Europäer lehnen die Flüchtlingspolitik entschieden ab

  08 Juni 2016    Gelesen: 479
Europäer lehnen die Flüchtlingspolitik entschieden ab
Laut einer Umfrage wird die Flüchtlingspolitik in ganz Europa negativ beurteilt – und trübt so das Bild der Staatengemeinschaft. Überraschend klar ist die Antwort auf die Frage nach dem Brexit.
Die Europäer sind in ihrer großen Mehrheit unzufrieden mit der Flüchtlingspolitik der EU. Das färbt negativ auf das Image der Europäischen Union in nahezu allen Mitgliedsländern ab. Gewünscht wird eine Rückübertragung von Brüsseler Kompetenzen auf die nationale Ebene.

Gleichwohl ist die Zahl der EU-Befürworter immer noch etwas größer als die der EU-Skeptiker. Das sind die grundsätzliche Ergebnisse einer großangelegten Meinungsumfrage des in Washington ansässigen Pew Research Center in zehn EU-Staaten.

Geringe Zahl der Befürworter

Der Grad der Unzufriedenheit mit der EU-Flüchtlingspolitik differiert in den einzelnen Ländern, aber die Zahl der Befürworter ist überall geringer als ein Drittel der Bevölkerung und in Griechenland mit fünf Prozent kaum noch messbar.

Auf die Frage, "Begrüßen Sie" oder "Lehnen Sie ab" die "Form, in der die Europäische Union mit der Flüchtlingskrise umgeht", entschieden sich in Griechenland 94 Prozent für die negative Antwort. In der Reihenfolge der Ablehner und Befürworter folgen Schweden (88 Prozent Ablehnung vs. 10 Prozent Befürwortung), Italien (77 Prozent vs. 17 Prozent) und Spanien (75 Prozent vs. 21 Prozent).

Im Mittelfeld der Staatenfolge liegen bei dieser Fragestellung die beiden ostmitteleuropäischen Länder Ungarn und Polen, deren Regierungen zu den frühesten Kritikern der zunächst vor allem in Berlin propagierten "Politik der offenen Grenzen" gehören. In Ungarn sind 72 Prozent unzufrieden und 24 Prozent zufrieden mit dem Management des Zustroms. In Polen sind es 71 gegenüber 19 Prozent. Bei identischen 70 Prozent Ablehnung liegt die Quote in Großbritannien (Befürworter: 22 Prozent) und Frankreich (Befürworter: 26 Prozent).

Deutschland, das in absoluten Zahlen die umfangreichste Zuwanderung verkraften muss, liegt nahezu am Ende dieses Rankings. Aber mit etwa zwei Dritteln Ablehnung der Flüchtlingspolitik (67 Prozent) und ihrer Befürwortung durch nur etwa jeden vierten Einwohner (26 Prozent) haben sich auch die Deutschen inzwischen erkennbar von der "Refugee Welcome"-Euphorie verabschiedet. Dahinter folgen nur noch die Niederlande mit 63 Prozent Ablehnung und 31 Prozent Befürwortern.

Große EU-Skepsis

Die Europäer sind auch unzufrieden mit der Wirtschaftspolitik der EU. In Griechenland liegt die Ablehnung bei 92 Prozent. In Italien (68 Prozent), Frankreich (66 Prozent) und Spanien (65 Prozent) kritisieren jeweils rund rund zwei Drittel diesen Aspekt der europäischen Politik, in den nach dem Verständnis der Befragten offenkundig sehr zentral die Themen Finanz- und Sparpolitik eingeschlossen sind.

In immerhin vier Staaten beträgt die Unzufriedenheit weniger als 50 Prozent, darunter die Niederlande (49 Prozent gegenüber 42 Prozent Befürwortern) und Ungarn (48 Prozent gegenüber 38 Prozent Befürwortern). Deutschland (38 Prozent Ablehnung, 47 Prozent Befürwortung) und Polen (33 Prozent Ablehnung, 47 Prozent Befürwortung) sind die einzigen Länder, in denen es mehr Positivstimmen als Negativstimmen zur EU-Wirtschaftspolitik gibt.

Im Durchschnitt aller zehn Befragungsländer haben 51 Prozent der Europäer eine gute Meinung von der EU und 47 Prozent eine negative. Das Ausmaß dieser EU-Skepsis zeigt sich, wenn man einen Zeitvergleich zugrunde legt und spezifiziert in den einzelnen Ländern misst. Dabei wird deutlich, dass in sämtlichen Staaten die Sicht auf die EU seit dem Beginn entsprechender Befragungen in den Jahren 2004 beziehungsweise 2007 eingebrochen ist, und zwar in einigen Fällen massiv. Selbst auf dem Höhepunkt der Währungskrise um 2013 herum war die Zustimmung zur EU größer als heute.

Hoffnung auf die Jugend

Beispiele: In Deutschland hatten 2004 rund 58 Prozent ein positives Bild von der Staatengemeinschaft. Diese Zahl stieg auf 69 und 70 Prozent in den Jahren 2007 und 2012. Selbst 2013 ging sie nur auf etwa 65 Prozent zurück und wuchs, trotz Berlins Milliardenbürgschaften für die Griechenland-Rettungspakete, bis 2014 wieder auf 68 Prozent. Aktuell aber ist die Zustimmung auf 50 Prozent gesunken. Die Ablehnungsquote ist mit 48 Prozent nahezu gleichauf.

In Frankreich fiel die Positivquote von 69 Prozent im Jahr 2004 auf aktuell 38 Prozent. Interessant: Beim Brexit-Kandidaten Großbritannien ging diese Quote im gleichen Zeitraum von 54 auf 44 Prozent und damit vergleichsweise moderat zurück. Mit 72 Prozent gibt es in Polen den größten Anteil an EU-Befürwortern; allerdings lag ihr Zahl im Jahr 2007 noch bei 83 Prozent. Griechenland ist hingegen das Land mit den meisten EU-Kritikern (71 Prozent) und den wenigsten Befürwortern (27 Prozent).

Wer will, mag auf die Jugend hoffen. Denn die Jüngeren haben weiterhin einen recht hoffnungsfrohen Blick auf Europa. Nur in Griechenland (37 Prozent) liegt die Zustimmung zur EU selbst bei den 18- bis 34-Jährigen deutlich unter der 50-Prozent-Marke.

In Polen sehen gar 79 Prozent und in Ungarn 63 Prozent in dieser Alterskohorte die EU als positiv an. In den Niederlanden liegt die Zahl der jungen EU-Befürworter bei 62 Prozent, in Deutschland bei 63 Prozent, in Großbritannien bei 57 Prozent und in Frankreich bei 56 Prozent.

Kompetenzen zurück in die Länder

In allen Befragungsländer gibt es (zumeist relative) Mehrheiten für die Forderung, die EU solle einige Kompetenzen wieder an die nationalen Regierungen übertragen. Im Durchschnitt fordern dies 42 Prozent der Europäer. Nur 19 Prozent wünschen sich mehr Kompetenzen für die EU-Ebene. Gut jeder vierte Europäer (27 Prozent) möchte die derzeitige Machtverteilung beibehalten.

In Griechenland (68 Prozent) und in Großbritannien (65 Prozent) wird eine Rückübertragung Brüsseler Rechte nach Athen beziehungsweise London gar von Zweidrittelmehrheiten vertreten. In Deutschland optieren 43 Prozent für eine Verschiebung von Kompetenzen nach Berlin ein, während 29 Prozent beim derzeitigen System bleiben und 26 Prozent eine Ausweitung der EU-Zuständigkeiten befürworten. In Polen betragen die Vergleichszahlen 38, 39 und 9 Prozent, in Frankreich 39, 21 und 34 Prozent und in Spanien 35, 27 und 30 Prozent.

Zum Schluss der Brexit: Mehr als zwei von drei Europäern (70 Prozent) halten ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU für eine "schlechte Sache", nur 16 Prozent sehen darin etwas Positives. Allerdings: Diese Frage wurde von den Demoskopen im Vereinigten Königreich selbst nicht gestellt. Dort gibt es bekanntlich genügend Erhebungen dieser Art.

Quelle : welt.de

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