IS rekrutiert Hungernde mit Essen

  08 Juni 2016    Gelesen: 521
IS rekrutiert Hungernde mit Essen
In der belagerten irakischen Stadt Falludscha ist ein Menschenleben nach mehr als zwei Jahren Krieg gerade noch so viel wert wie ein Sack Mehl: Weil den Zivilisten in der Stadt das Geld ausgeht, wirbt der Islamische Staat mit Lebensmitteln um neue Kämpfer.
Rund 50.000 Zivilisten leben noch immer in der umkämpften IS-Hochburg Falludscha. Viele haben nach UN-Angaben kaum Zugang zu Trinkwasser, Nahrung und medizinischer Versorgung - und genau dies macht sich nun offenbar der Islamische Staat (IS) zunutze. Wie irakische Zivilisten aus Falludscha berichteten, die in ein Flüchtlingslager in der Stadt Karmah geflohen sind, bietet die IS-Führung den Einwohnern der Stadt Nahrungsmittel im Tausch gegen freiwillige Kämpfer an.

Der IS kontrolliert demnach ein stark bewachtes Lebensmittellager in der Stadt und nutzt die eigenen Nahrungsvorräte als Druckmittel gegen die Bevölkerung. Eine 23-jährige Frau aus dem Vorort Sijir berichtete der Nachrichtenagentur Reuters, dass IS-Kämpfer jedes Mal, wenn das Essen knapp werde, in die Häuser der Familien kämen, um neue Kämpfer anzuwerben. "Meinem Nachbarn haben sie gesagt, dass sie ihm einen Sack Mehl geben würden, wenn sich sein Sohn der Truppe anschließt", sagte sie. "Er hat das abgelehnt. Nachdem die Männer gegangen waren, ist er mit seiner Familie geflohen."

Vielen Familien geht das Geld aus

Auch die junge Frau und ihre Familie hätten die Stadt verlassen, weil Nahrung und Brennholz kaum mehr zu bekommen gewesen seien. "Außerdem kamen die Bomben unserem Haus immer näher", erzählte sie. Kaum jemand habe zudem noch Geld, um der Terrormiliz Lebensmittel abzukaufen. Ein Grund dafür ist, dass die irakischen Behörden vor einem Jahr die Gehaltszahlungen für Angestellte in der belagerten Stadt eingestellt haben. So soll verhindert werden, dass das Geld vom IS in Form von Steuern eingetrieben werden kann.

Weil die Lage für die Menschen in der Stadt immer dramatischer wird, entscheiden sich viele für die Flucht - doch auch das ist lebensgefährlich. Mindestens vier Bewohner, die Falludscha über den Fluss Euphrat zu verlassen versuchten, sind nach offiziellen Angaben dabei ertrunken, neun werden noch vermisst. Die Leichen zweier Kinder, einer Frau und eines alten Mannes seien flussabwärts gefunden worden, teilten die Behörden mit.

IS-Scharfschützen töten Flüchtlinge

Der Euphrat ist in Falludscha etwa 250 bis 300 Meter breit. Die Menschen "nutzen leere Kühlschränke, Holzschränke und leere Benzinfässer, um daraus Flöße zu bauen und den Fluss zu überqueren", erklärte der Chef des Provinzrates, Schakir al-Essawi. Viele kämen in den Fluten ums Leben. Andere würden durch Scharfschützen des IS getötet, wenn sie ans Ufer kämen. Außerdem seien Sprengsätze an den Straßen installiert worden.

Falludscha war im Januar 2014 von IS-Kämpfern erobert worden. Die irakischen Streitkräfte begannen am 23. Mai eine Offensive zur Befreiung der Stadt. Unterstützt werden sie von US-Kampfflugzeugen und schiitischen Milizen. Mittlerweile sei die Stadt fast vollständig eingekesselt, sagte ein Milizkommandeur.

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