Warum Deutschland Problembaustellen hat

  31 Mai 2016    Gelesen: 688
Warum Deutschland Problembaustellen hat
Die Skandale beim Hauptstadtflughafen BER und der Hamburger Elbphilharmonie sind keine Einzelfälle. Wissenschaftler haben untersucht, was Deutschland falsch macht. Und wie das Problem gelöst werden könnte.
Ein positives Beispiel für ein effizient geplantes Großbauprojekt müssen die Wissenschaftler der Berliner Hertie School of Governance in der Ferne suchen: Sie loben die "ausreichende Planung" und das "dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechende Risikomanagement", das dafür sorge, dass das Wasserkraftwerk La Yesca in Mexiko "im Zeitplan und Kostenrahmen" bleibe. Mexiko, in unseren Medien eher mit den Themen Korruption und Drogenkrieg präsent, zeigt, wie es geht. Negative Beispiele, wie "unzureichende Planung und unangemessene Vertragsverfahren" schließlich zu Zeitverzögerungen und explodierenden Kosten führen, finden sich viel näher - man ahnt es - beim Berliner Großflughafen BER und der Hamburger Elbphilharmonie.

Der Hauptstadtflughafen und das Hamburger Konzerthaus mit ihren jahrelangen Verzögerungen und Kostensteigerungen um Milliarden von Euro sind laut dem neuen "Governance Report" der Hertie School zwar besonders eklatante Beispiele, aber keine Sonderfälle der deutschen Infrastrukturpolitik.

Im Index für "Infrastructure Governance", den die Berliner Privathochschule erstellte, landet Deutschland immerhin auf Platz 11 von 36 untersuchten Industrie- und Schwellenländern, die Infrastruktur wird als vergleichsweise gut in puncto Qualität und Zugänglichkeit bewertet. Doch beim Unterpunkt "Infrastructure Management" - die Durchführung von Bauprojekten - landet Deutschland viel weiter hinten.

Deutschland habe bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten "große Schwächen", sagt Jobst Fiedler, Professor für "Public und Financial Management", der das öffentliche Infrastrukturmanagement seit Jahren an der Hertie School untersucht. Die folgenschwersten Fehler entstünden meist am Anfang, sagt Fiedler n-tv.de. Sowohl beim BER als auch bei der Elbphilharmonie sei vor dem Abschluss der Verträge mit den privaten Baufirmen nicht detailliert genug geplant und keine ausreichenden Risikoanalysen gemacht worden. Zudem seien derartige Großprojekte für die Bauträger, trotz großer Erfahrung mit anderen Projekten, fast immer Neuland. "Einen Großflughafen hatte die Berliner Verwaltung eben noch nie gebaut", sagt Fiedler. Daher fehle bei den Verantwortlichen häufig das Fachwissen über mögliche Stolpersteine und Probleme ihres jeweiligen Projekts. Gleichzeitig werde Bauen "in Deutschland immer komplizierter" mit immer mehr Vorschriften und Regeln von Brandschutz über Umwelt- und Vergaberecht bis zur Bürgerbeteiligung.

Das Problem verlagert sich auf Instandhaltung

Vor denselben Herausforderungen stehen andere Länder allerdings auch. Und dort läuft es, wie der "Governance Report" zeigt, zumindest teilweise besser. Als ein Beispiel führt Fiedler den neuen Schweizer Gotthard-Basistunnel an, der trotz der Größe und Einmaligkeit des Projekts in diesem Jahr wohl ohne Kostenexplosion und massive Verzögerungen in Betrieb gehen wird. Der entscheidende Unterschied zu Deutschlands aus dem Ruder gelaufenen Mega-Projekten besteht laut Fiedler darin, dass der Tunnelbau in der Schweiz von Beginn an von unabhängigen Fachleuten begleitet, beraten und überwacht wurde.

Eine solche Institution schlagen die Hertie-Experten auch für Deutschland vor. Sie könnte die verantwortlichen Politiker schon in der Planungsphase beraten, damit sie nicht später von Brandschutz- und anderen Bestimmungen überrascht werden. Außerdem könnte sie beim Bau eine Kontrollfunktion der privaten Firmen übernehmen. Politische Entscheidungen für oder gegen Projekte jedoch sollten weiter allein bei den gewählten Politikern liegen, erklärt Fiedler.

Die Idee liegt zwar durchaus auf einer Linie der Empfehlungen einer Expertenkommission, die das Bundesbauministerium schon von Jahren eingesetzt hatte. Schnell umgesetzt werden dürfte sie dennoch kaum. Denn sie müsste Bund und Länder an einen Tisch bringen.

Dass Experte Fiedler mit weniger Schlagzeilen über gescheiterte Großprojekte in Zukunft rechnet, hat einen anderen Grund: "Die Bedeutung von Neubauten im Infrastrukturbereich nimmt ab", sagt Fiedler. Besonders im Verkehrsbereich sei in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland mehr gebaut worden als in anderen Ländern. Jetzt gehe es vor allem um die Instandhaltung. Auch da liege zwar einiges im Argen und der Beratungsbedarf der Bauträger sei genauso groß wie bei Großprojekten. Doch die einzelnen Summen, um die es geht, seien viel kleiner - und das Medienecho daher wohl auch.

Quelle: n-tv.de

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