Der Bund bleibt biodeutsch

  26 Mai 2016    Gelesen: 575
Der Bund bleibt biodeutsch
Angestellte mit Migrationshintergrund sind in Bundesbehörden und Ministerien weiter unterrepräsentiert. Besonders deutlich wird das laut einer Studie in den Chefetagen.
Deutschlands Bürokratie soll eigentlich bunter werden: Die Bundesregierung hatte sich 2012 dazu verpflichtet, gezielt mehr Menschen mit Migrationshintergrund für den Dienst in Bundesbehörden und Ministerien zu gewinnen. Nun wurde erstmals in einer Befragung ermittelt, wie viele Beschäftigte mit Migrationshintergrund tatsächlich in der Bundesverwaltung beschäftigt sind und wie sich ihre Arbeitsverhältnisse von denen jener Kollegen ohne Migrationshintergrund unterscheiden.

Die Ergebnisse zeigen: Mit nur etwa 15 Prozent sind Angestellte mit Migrationshintergrund in den Institutionen des Bundes deutlich unterrepräsentiert. Die Rate ist damit deutlich geringer als in der Privatwirtschaft (20,1 Prozent), aber weit höher als in der öffentlichen Verwaltung insgesamt (6,7 Prozent).

Nach amtlichen Statistiken haben rund 20,5 Prozent der Deutschen einen Migrationshintergrund. Unter dem Begriff fassen die Behörden alle Bürger, die nach 1949 in die Bundesrepublik eingewandert sind oder mindestens einen ausländischen Elternteil haben. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Integration hatte die Bundesregierung Anfang 2012 beschlossen, den Migrantenanteil unter den Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung zu erhöhen. Bislang war dieser Anteil allerdings nicht statistisch erfasst worden.

Nun haben die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration und das Bundesinnenministerium gemeinsam erstmals verlässliche Daten gesammelt. Befragt wurden dafür rund 24.000 Beschäftigte von 24 Bundesbehörden, Ministerien und der Bundeswehr.

Die Ergebnisse zeigen, dass es auch in der Art der Beschäftigungen von Angestellten mit und ohne Migrationshintergrund Unterschiede gibt. So haben Mitarbeiter mit Migrationshintergrund seltener unbefristete Arbeitsverträge und sind seltener verbeamtet als ihre nicht migrantischen Kollegen. Bei den Ministerien nachgeordneten Behörden – wie etwa dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das dem Bundesinnenministerium unterstellt ist – liegt der Anteil der verbeamteten Mitarbeiter ohne Migrationshintergrund beispielsweise noch bei 57 Prozent. Die Quote der Beamten mit ausländischen Wurzeln ist mit 39 Prozent deutlich geringer.

Auch sind Angestellte mit Migrationshintergrund im Schnitt weniger in den höheren Verwaltungslaufbahnen tätig. So sind rund 29 Prozent aller Angestellten mit Migrationshintergrund im einfachen Dienst tätig, aber nur rund 17 Prozent ihrer Kollegen ohne Migrationshintergrund. Im mittleren, gehobenen und höheren Dienst sind die migrantischen Angestellten hingegen weniger stark vertreten.

Auffällig ist auch: Die Beschäftigten mit Migrationshintergrund sind im Schnitt vergleichsweise jünger als ihre Kollegen ohne Migrationshintergrund. So sind beispielsweise in den oberen Bundesbehörden weniger als ein Viertel der Angestellten ohne Migrationshintergrund unter 40 Jahre alt, während bei Angestellten mit ausländischen Wurzeln mehr als ein Drittel in diese Altersgruppe fallen. Auch sind mehr Frauen unter den migrantischen Mitarbeitern als unter nicht-migrantischen Kollegen.
Gründe für Ungleichgewicht nicht erfasst

Wie hoch der Anteil migrantischer Angestellter ist, unterscheidet sich von Institution zu Institution deutlich. Während im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) rund ein Viertel der Mitarbeiter ausländische Wurzeln hat, sind es im Verteidigungsministerium lediglich 6,4 Prozent. In der Bundeswehr liegt derweil der Anteil befristeter Arbeitsverträge bei Beschäftigten mit Migrationshintergrund mit 70 Prozent deutlich höher als bei Kollegen ohne Migrationshintergrund (rund 49 Prozent).

Über die Gründe für das Ungleichgewicht in den Verwaltungen lässt die Erhebung vorerst keine Schlüsse zu. Die Auftraggeber beim Bund haben angekündigt, die Studie weiterzuentwickeln, um künftig mehr über die Ursachen der Ungleichverteilung zu erfahren. Aus den Ergebnissen der Studie gehe schon hervor, dass konkrete Maßnahmen im Bereich der Personalpolitik individuell auf die Gegebenheiten der jeweiligen Behörden abgestimmt werden müssten.

Ein offener Gebetsraum für alle kann schon hilfreich sein

Integrationsexperten äußerten sich positiv über die Initiative der Bundesverwaltung. "Die Privatwirtschaft hat die Vorteile von Vielfalt früher für sich entdeckt, doch der öffentliche Sektor hat in den vergangenen Jahren nachgezogen", sagt Aletta Gräfin von Hardenberg, Geschäftsführerin der Unternehmensinitiative Charta der Vielfalt. Eine Belegschaft, in der sich die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegele, könne Bedürfnisse von Kunden oder Klienten besser erkennen und bedienen.

Um mehr Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund gewinnen zu können, komme es vor allem auf die Kommunikation an: "Den Bewerbern muss deutlich gemacht werden: Du bist hier willkommen", sagt von Hardenberg, "und auch nach innen muss kommuniziert werden, um Vorurteile und Ängste abzubauen." Oft hätten ganz praktische Maßnahmen großen Erfolg. "Eine Kantine, in der Essen auch halal angeboten wird, oder ein Gebetsraum, der offen ist für alle, helfen ungemein", so von Hardenberg. "Und wenn die Verwaltung mit Broschüren um Bewerber wirbt, dann sollten auf den Fotos nicht nur blonde Männer zu sehen sein."

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