Der Mond zeigt der Erde immer das gleiche Gesicht. Das Erstaunliche dabei: Die permanent der Erde zugewandte Seite sieht völlig anders aus als die erdabgewandte Seite. Warum das so ist, hat jetzt ein Forschungsteam aus den USA herausgefunden. Mithilfe von Archivdaten der Mondmission "Grail" sind die Wissenschaftler auf deutliche Temperaturunterschiede im Inneren des Erdtrabanten gestoßen. Wie das Team im Fachblatt "Nature" berichtet, ist der zähflüssige Gesteinsmantel des Mondes auf der Vorderseite teilweise um 100 bis 200 Grad wärmer als auf der Rückseite.
Die von der Erde aus sichtbare Seite des Mondes zeigt eine Reihe auffälliger dunkler Flächen, die sogenannten Mare. Dabei handelt es sich nicht um Meere, sondern um in der Frühgeschichte des Erdtrabanten durch großflächige Vulkanausbrüche entstandene Lavaebenen.
Solche Ebenen fehlen auf der Mondrückseite, wie schon 1959 Aufnahmen der sowjetischen Mondsonde "Luna-3" zur Überraschung der Forscher zeigten. Hier dominieren zerklüftete Krater- und Gebirgslandschaften das Bild.
Mondkruste auf erdzugewandter Seite dünner
Einen weiteren überraschenden Unterschied zwischen den beiden Seiten des Mondes entdeckte 2012 das "Gravity Recovery and Interior Laboratory" ("Grail"), eine aus zwei Raumsonden bestehende Mission zur genauen Untersuchung der lunaren Gravitation. Aus räumlichen Schwankungen der Anziehungskraft können die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die Massenverteilung im Inneren des Erdtrabanten ziehen. So zeigten die "Grail"-Messungen, dass die Kruste auf der erdzugewandten Seite um 80 Kilometer dünner ist als die 150 Kilometer dicke Kruste der erdabgewandten.
Was aber ist die Ursache dieser Unterschiede? "Es gibt eine ganze Reihe von Hypothesen zur Erklärung dieser Asymmetrie", schreiben Ryan Park vom Jet Propulsion Laboratory und seine Kollegen. "Doch ihr Ursprung wird nach wie vor kontrovers diskutiert." So könnte die Ursache in der inneren Struktur des Mondes zu finden sein. "Bislang wurden jedoch noch keine Beobachtungen gemacht, die solche Variationen eindeutig belegen."
Es gibt auch Gezeiten auf dem Mond
Deshalb haben sich Park und seine Kollegen die 2012 von "Grail" gelieferten Daten noch einmal vorgenommen. Dabei haben die Forscher nicht nur die räumlichen, sondern auch die zeitlichen Veränderungen im Schwerefeld des Mondes untersucht. Denn so wie der Mond auf der Erde Gezeiten hervorruft, sorgt die Schwerkraft der Erde auch auf dem Mond für Gezeiten. Zwar gibt es dort aus Mangel an Wasser nicht Ebbe und Flut. Doch die Gezeitenkraft deformiert den Mond geringfügig.
Aufgrund der elliptischen Umlaufbahn ändert sich diese Verformung im Laufe eines Mondumlaufs - und diese Unterschiede hängen vom inneren Aufbau des Erdtrabanten ab - insbesondere davon, wie zäh das Gesteinsmaterial im Mantel ist. Wie die Analyse der alten "Grail"-Daten durch Park und Kollegen zeigt, deformieren die Gezeiten das Mantelgestein auf der Vorderseite um etwa zwei bis drei Prozent stärker als auf der Rückseite des Mondes. Und dieser Unterschied, so die Wissenschaftler, lasse sich durch einen Temperaturunterschied von 100 bis 200 Grad erklären: Das heißere Gestein ist weniger zäh, also flüssiger als das kühlere.
Eine zusätzliche radioaktive Wärmequelle
Die heißere Zone befindet sich vermutlich in einer Tiefe von 800 bis 1200 Kilometern, wo die Temperatur im Bereich von 1700 Grad Celsius liegt. Vermutlich sei es der Zerfall radioaktiver Elemente wie Thorium, der für die zusätzliche Aufheizung sorgt, so die Forscher.
Möglicherweise waren diese Elemente bereits bei der Entstehung des Erdtrabanten - ausgelöst nach heutigen Erkenntnissen durch den Zusammenstoß der Erde mit einem marsgroßen Himmelskörper - ungleichmäßig im Inneren verteilt. Die zusätzliche radioaktive Wärmequelle sorgte dann für die Bildung einer dünneren Kruste und den stärkeren Vulkanismus auf der einen Hemisphäre des Mondes.
Quelle: ntv.de, Rainer Kayser, dpa
Tags: