Doch das gelang trotz Schweigens nicht. Denn es war vor allem Rangnicks schmerzhafter Sturz, der den Bundesliga-Aufstieg von Rasenballsport bebilderte. Dass sich der Trainer und Sportdirektor auf der Flucht vor Stürmer Davie Selke und einer Bierdusche eine heftige Muskelverletzung im Oberschenkel zuzog - den Schmerzen zufolge mindestens einen Faserriss -, war die Nachricht des Abends. Und irgendwie hatte das Bild des leidenden Rangnick auch Symbolcharakter: Der Fußballlehrer hat sich seinem Herzensprojekt RB Leipzig mit Haut und Haar verschrieben und stand im vorletzten Saisonspiel gegen den Karlsruher SC dermaßen unter Strom, dass sich die ganze Anspannung in seinem schmalem Körper durch den Riss im Oberschenkelmuskel entlud.
Die Erwartungshaltung, die auf dem Verein und den Spielern gelastet hatte, war entwichen. Routinier Marvin Compper gab zu: "Der Druck war enorm. Wir wurden vom ersten Spieltag an in die Rolle des Favoriten Nummer eins gedrängt und sind 33 Spieltage lang mit dem Druck des Favoriten auf den Platz gegangen. Dem haben wir gut Stand gehalten." Während Spieler und Fans ausgelassen im Stadion feierten, erlebte Rangnick den plötzlichen Druckabfall im Stillen in der Kabine, während er behandelt wurde. Nicht einmal zur Pressekonferenz konnte er erscheinen. Als die Mannschaft von Tausenden Anhängern begleitet auf dem Dach eines roten Doppeldecker-Busses aus dem Stadion fuhr, saß Rangnick auf der Busterrasse ganz hinten in der Ecke, lächelte still und winkte.
"Eines der geilsten Gefühle, die es gibt"
Auf der Fahrt zum nahe gelegenen Trainingszentrum stimmten die Leipziger Spieler mmer wieder den Klassiker: "Zieht den Bayern die Lederhosen aus" an. In diesem Moment Zeichen der überschwänglichen Freude, aber auch ironisches Signal der Mannschaft, dass sie gewillt ist, die Hackordnung im deutschen Fußball durcheinanderzubringen. Mittelfeldmotor Diego Demme etwa freute sich schon kurz nach Spielschluss auf die Aufgaben, die in der kommenden Saison auf die Leipziger warten: "Nach der Feier werden wir nach und nach realisieren, gegen wen wir in der kommenden Saison spielen dürfen. Im nächsten Jahr im Dortmunder Stadion vor der Südtribüne zu spielen, ist - glaube ich - eines der geilsten Gefühle, die es gibt."
Auch Routinier Marvin Compper verband die Feierlichkeiten mit Ambitionen für die Zukunft: "Wenn man gesehen hat, wie uns 5000 Menschen auf der Fahrt mit dem Doppeldecker begleitet haben – das ist bombastisch. Das zeigt, welch schlafenden Riesen wir jetzt geweckt haben. Und ich hoffe, dass wir da künftig noch einen drauflegen können." Und Keeper Fabio Coltorti, der nun bei drei der insgesamt vier Aufstiege seit der Vereinsgründung 2009 im Tor stand, ergänzte: "Unser Weg ist noch lange nicht zu Ende, nächstes Jahr geht es weiter."
Champions League bleibt das Ziel
RB Leipzigs Klubstratege Oliver Mintzlaff, Geschäftsführer und Vereinspräsident, mochte am Tag des Aufstiegs keine hehren Ziele ausgeben: "Heute wird gefeiert, da muss man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen - vor allem je später der Abend ist", sagte der Rheinländer. "Aber es geht jetzt darum, unsere Planungen umzusetzen. Wir beginnen ab Montag damit, uns auf die 1. Liga einzustellen." Dazu zählen die Planungen zum Um- oder Neubau des Stadions ebenso wie Sponsorensuche sowie die personelle Umstrukturierung und Erweiterung der Geschäftsstelle. Die sportlichen Planungen, für die sich Rangnick bereits mit dem neuen Trainer Ralph Hasenhüttel ausgetauscht hat, sehen vor, etwa zehn neue Spieler mit Erstligaformat dazuzuholen, um das spielerische Niveau weiter anzuheben.
Denn dass sich die RBL-Bosse nicht mit dem Aufstieg in die Bundesliga zufriedengeben, ist klar. Rangnick hatte in der Vergangenheit immer mal wieder betont, dass es das Ziel sei, im Oberhaus für Furore zu sorgen und eines Tages die Champions-League-Plätze anzugreifen. Das dokumentiert auch eine Klausel im Vertrag von Hasenhüttl, die dessen bisherigem Klub FC Ingolstadt noch bis zu einer halben Million Euro mehr an Transfererlös einbrächte, wenn sich RBL in den nächsten drei Jahren für europäische Wettbewerbe qualifizieren würde.
Zwar stimmten Fans und Spieler immer wieder den Aufstiegsgassenhauer "Nie mehr, 2. Liga" an. Doch das stimmt noch nicht ganz. Denn trotz kühner Pläne wiesen Spieler und Verantwortliche darauf hin, dass noch eine Partie im Unterhaus zu absolvieren ist, beim Tabellen-16. MSV Duisburg. Trotz Schmerzen hatte Rangnick noch in der Kabine gewohnt akribisch darauf hingewiesen, dass die Mannschaft jetzt zwar zwei Tage feiern dürfe. Aber ab Mittwoch müsse die Konzentration wieder auf dem Saisonabschluss bei den Zebras liegen. Doch dieses Spiel dürfte auf absehbare Zeit das letzte Zweitligamatch der Leipziger werden. Anders als in der einzigen Bundesligasaison des VfB Leipzig 1993/1994 mit sofortigem Wiederabstieg vor 22 Jahren ist RB Leipzig gekommen, um zu bleiben.
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