Bürgerwehr fesselt Flüchtling mit Kabelbindern

  02 Juni 2016    Gelesen: 609
Bürgerwehr fesselt Flüchtling mit Kabelbindern
Fall von Selbstjustiz in Sachsen: In einem Supermarkt ist eine Bürgerwehr auf einen psychisch kranken Flüchtling losgegangen, weil er angeblich etwas gestohlen hat. Nun ermittelt der Staatsschutz.
In einem Supermarkt im sächsischen Arnsdorf sind mehrere Männer auf einen 21-jährigen Flüchtling losgegangen. Sie gehören offenbar einer Bürgerwehr an und wollen den Iraker bei einem vermeintlichen Diebstahl überführt haben. Die Polizei Sachsen ermittelt nun in enger Abstimmung mit dem Staatsschutz.

Ein Video von dem Vorfall, der sich bereits am 21. März ereignete, wurde in den sozialen Netzwerken verbreitet. In einer Mitteilung der Polizei heißt es: "Das Video ist insbesondere in asylkritischen Foren zu finden und wurde von einer unbekannten Sprecherin mit dem Begriff `Bürgerwehr` in Verbindung gebracht."

In dem Video ist zu sehen, wie der Iraker im Kassenbereich eines Netto-Marktes mit mehreren Mitarbeitern diskutiert. In der Hand hält er eine Flasche. Die Angestellten fordern ihn mehrmals auf, diese herauszugeben. Doch der Mann reagiert nicht.

Dann erscheinen mehrere, schwarz gekleidete Männer, nehmen ihm die Flasche ab und zerren ihn gewaltsam nach draußen. Als sich der Mann wehrt, schlagen sie ihn und beschimpfen ihn. Am Ende des Videos sagt eine Frauenstimme: "Ist schon schlimm, dass man eine Bürgerwehr braucht."

Flüchtling ist Patient einer psychiatrischen Klinik

Wie die Polizei Sachsen mitteilte, fanden die Beamten den Flüchtling mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt. Die Männer gaben demnach an, sie wollten ihn an einer Flucht hindern.

Laut Polizei ist der Flüchtling Patient einer nahe gelegenen psychiatrischen Fachklinik. Er sei an dem Tag bereits zum dritten Mal in dem Supermarkt erschienen. Am Tag zuvor hatte er eine Telefonkarte gekauft, die er aber offenbar nicht aktivieren konnte. Wegen Verständigungsschwierigkeiten riefen die Netto-Mitarbeiter zwei Mal die Polizei hinzu, die den Mann zurück ins Krankenhaus brachte.

Beim dritten Mal dann eskalierte die Situation laut Polizeiangaben. Demnach stellte die Filialleiterin fest, dass das Handyguthaben bereits aufgebraucht war. Der 21-Jährige habe die Mitarbeiter laut deren Aussagen daraufhin mit einer Flasche bedroht. Verletzt wurde jedoch niemand, heißt es in der Mitteilung der Polizei. Auch habe er nichts gestohlen.

Netto nimmt Vorfall "sehr ernst"

Die Polizei Sachsen sucht nun nach Zeugen. "Es war den Streifenpolizisten vor Ort nicht möglich, die Personalien in der heiklen Situation aufzunehmen", sagte ein Polizeisprecher der "Bild"-Zeitung. Gegen den Flüchtling wird nach Polizeiangaben wegen Bedrohung ermittelt. Gegen die mindestens drei noch unbekannten Männer ermittelt die Polizei wegen Freiheitsberaubung.

Der "Sächsischen Zeitung" zufolge ist eine Personalie bekannt. Es soll sich demnach um ein CDU-Gemeinderatsmitglied handeln. Die Zeitung zitiert den Politiker mit den Worten: "Wir haben Zivilcourage gezeigt und hätten das bei jedem anderen ebenfalls getan. Auch wenn es ein Deutscher gewesen wäre."

Netto teilte auf Facebook mit, man nehme den Vorfall sehr ernst. "Nach erster Rücksprache mit unseren Filialmitarbeitern wurden die Personen mit den schwarzen T-Shirts und dem Aufdruck `Bürgerwehr` von keinem Netto-Mitarbeiter gerufen." Das gezeigte Vorgehen im Video widerspreche den Unternehmensvorgaben und werde von Netto Marken-Discount in keiner Weise gebilligt.

Quelle : welt.de

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