerfer, Navi, schlüsselloses Schließsystem und aktiver Tempomat frei Haus sind. Darüber hinaus verfügt der Kleinwagen über die Möglichkeit, gespeicherten Strom an externe Geräte abzugeben. Das kann eine Kaffeemaschine sein, die man gerade dabeihat, oder ein Toaster fürs Picknick. Das kann aber auch das öffentliche Stromnetz sein, um Schwankungen auszugleichen. Diese Technologie könnte in der Zukunft spannend werden.
Aber jetzt herrscht zumindest bei den Fans erst mal Spannung, die ersten Fahrzeuge in Empfang zu nehmen. Vereinzelt tröpfeln dieses Jahr noch die ersten Exemplare auf die Straße - vor allem in Form von Vorführwagen für die Händlerschaft. Erst nächstes Jahr geht es richtig los. Dann übrigens auch für Alpine, denn Volumen war für die Marke bisher kein Thema. Das könnte sich jetzt ändern.
Quelle: ntv.de
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