Selbst ernannte Bürgerwehr greift Asylbewerber an

  02 Juni 2016    Gelesen: 1002
Selbst ernannte Bürgerwehr greift Asylbewerber an
In Sachsen hat eine Bürgerwehr einen psychisch kranken Iraker aus einem Supermarkt gezerrt und an einen Baum gefesselt. Mit dabei: ein CDU-Gemeinderat.
Im sächsischen Arnsdorf haben mehrere Männer einen Asylbewerber aus einem Supermarkt gezerrt, ihn geschlagen und später an einen Baum gefesselt. Der Angriff auf den 21-jährigen Iraker ereignete sich bereits am 21. Mai, wie die Polizei mitteilte. Durch ein Video, das besonders in rechtsextremen Kreisen über soziale Netzwerke verbreitet und menschenverachtend kommentiert wird, wurde der Vorfall aber erst jetzt einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Darin spricht eine unbekannte Frau von einer "Bürgerwehr", nachdem vier Männer den Iraker aus dem Supermarkt gebracht hatten.
In dem Video ist zu sehen, wie der irakische Asylsuchende an der Kasse des Supermarktes steht und eine Flasche in der Hand hinter seinem Rücken hält. Die Kassiererin fordert ihn mehrmals auf, die Flasche hinzustellen und den Laden zu verlassen. Daraufhin betreten mindestens drei Männer den Laden. Sie ergreifen den 21-jährigen und tragen ihn gewaltsam aus dem Geschäft.

Der Iraker ist laut Polizeiangaben nicht nur Asylsuchender, sondern auch Patient des Sächsischen Krankenhauses Arnsdorf, das ein psychiatrisches Fachkrankenhaus ist. Anlass des Streits zwischen dem 21-Jährigen und der Kassiererin sei die Telefonkarte des Mannes gewesen: Er habe sie einen Tag zuvor gekauft und offenbar Probleme damit gehabt. Zweimal war der Mann deshalb bereits am 21. Mai in der Supermarktfiliale gewesen. "Aufgrund sprachlicher Defizite konnten sich die Mitarbeiter und der Betroffene jedoch nicht miteinander verständigen", heißt es bei der Polizei, die in beiden Fällen gerufen wurde und den Mann zurück zum Fachkrankenhaus brachte. Bei der dritten Beschwerde des Irakers am frühen Abend gegen 18 Uhr eskalierte die Situation dann, nachdem eine Verkäuferin festgestellt hatte, dass das Guthaben der Telefonkarte bereits verbraucht war. "Der Mann soll in Rage geraten sein, eine Flasche Wein aus einem Regal genommen und damit die Filialleiterin sowie eine Mitarbeiterin bedroht haben", heißt es im Polizeibericht. Verletzt wurde niemand, in dem Video hält der Iraker die Flasche nur noch hinter seinem Rücken, ohne erkennbare Drohgeste.

Der 21-Jährige diskutiert mit einer Verkäuferin, Wortfetzen sind zu hören. Dann stürmen plötzlich vier Männer in den Supermarkt, gehen auf den 21-jährigen Iraker los, schlagen ihn und führen ihn hinaus. Die Polizei wurde nach eigenen Angaben um 18.52 Uhr per Notruf alarmiert. "Bei Eintreffen einer Streife fanden die Beamten den 21-Jährigen mit Kabelbindern gefesselt an einem Baum auf dem Parkplatz des Supermarktes vor", heißt es im Bericht. Die verantwortlichen Männer hätten gesagt, dass sie den Mann zur Abwehr einer angeblichen Gefährdungssituation festgehalten und an einer Flucht gehindert hätten. Die Polizei verwies die vier Männer des Platzes, Sanitäter versorgten den 21-Jährigen und brachten ihn zum Krankenhaus zurück. Nun ermittelt die Polizei gegen den Asylbewerber wegen des Verdachts der Bedrohung und gegen die Männer wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung. Auch der Staatsschutz wurde eingeschaltet.

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Ob es sich bei den vier Männern um eine Bürgerwehr handelt, wie im Video angedeutet wird, ist unklar. Sicher dagegen ist, dass einer der vier ein CDU-Politiker ist, der im Gemeinderat sitzt und im vergangenen Jahr laut Sächsischer Zeitung für das Amt des Bürgermeisters kandidiert hat. Detlef Oelsner sei bereits in der vergangenen Gemeinderatssitzung auf den Vorfall angesprochen worden. "Wir haben Zivilcourage gezeigt und hätten das bei jedem anderen ebenfalls getan", sagte der CDU-Politiker der Zeitung. "Auch wenn es ein Deutscher gewesen wäre." Die Polizei sei am Mittwoch bereits bei ihm gewesen.

Der Supermarktbetreiber Netto äußerte sich auf Facebook auf die Anfrage eines Nutzers hin zu dem Vorfall. Die Mitarbeiter hätten die Männer mit den schwarzen T-Shirts und dem Aufdruck "Bürgerwehr" nicht gerufen. Es sei eine "Selbstverständlichkeit, dass Kunden unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht oder Alter gleich behandelt würden".

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