Am Mittwoch veröffentlichte der Generalinspekteur des US-Außenministeriums einen Bericht zu den Vorwürfen. Der Generalinspekteur ist ein Kontrolleur, dessen Behörde innerhalb des Ministeriums angesiedelt, aber unabhängig ist. In seinem Bericht heißt es, Clintons Nutzung eines privaten E-Mail-Kontos sei "keine angemessene Methode" gewesen, Dokumente aufzubewahren.
Die Vorwürfe im Einzelnen
Untersucht wurde der Umgang mit E-Mails der letzten fünf Außenminister. Alle verstießen gegen die Vorschrift, keine privaten E-Mail-Konten für ihre dienstliche Kommunikation zu nutzen. Als Clinton ihr Amt antrat, seien die Richtlinien aber sehr viel umfangreicher gewesen, heißt es in dem Bericht. Anders gesagt: Clinton hat vielleicht das Gleiche gemacht wie ihre Vorgänger, dabei aber gegen mehr Auflagen verstoßen.
Weiter heißt es im Bericht, Clinton hätte "zumindest" alle E-Mails übergeben müssen, als sie aus der Regierung ausschied. Dass sie das nicht getan habe, sei ein Verstoß gegen das Bundesgesetz gewesen, das die Aufbewahrung amtlicher Dokumente regelt. Die Sammlung von E-Mails, die Clinton schließlich doch übergeben habe, sei unvollständig gewesen.
Hier finden Sie den 83-seitigen Bericht im Original.
Wie schwer wiegen die Vorwürfe?
Demokraten und Republikaner bewerten die Affäre höchst unterschiedlich. Demokraten sagen, dass sei keine große Sache: Clintons Sprecher Brian Fallon wies darauf hin, dass der Bericht des Generalinspekteurs zeige, dass auch andere Außenminister private E-Mail-Konten verwendet hätten. Dagegen erklärte der Vorsitzende der Republikanischen Partei, Reince Priebus, der Bericht verdeutliche, "dass Hillary Clinton von Anfang an nicht die Wahrheit gesagt hat".
Was sagt Bernie Sanders dazu?
Clintons demokratischer Mitbewerber Bernie Sanders hat sich zum aktuellen Untersuchungsbericht selbst nicht geäußert. Sein Sprecher Jeff Weaver sagte lediglich: "Ich glaube, der Bericht spricht für sich selbst." Sanders versuche, den Wahlkampf mit Inhalten zu führen.
Berühmt wurde Sanders` Ausspruch vom Oktober 2015. Damals sagte er in einer TV-Debatte, die Amerikaner seien es leid, von den "verdammten E-Mails" zu hören. Im Januar nannte Sanders die E-Mail-Affäre dann zwar "eine sehr ernste Angelegenheit". Aber dabei beließ er es auch.
Wie gefährlich ist die Affäre für Clinton?
Sehr gefährlich – aus drei Gründen. Erstens: Clintons Umgang damit ist nicht unproblematisch. Sie hat die Vorwürfe lange als banal abgetan und sogar Witze darüber gemacht. Zu einer Aussage vor dem Generalinspekteur des Außenministeriums war sie nicht bereit. Das passt sehr gut zu dem Clinton-Bild, das Republikaner von ihr haben und verbreiten: eine abgehobene Politikerin, die glaubt, sich nicht an Regeln halten zu müssen.
Zweitens: Der Bericht des Generalinspekteurs ist nicht der letzte über diese Affäre. Die wichtigste der laufenden Untersuchungen sind Ermittlungen des FBI. Die US-Bundespolizei prüft, ob Clinton über ihren Server vertrauliche Informationen verschickte oder erhielt. Im schlimmsten Fall droht ihr eine Anklage. Das gilt als unwahrscheinlich. Trotzdem dürften die Republikaner auch im abschließenden FBI-Bericht, der in diesem Sommer erwartet wird, Munition gegen Clinton finden.
Drittens: Clintons Wahlkampfteam versucht, die Ermittlungen und Untersuchungen als überzogen und interessengeleitet darzustellen. Das dürfte nicht funktionieren. Der amtierende Generalinspekteur wurde von Präsident Barack Obama eingesetzt, und das FBI untersteht Justizministerin Loretta Lynch, die ebenfalls Demokratin ist.
Wie geht es weiter?
Wie sehr Clinton die E-Mail-Affäre schadet wird, hängt davon ab, welche Sichtweise im Wahlkampf die dominierende sein wird. Sicher ist, dass der wahrscheinliche Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump, alles tun wird, um Clinton als Lügnerin darzustellen.
Wie schon bei seinen republikanischen Konkurrenten in den Vorwahlen ("Niedrigenergie-Bush", "Lügen-Ted", "kleiner Marco") hat er ein Etikett für Clinton gefunden, das er ihrem Namen jetzt so oft wie möglich anheftet. Er experimentierte mit mehreren Attributen und entschied sich dann dafür, sie "Crooked Hillary" zu nennen – das Wort bedeutet gekrümmt, verlogen, betrügerisch. Nachdem der Bericht des Generalinspekteurs veröffentlicht wurde, lästerte Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Kalifornien, Hillary sei "so verlogen, wie man nur sein kann". Das Etikett trifft Clinton an einem wunden Punkt. Einer Umfrage zufolge halten 60 Prozent der Wähler in den USA Clinton nicht für "ehrlich und glaubwürdig" – unter den Anhängern ihres demokratischen Mitbewerbers Bernie Sanders sind es sogar 72 Prozent.
Der einzige Lichtblick aus Clintons Sicht ist, dass ihr Gegner für fast genauso unglaubwürdig gehalten wird. 58 Prozent der Befragten sagte das in derselben Erhebung über Trump. Die Amerikaner haben am 8. November die Wahl zwischen zwei Personen, die so unbeliebt sind wie keine Präsidentschaftskandidaten vor ihnen, seit solche Umfragen durchgeführt werden. Es sei denn, es geschieht noch ein Wunder. Es wäre nicht das erste in diesem ungewöhnlichen Wahlkampf.
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