Die Verteilung der Delegierten auf die Präsidentschaftsbewerber der beiden großen Parteien in den USA wird in Vorwahlen bestimmt. Zusätzlich zu den so gewählten "gebundenen Delegierten" gibt es in beiden Parteien "ungebundene Delegierte" – bei den Republikanern sind das Mitglieder der Bundesspitze der Partei. Beide Gruppen, gebundene und ungebundene Delegierte, wählen im Juli auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner in Cleveland den Präsidentschaftskandidaten.
Wie der Name schon sagt, sind ungebundene Delegierte in ihrer Entscheidung frei. Gebundene Delegierte sind dagegen zunächst auf das Vorwahlergebnis ihres Heimat-Bundesstaates festgelegt. Sie können erst im zweiten oder dritten Wahlgang frei entscheiden, wen sie wählen wollen – doch zu einem zweiten Wahlgang wird es nun aller Voraussicht nach nicht kommen.
AP zufolge hat Trump die Marke der 1237 Delegierten erreicht, weil er "eine kleine Zahl von ungebundenen Delegierten" für sich gewinnen konnte, die der Agentur ihre Entscheidung mitteilten. "Ich glaube, er hat einen Teil der Wählerschaft angesprochen, dem nicht gefällt, wo unser Land derzeit steht", zitiert AP die Vorsitzende der Republikaner im Bundesstaat Oklahoma, Pam Pollard. "Ich habe kein Problem damit, Mr. Trump zu unterstützen."
Nach Zählung von AP kommt Trump jetzt auf 1238 Delegierte. Diese Zahl dürfte noch deutlich ansteigen, da am 7. Juni noch in mehreren Bundesstaaten gewählt wird, darunter Kalifornien und New Jersey, wo viele Delegierte zu gewinnen sind. Gegenkandidaten hat Trump nicht mehr.
Mit Beleidigungen zum Sieg
Mit dem so unspektakulären Sieg endet ein Vorwahlkampf, in den Trump als krasser Außenseiter eingestiegen war. In den TV-Debatten der Republikaner wurde deutlich, dass Fakten und Inhalte nicht so seine Sache sind; Trump punktete eher mit Sprüchen. Schon in der Rede, mit der er seine Bewerbung öffentlich machte, nannte er Mexikaner "Vergewaltiger". Später beleidigte er eine Journalistin, eine Mitbewerberin und die Frau seines aussichtsreichsten Mitbewerbers Ted Cruz mit sexistischen Sprüchen, er äffte einen Journalisten mit einer Sprachbehinderung nach und er gab Cruz den Namen "Lügen-Ted".
Die Medien in den USA stiegen auf die Trump-Show ein – Trump konnte jederzeit in den morgendlichen TV-Sendungen anrufen und wurde gleich interviewt. Anfangs gingen Beobachter noch davon aus, dass der 69-Jährige an sich selbst scheitern würde. Der unterlegene Bewerber Jeb Bush sagte ihm in einer Debatte, mit Beleidigungen werde er nicht ins Weiße Haus kommen. Trump wusste es besser. "Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue (in New York) stehen und jemanden erschießen und ich würde keine Wähler verlieren", sagte er bei einem Wahlkampfauftritt in Iowa, wo Anfang Februar die ersten Vorwahlen stattfanden.
Aus Sicht der republikanischen Parteispitze ist Trump nicht "konservativ" genug, was in den USA heißt, dass sie nicht sicher sind, ob er ihr Glaubensbekenntnis teilt. Das lautet: Steuererhöhungen sind tabu, Freihandel ist gut, Abtreibungen sollten verboten werden, der Besitz von Schusswaffen aber keinesfalls. Vor allem im wirtschaftspolitischen Teil dieser Agenda, aber auch in der Abtreibungsfrage, gilt Trump als Wackelkandidat.
Wütende weiße Männer
Und doch hat er 16 republikanische Bewerber aus dem Rennen geworfen, darunter aufstrebende Senatoren wie Marco Rubio, ehemalige Gouverneure wie Jeb Bush, amtierende Gouverneure wie John Kasich. Trump hat praktisch das gesamte republikanische Establishment hinweggefegt, das sich immer noch schwer damit tut, diesen Kandidaten zu akzeptieren. Viel war die Rede davon, die Republikanische Partei werde eine Strategie entwickeln, um Trump zu stoppen – passiert ist nichts dergleichen.
Schon früh war klar, dass diese Vorwahlen anders ablaufen: Nicht politische Erfahrung war den Wählern wichtig, sondern Distanz zum politischen Establishment. Waren vor acht Jahren noch "hope" und "change" – Hoffnung und Wandel – die Schlagwörter des Wahlkampfes, dann ist es heute "anger", Wut. Das gilt in abgeschwächter Form auch für die Demokraten, wo der Sozialist Bernie Sanders ungewöhnlich erfolgreich ist, wenn er es auch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht schaffen wird, Hillary Clinton zu besiegen.
Bei den Republikanern sind es vor allem die wütenden weißen Männer, die Trump zum Erfolg verholfen haben. In ihren Augen ist es kein Problem, wenn Trump mit rassistischen Anspielungen kokettiert, wenn er sich in einem Interview weigert, sich vom Ku-Klux-Klan zu distanzieren, wenn er offenkundig keine Ahnung von Außenpolitik hat.
"Er ist lächerlich"
Bekannt wurde Trump als Immobilieninvestor, als exzentrischer New Yorker Milliardär und vor allem durch seine Fernsehsendung "The Apprentice", eine Casting-Show, in der er Mitarbeiter suchte. Aus Sicht des liberalen Teils der USA ist Trump schlicht verrückt; er ist schließlich der Mann, der Präsident Barack Obama unterstellte, nicht in den USA geboren zu sein, und der selbst dann noch an diesem abwegigen Vorwurf festhielt, als Obama seine Geburtsurkunde veröffentlichte. Dagegen sind Trumps Anhänger überzeugt, dass ihr Idol als Präsident erfolgreich sein wird, weil er eine Führungspersönlichkeit sei und sich dann mit den besten Beratern umgeben werde – so äußerte sich der Republikaner Steve House, der zu den ungebundenen Delegierten gehört, die laut AP für Trump stimmen werden.
Unter diesen Delegierten sind aber nicht nur Trump-Fans. Der Republikaner Cameron Linton aus Pittsburgh sagte, er werde im ersten Wahlgang für Trump stimmen, weil der in seinem Wahlbezirk gewonnen habe. "Wenn es einen zweiten Wahlgang gibt, werde ich Donald Trump nicht wählen", sagte Linton. "Er ist lächerlich. Man kann es nicht anders sagen."
Mit seinem nun mehr oder weniger offiziellen Sieg hat Trump einen klaren Vorteil vor Hillary Clinton. Er muss nicht mehr an zwei Fronten kämpfen und kann sich voll darauf konzentrieren, die Demokratin zu attackieren. Sie dagegen muss erst noch Bernie Sanders ausschalten – und hat zu allem Überfluss noch die E-Mail-Affäre im Nacken. Was vor einem Jahr noch undenkbar erschien, ist alles andere als ausgeschlossen: ein Wahlsieg von Donald Trump am 8. November.
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