Geely ist sozusagen das chinesische Pendant zu Volkswagen und Li Shufu ist ein bisschen wie einst Ferdinand Piëch, quasi das Gegenstück: Er hat ein Premium-Automarkenkonglomerat geschaffen und ist damit zum Vollsortimenter geworden. Also bislang nicht ganz, das obere Luxussegment fehlt noch. Aber womöglich ist die Mission ja auch bisher nicht erfüllt. Geely besitzt nicht nur namhafte Marken wie Lotus und Volvo, sondern auch schon zehn Prozent von Mercedes sowie die Hälfte von Smart.
Und an dieser Stelle treten dann auch schon die ersten beiden Protagonisten dieser Abhandlung auf den Plan: nämlich die beiden Brabusausführungen der Smart-Modelle #1 und #3. Dazu muss man wissen: Seit sich Smart neu erfunden hat mit der gemeinsamen Anstrengung von Geely und Mercedes, haben sich Philosophie und Technik des Labels geändert. Vorbei zunächst die Zeiten der Minimalabmessungen (unter drei Meter Außenlänge), Smart startet in der konventionellen Kleinwagen-Kategorie. Und hier rangiert Smart mit mindestens 4,27 Metern (Brabus drei Zentimeter mehr) sogar eher am oberen Rande. Der von der Karosserieform abgewandelte #3 fällt mit 4,40 Metern sogar eher eine Klasse höher aus. Doch der Reihe nach.
Während die Smart-Kandidaten von der äußeren Optik ganz klar Mercedes-Handschrift tragen, steckt unter dem Blech Geely-Konzerntechnologie. Und zwar die SEA-Plattform für kleine Segmente. Entwickelt hat sie die sogenannte schwedische Firma Zeekr Technologie Europe AB in Göteborg. Der Name Zeekr bezeichnet allerdings auch die chinesische Automarke - und, Überraschung, mit dem Zeekr X gibt es ebenfalls ein Kleinwagen-Pendant zu den beiden Smart (hierzulande jedoch nicht). Gleiches gibt für den jüngst vorgestellten Lynk & Co 02, der im Gegensatz zum Zeekr den Weg nach Deutschland antritt. Und auch der Volvo EX30 trägt SEA unter dem Blech, den ntv.de ebenfalls in diesem Rahmen bespricht als dritten Kandidaten, um aufzuzeigen, wie unterschiedlich plattformgleiche Fahrzeuge sein können.
Unscheinbare Power-Kleinwagen
Aus Fairnessgründen gehört zu den bärigen Smart-Brabusausführungen freilich die Twin-Motor-Ausgabe des EX30. Bei allen drei Kandidaten stecken zwei Elektromaschinen mit gemeinsam produzierten 428 PS sowie 543 respektive 584 Newtonmetern (#1) Drehmoment unter dem Blech - woraus sich zwingend Allradantrieb ergibt.
Das klingt ziemlich wild für diese Kategorie von Auto. Zumal die beiden Smart jetzt selbst als Brabusvariante optisch nicht wahnsinnig aufgetakelt daherkommen. Ein kleiner Brabus-Schriftzug im unteren Bereich der hinteren Türen weist auf die Extraportion Leistung hin, das wars. Noch dezenter fällt das schwedische Pendant EX30 aus. Braucht man so viel Power überhaupt im Kleinwagen? Nein, aber sie macht schon Spaß, wenn man keine Angst vor ihr hat.
Vorsicht vor dem Fahrpedal! Gerade im sportlichen Modus hämmern alle drei hier besprochene Varianten unfassbar brachial nach vorn, wobei die Smart giftiger wirken als der Volvo, der allerdings mit 3,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h am heftigsten beschleunigt laut Werk. Die deutsch-chinesischen Gegenstücke benötigen nominal 3,7 respektive 3,9 Sekunden bis Landstraßen-Tempo. Allerdings wird der Vorwärtsgang in sämtlichen Fällen bei 180 Sachen jäh eingebremst. Highspeed-Tourer sind die Kleinwagen also nicht, aber das überrascht wenig.
Volvo enger als Smart
Überraschend sind dafür andere Dinge. So fällt der mit 4,23 Metern Länge kleinere EX30 gefühlt deutlich enger aus innen. Zehn Zentimeter mehr Radstand bei den Smart (2,75 Meter) machen im Fond eben einen Tick mehr Beinfreiheit aus. Und die rund neun Zentimeter tiefere Bauhöhe des Volvo (1,55 Meter) lassen ihn innen vor allem im Kopfbereich kompakter wirken - eben so, wie bei einem Stadtvehikel erwartbar.
Beim maximalen Laderaumvolumen von rund 1000 Litern sind sich Smart #1 sowie Volvo EX30 einig. Allerdings kann der Smart #3 knapp 1200 Liter mitnehmen. Das Fließheck ist also nicht bloß eleganter, sondern ebenfalls praktischer. Generell können die architektonisch eher hemdsärmeligen Smart schon als Familientourer durchgehen. Dass die nicht nur deutsche Gene haben, merkt man ihnen übrigens an. Ein fernöstlich verspielter Touch ergibt sich in Form eines lustigen Fuchses, der immer wieder auf dem Display erscheint. Ob das Bedienen dadurch mehr Spaß macht, muss jeder selbst entscheiden. Recht intuitiv kommt man aber immerhin durch die Menüs.
Beim innen skandinavisch-kühler gezeichneten EX30 mit den schicken Recyclingsitzen in "Nordico"-Ausführung (Leder-Ersatz) kann man die wichtigsten Assistenten mittels Shortcut ausschalten. Aber für das Beseitigen der Spurvibration ist dann doch in das Menü abzutauchen.
Können die Kleinwagen Langstrecke?
Lieber mit Volvo oder Smart auf größere Reise gehen? Hinreichend komfortabel sind sie alle, wobei der Smart, selbst der Brabus, noch einen Hauch geschmeidiger über schlechte Straßen flauscht neben seinem besseren Platzangebot.
Wer aber mit den erwachsenen Kleinwagen auf längere Fahrt geht, muss sich wohl oder übel mit der Ladethematik auseinandersetzen. Und hier sei der Hinweis angemerkt, dass man sich davor hüten sollte, den 62 kWh (netto) großen Smart-Akku nicht unter zehn Prozent Ladestand fallen zu lassen. Wer die noch dazu vielleicht nicht optimal konditionierte Batterie gar auf fast null Prozent herunterfährt, kann auch mal eine Viertelstunde am Lader stehen, bis sie überhaupt wieder zehn Prozent erreicht hat und die Ladeleistung langsam hochfährt. Dann kann es bei kühlerer Witterung aber auch mal 35 oder 40 weitere Minuten dauern, bis 80 Prozent erreicht werden. Also dann besser vorher schon den Ladepunkt ansteuern.
Und 400 Kilometer WLTP-Reichweite sind eher theoretischer Natur, mit realen 300 liegt man sicherlich besser in der Planung. Der Volvo EX30 bietet noch drei Kilowattstündchen mehr (und die nominal bessere Ladeperformance), sodass 50 Kilometer mehr Reichweite auf dem Zettel stehen. Dieses Kapitel gehört ebenfalls zur Elektromobilität. Aber Geely arbeitet mit Hochdruck an der Ladethematik. Für den demnächst erscheinenden Smart #5 verspricht der Konzern 420 kW Ladeleistung. Smart gibt 15 Minuten für den Hub von 10 auf 80 Prozent an.
Fakt ist, dass Geely es gelingt, mit einer effizienten Plattformstrategie verschiedenste Fahrzeuge auf die Räder zu stellen. Und die qualitative Anmutung fällt durchaus solide aus - markenübergreifend. Allerdings sind Geely-Produkte auch keine Schnäppchen. Der performante Smart #1 Brabus schlägt mit mindestens 48.990 Euro zu Buche. Für den eleganteren #3 werden schon 50.990 Euro fällig. Und wer ein Faible für skandinavisch angehauchte fahrbare Ware bevorzugt, muss mit 55.290 Euro Budget planen, sofern es die zweimotorige Ausführung sein soll.
Das sind ganz schöne Mengen Geld, allerdings dürfen potenzielle Kunden auf attraktive Finanzierungs- und Leasingkonditionen hoffen. Und zur Not müssen es dann eben die "günstigeren" (ab 37.490 Euro) Einstiegsvarianten richten. Und die sind ja schließlich auch mehr als üppig motorisiert.
Quelle: ntv.de
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