Also sprach Joachim Löws Assistent Thomas Schneider: "Ich habe ein sehr, sehr gutes Gefühl. Wir werden alles tun, um das Finale zu erreichen - und es dann auch zu gewinnen." Am Samstag (ab 18 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) testen Deutschlands beste Fußballer in Gelsenkirchen gegen Ungarn zum allerletzten Mal ihre Form, bevor es am 12. Juni ernst wird. Im 50.000 Zuschauer fassenden Stade Pierre-Mauroy zu Lille steht ab 21 Uhr ihr Auftaktspiel bei der Europameisterschaft gegen die Ukraine an. Und Ungarn? "Das Spiel ist schon wichtig, definitiv. Ein positives Ergebnis würde uns natürlich Selbstbewusstsein geben", sagte Mesut Özil vor der Generalprobe in seiner Heimatstadt gegen den EM-Teilnehmer, der in der Gruppe F auf Portugal, Island und Österreich trifft. "Ich freue mich natürlich, dass ich wieder in diesem Stadion spielen darf. Unser Ziel ist es, das Spiel zu gewinnen."
Das sieht auch Schneider so: "Ich glaube schon, dass die Testphase jetzt vorbei ist. Morgen wollen wir zeigen, dass wir bereit sind. Ich bin gespannt, was die Mannschaft abliefern wird." Die Weltmeister Manuel Neuer, Thomas Müller, Toni Kroos und Mesut Özil, die vor einer Woche beim 1:3 gegen die Slowakei noch gefehlt hatten, werden dann in der Startelf stehen. Erst einmal aber verabschiedet sich die DFB-Elf aus dem Trainingslager in Ascona am Lago Maggiore nach einem letzten Training im Stadio Comunale und fliegt heute Abend von Lugano nach Dortmund. Von dort geht`s mit dem Bus ins elf Kilometer entferne Sporthotel Kaiserau in Kamen. Nach der Partie gegen Ungarn in Gelsenkirchen am Samstagabend schickt der Bundestrainer seine 23 EM-Akteure für zwei Tage nach Hause. Am Dienstag, 7. Juni, trifft sich das Team am Flughafen in Frankfurt am Main wieder. Von dort geht es am Nachmittag mit einer Chartermaschine nach Frankreich. Nach der Ankunft im EM-Quartier in Évian-les-Bains am Genfer See findet abends ein öffentliches Training statt.
Wie ist der Krankenstand?
Alle fit außer Mats Hummels. Der trainiert nach seinem Muskelfaserriss noch alleine und sagt: "Für das Ukraine-Spiel wird es auf keinen Fall klappen, für Polen wird es eng. Aber ich bin absolut entspannt und zuversichtlich, dass ich bei dem langen Turnier mit maximal sieben Spielen noch zum Einsatz komme." Schneider wollte sich da nicht festlegen: "Es wäre zu verfrüht, da eine Prognose abzugeben." Kapitän Bastian Schweinsteiger hingegen spekuliert nach seinen beiden Knieverletzungen auf ein, wenn auch kurzes, Comeback im Test gegen Ungarn. "Mein Ziel ist es, am Samstag zu spielen." Er rechne mit "20 bis 30 Minuten". Das entscheide selbstverständlich der Bundestrainer, sagte Schneider. Aber: Basti strahlt die pure Spielfreude auf dem Platz aus. Man merkt, dass er Spaß hat." Wie für Lukas Podolski, der morgen Geburtstag hat, würde sich für Schweinsteiger ein Kreis schließen: Gemeinsam gaben sie fast auf den Tag genau vor zwölf Jahren, am 6. Juni 2004, beim blamablen 0:2 im Freundschaftsspiel gegen die Ungarn in Kaiserlautern ihr Debüt. Teamchef Rudi Völler nahm die beiden 19-Jährigen dann auch mit zur EM. "Sie hatten nichts zu verlieren und konnten mal reinschnuppern. Beide haben ihre Sache ordentlich gemacht. Ich hätte Lukas und Bastian ein Tor gegönnt. Nun sehen wir mal in Portugal, wie es weitergeht." Nicht so gut. Nach einem 1:1 gegen die Niederland, einem 0:0 gegen Lettland und einem 1:2 gegen Tschechien kam nach der Vorrunde das Aus.
Absolut nicht verletzt ist Antonio Rüdiger. Aber: Er ist heute tatsächlich schon zum zweiten Mal zu spät zum Training erschienen. Während die Kollegen feixten und zum Eingang des Sportplatzes blickten, rief Podolski: "Noch 20 Sekunden." Doch bis um halb zehn schaffte es der Wahl-Römer nicht auf den Rasen des Stadio Comunale di Ascona. Der Bundestrainer fand das weniger lustig und machte Rüdiger auf der Tribüne eine kurze, für Außenstehende nicht hörbare Ansage. Einer erfolgreichen sportlichen Zukunft in der DFB-Elf wird seine Unpünktlichkeit mutmaßlich nicht im Weg stehen. Weil Hummels ja verletzt ist, gilt er als Kandidat für den zweiten Innenverteidigerposten an der Seite Jérôme Boatengs im Spiel gegen die Ukraine – auch wenn Assistenztrainer Schneider auf Nachfrage betonte, dass auch der Schalker Benedikt Höwedes und Shkodran Mustafi vom FC Valencia durchaus in der Lage seien, diesen Job zu übernehmen.
Wer ist der Mitarbeiter des Tages?
Wenn einer der 23 Spieler im Kader des Bundestrainers kaum bis gar nicht zu beeindrucken ist, dann Toni Kroos mit seinem vorpommerschen Stoizismus. Dabei könnte es für den 26 Jahre alten Kurzpassfanatiker ein sehr schöner Sommer werden. Mit Real Madrid hat er just die Champions League gewonnen. Seine Frau Jessica und er erwarten das zweite gemeinsame Kind nach dem inzwischen zweijährigen Leon. "Wenn alles normal läuft, wird es nach der EM sein." Und: "Es wird ein Junge oder ein Mädchen." Und obwohl er erst seit Mittwochabend mit seinen Kollegen im Trainingslager weilt, ist er schon wieder mittendrin. "Man muss sportlich und privat unterscheiden. Fußball ist wichtig, privat ist immer wichtiger. Wichtiger als die Familie geht nicht." Er weiß, dass der Bundestrainer auf ihn baut. Vielleicht wird er bei diesem Turnier seine Schlüsselrolle einnehmen, das ist eher sogar wahrscheinlich. Der 64-malige Nationalspieler ist als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive mit seinen Fähigkeiten als Passmaschine zum Lenker im deutschen Spiel aufgestiegen. "Man hat immer schon viel von mir erwartet, das wird jetzt nicht anders sein. Dem stelle ich mich wie immer." Das bringt ihn also auch nicht aus der Ruhe. "Natürlich wollen wir Europameister werden. Aber wenn wir es nicht werden, ist es nicht automatisch eine Enttäuschung, das wäre Quatsch. Es gibt Szenarien in einem Turnier, bei denen man nicht enttäuscht sein darf."
War sonst noch was?
Auch Nationalspieler werden älter. Mario Götze feiert heute seinen 24. Geburtstag, Lukas Podolski wird am Samstag, am Tag des Testspiels gegen Ungarn, 31 Jahre alt. Beim FC Bayern sind sie zwar ein wenig verstimmt, dass Götze, seines Zeichens immer noch WM-Finaltorschütze, sich partout keinen neuen Verein suchen will. Aber gratuliert haben sie ihm natürlich trotzdem, via Twitter: "Alles Gute zum 24. Geburtstag, @MarioGoetze!" Hashtag: MiaSanMia. Dazu ein wunderschönes Foto, auf dem der Spieler im Janker und mit der Meisterschale zu sehen ist. Ist das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Götze selbst sagte der "Bild"-Zeitung zum Thema FC Bayern: "Ich bin da wirklich eigentlich komplett raus. Ich bin bei der Vorbereitung auf die EM und freue mich auf das Turnier. Wir haben ein großes Ziel und auch aus Respekt gegenüber dem DFB und dem Team mache ich mir keine Gedanken über die andere Thematik."
Auch darüber, dass Klubchef Karl-Heinz Rummenigge eher mehr als weniger deutlich gesagt hatte, dass Götze auch unter dem neuen Trainer Carlo Ancelotti keine große Rolle spielen werde, wollte der gestern noch 23-Jährige nicht sprechen. "Ach, es wird so viel geschrieben. Ich müsste mir die Sätze nochmal anschauen und das dann mit Karl-Heinz Rummenigge besprechen. Aber ich glaube, jeder hat Verständnis, dass wir jetzt beim DFB sind und das Turnier spielen wollen." Für den Kollegen Podolski hingegen scheint immer die Sonne. Es sei denn, irgendjemand behauptet, er fahre nur als Maskottchen mit der DFB-Elf zur EM. Das, so hatte er in dieser Woche betont, findet er schlichtweg unverschämt und respektlos. Ansonsten aber gelte: "Ich genieße jeden Moment und werde immer alles geben: ob auf dem Platz, neben dem Platz oder auf der Pressekonferenz." Und: "Die Liebe zum Fußball ist so wie mit der Familie und der Frau - die ist immer da."
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