Er befahl ihr, die Ex-Freunde mit Säure auszulöschen

  13 Oktober 2015    Gelesen: 544
Er befahl ihr, die Ex-Freunde mit Säure auszulöschen
Sie nennen ihn den Christian Grey Italiens: Alexander B. und seine Freundin planten, ihre Ex-Freunde mit Salzsäure zu überschütten. Einmal wurde das Paar schon verurteilt – nun tauchen mehr Opfer auf.
Ein blasser Mann mit kurzen, dunklen Haaren sitzt in einem Käfig der "Aula I" des Mailänder Gerichts. Schwere Straftaten werden hier prozessiert. Er heißt Alexander B., ist 30 Jahre alt. Er muss im Gerichtssaal im Käfig sitzen, weil der Richter ihn für extrem gefährlich hält, für "schlimmer als einen Mafioso oder Terroristen". Zu 14 Jahren Haft ist er – gemeinsam mit seiner Geliebten und Mittäterin Martina L. – bereits verurteilt, weil er einen ihrer Ex-Freunde mit einem Säureattentat beseitigen wollte.

B.s Blick, aus dem Käfig auf sein Opfer gerichtet, ist teilnahmslos, kalt, fast hämisch. Der 25-jährige Student Stefano Savi braucht dagegen viel Mut, um auf der Zeugenbank zu sitzen, einziges Schutzschild gegen neugierige Blicke aus dem Publikum eine Baseball-Kappe. Stefanos Gesicht ist vernarbt, ein Ohr und die Nase sind kaputt, ein Auge ist zugequollen. 25 Operationen in einem knappen Jahr hat er hinter sich. Sein Vater hat ihn begleitet, sagt: "Unser Leben seit dem 2. November 2014 ist ein Albtraum."

Damals schüttete jemand seinem Stefano im Morgengrauen einen Topf Salzsäure ins Gesicht. Dabei war er kein Ex-Liebhaber von Martina. Er kannte die Angreifer nicht. Jetzt traute Stefano sich erstmals in die Öffentlichkeit: "Ich will dem Täter ins Gesicht schauen", sagte er.

Stefano wurde Opfer einer banalen Verwechslung. Monatelang blieb die Tat ungeklärt. Später stellte sich dann heraus, dass die Täterin Martina L. mit dem Säureattentat eigentlich einen ihrer Ex-Liebhaber, den Modefotografen Giuliano Carparelli, "auslöschen", "vernichten" wollte.

Eine Sex-Sklavin, die alle Perversionen mitmachte

So wollte es Alexander B., und was er befahl, das tat Martina. Die beiden waren ein Paar. Aber kaum einer wusste, dass der attraktive und erfolgreiche Mailänder Immobilienmakler mit Sixpack vor dem Bauch und Millionen in der Bank in seiner Freizeit nicht nur fanatisch seinen Body im Sportstudio kultivierte, sondern auch ein perverser Verbrecher war. Einer, der Sadomaso-Spielchen mochte und sich blutige Messerstiche auf Schultern und Brustkorb tätowiert hatte.

Martina war ihm hörig: eine Sexsklavin, die alle Perversionen mitmachte. Als die Polizei bei B. zu Hause Säure- und Chloroformflaschen, Messer, Peitschen, Hämmer und Skalpelle beschlagnahmte, erklärte er stolz, dass seine Frauen sich damit gefügig seinen Namen in die Haut geritzt hätten. Martina. B. verspottete er als "dick" und "hässlich", während er selbst sich von ihr "König" nennen ließ. Er war ein Narzisst, der Selfies liebte. Da zeigte er sich mit ölglänzender Brust oder im Gym mit "Alexander B. KING"-Shirt. Zu Martinas Pflichten gehörten aber nicht nur Sexspielchen, sondern auch die "Reinigung" von früheren Sünden, ihren Ex-Liebhabern.

Jetzt nennen sie ihn den Christian Grey Italiens. Tatsächlich gibt es Parallelen zum Roman "50 Shades of Grey". Alexander B. wuchs bei seiner Mutter auf. Der deutsche Vater hatte die Familie verlassen, als Alexander noch ein Kind war. Mit 14 machte der Junge einen Selbstmordversuch. "Da, wo eigentlich die Seele ist, ist bei B. ein Vakuum", sagte ein Richter. Aber B.s Anwälte verzichteten darauf, psychologische Motive für die Tat zur Strafminderung anzuführen.

"Papi, es ist Säure!"

"Lauf, Papi, lauf weg!" schrie am späten Nachmittag des 28. Dezember 2014 der Wirtschaftsstudent Pietro Barbini seinem Vater zu. Gherardo Barbini hatte seinen Sohn zu einem Vorstellungsgespräch in die abgelegene Via Giulio Carcano am Stadtrand von Mailand gebracht. Das war eine Falle. Martina L. und Alexander B. hatten ihn zu dieser Adresse gelockt. Als Pietro an der Tür klingelte, hatte er Sekunden später zwei Liter Salzsäure im Gesicht.

Pietro rannte davon, halbblind, schrie: "Papi, es ist Säure!", während er sich die säuregetränkte Jacke und den Pulli vom Körper riss. B. verfolgte ihn, schlug mit einem Hammer nach ihm, doch es gelang dem schwerverletzten Pietro trotzdem noch, den Angreifer in die Flucht zu jagen. Er hatte sogar den Geistesblitz, noch einen Anruf mit seinem Handy zu tätigen. Später konnte die Polizei die Täter problemlos fassen, weil im Handy alles gespeichert war.

Pietro kannte Martina. Sie waren mal ein Paar gewesen, gemeinsam zur Schule gegangen. Ihre Freunde waren fassungslos: Martina war als fröhliche junge Frau bekannt, eine Vorzeigeschülerin, später Studentin. Mit 23 Jahren hatte sie bereits ihr Examen in Wirtschaftswissenschaften an der strengen "Università Cattolica" in Mailand abgelegt.

Wenige Tage nach der Attacke auf Pietro Barbini wurde sie gemeinsam mit Alexander B. verhaftet. Barbini hat, Monate später und nach 20 Operationen, den Mut, über seine Qualen zu sprechen. Schlimm seien nicht nur die unerträglichen Schmerzen, die Narben, die die Säure in die Haut frisst. Er kann jetzt die Sonne nicht mehr ertragen und weiß nicht, "ob ich jemals in der Öffentlichkeit arbeiten kann, unter Menschen, so wie es mein Wunsch war."

Mehrere ungeklärte Fälle gehen auf das Konto der beiden

Weil die Säure "in wenigen Augenblicken sein Gesicht für immer entstellt hat, gemeinsam mit seiner gesamten Lebenserwartung", verurteilten die Mailänder Richter das "diabolische Paar" für das Attentat auf Pietro Barbini im Juli zu 14 Jahren Haftstrafe. Sie müssen eine Million Euro als Schadensersatz zahlen. Die ersten drei Jahre nach seiner Strafe kann B., weil er so gefährlich ist, nur unter Aufsicht auf freien Fuß.

Nun folgen weitere Verfahren. Denn es stellte sich schnell heraus, dass andere, bis dahin ungeklärte Fälle, auf das Konto der beiden gingen. Im derzeit laufenden Prozess geht es um den Säureangriff auf Stefano Savi. Und noch ein weiterer Student meldete sich, Antonio Margarita. Martina L. hatte ihn im Mai 2014 in ein Auto gelockt. Dann zückte sie ein Messer und versuchte, ihm den Penis abzuschneiden. Antonio wehrte sich erfolgreich, da zeigte Martina ihn wegen Vergewaltigung an. Jetzt trat Margarita als Zeuge gegen Martina im Prozess an.

Mit der Treue war es zwischen Martina L. und Alexander B. schnell vorbei, sobald sie hinter Gittern waren. Er schob ihr die Schuld zu, sie zog ihn zur Verantwortung, zeigte wenigstens ein wenig Reue und entschuldigte sich bei ihrem Opfer. Zu diesem Zeitpunkt war Martina hochschwanger. Im August, kurz vor dem Beginn des zweiten Verfahrens, kam das Kind zur Welt. Die Richter entschieden, dass weder Mutter noch Vater ihr Baby sehen dürfen. Es soll zur Adoption freigegeben werden und von der Vergangenheit seiner Eltern nie etwas erfahren.

Denn die haben es möglicherweise noch schlimmer getrieben, wie jetzt herauskam. Ein Komplize, der die Logistik für L. und B. organisiert haben soll, sagte im neuen Prozess aus: "Es gab eine Liste mit 20 weiteren Opfern. Ich habe sie gesehen. Der erste Name war Pietro Barbini."

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