Wenn Trump geglaubt hatte, das Thema mit der detailreichen Schilderung seiner Morgenroutine ein für alle mal zu beenden, dann hat er sich getäuscht. Haarteil? Perücke? Extensions? Die Theorien über die Ursachen der trumpschen Haar-Anomalie schießen in den USA wild ins Kraut. Seit klar ist, dass dieser Mann das nächste Staatsoberhaupt der USA werden könnte, durchkämmen Journalisten jeden Winkel seines Lebens nach dunklen Flecken, verdächtigen Dingen, die darauf hindeuten könnten, dass der 69-Jährige möglicherweise etwas zu verbergen hat. Da findet sich bei Donald Trump einiges. Doch die Diskussion um seine Person dreht sich immer wieder nicht nur um das, was der Immobilien-Mogul möglicherweise im Kopf hat, sondern um das darauf: sein Haar. Wenn es denn seines ist.
Trumps Frisur wirft ein schräges Licht auf eine Branche, die sonst eher im Verborgenen wirkt. Weltweit knapp 1,1 Millionen Menschen unterziehen sich pro Jahr nach einer Berechnung der International Society of Hair Restoration Surgery (ISHRS) einer medizinischen Behandlung, um ihr Haar wieder voller wirken zu lassen. Obwohl Betroffene nicht unbedingt damit prahlen, scheint die Schönheits-OP am Haar im Trend zu liegen. Binnen acht Jahren sei die Patientenzahl um 64 Prozent gestiegen, berichtet die ISHRS.
In den USA und mehr noch in Asien lassen Hunderttausende von Männern oben herum etwas machen. Sogar in Deutschland, wo Haarteile und Eigenhaarverpflanzungen bislang wenig verbreitet waren, füllen sich neuerdings die Wartezimmer der Schönheitschirurgen mit Männern, die ihr lichtes Haar tunen lassen wollen. Ermutigt durch das Vorbild prominenter Haarersatzträger, bei denen die Resultate besser sind als bei "The Donald".
80 Prozent der Haar-Patienten sind Männer
"Erst Wayne Rooney, dann Klopp und Höwedes. Das hat uns schon geholfen", sagt Frank Neidel, der in Düsseldorf eine Spezialpraxis für Eigenhaartransplantation betreibt und dem Vorstand des Verbands Deutscher Haarchirurgen angehört. Nachdem sich Promis zu ihren operierten Haaren bekennen, stellten er und seine Kollegen steigenden Zulauf fest, so Neidel. 80 Prozent der Haar-Patienten sind Männer. Eine belastbare Statistik gibt es nicht, zumal die Behandlungen nicht von den Kassen gezahlt werden und auch von Heilpraktikern durchgeführt werden können. Doch nach Neidels Schätzung stieg die Zahl der Haarverpflanzungen in den letzten beiden Jahren von 4000 auf 6000 Eingriffe pro Jahr.
Das ist immer noch wenig, zumal im Vergleich zum Ausland. "Der deutsche Mann hat Angst vor der OP. Und er fürchtet sich noch mehr davor, ausgelacht zu werden, wenn etwas dabei schiefläuft", lautet Neidels Befund. Als Laie erkenne man nur die schlecht operierten Menschen, weshalb viele fürchteten, selbst ein solches Schicksal zu erleiden. Dabei seien die Behandlungsmethoden viel feiner geworden, es gebe sogar OP-Roboter, die Haar für Haar einzeln verpflanzten. "Nach einer guten Behandlung sind Männer optisch fast vollständig rehabilitiert", beteuert der Mediziner.
Aber was ist dann bei Donald Trump so schrecklich schiefgelaufen? Der Promi-Blog "Gawker" präsentierte jetzt einen Kronzeugen, der wissen will, dass der Politiker sein Haar mit einer 60.000 Dollar teuren Spezialbehandlung künstlich verlängern lassen haben soll.
Öffentliche Beteuerungen, an ihm sei alles echt, heizen die Diskussion nur an. Denn nun hängt Trumps Glaubwürdigkeit an seinem Haar. Experten analysieren historische Aufnahmen und Fotovergrößerungen des gelbblonden Haaransatzes, diskutieren die dubiose Konsistenz der Betontolle, ziehen Videos in Superzeitlupe zurate, auf denen Trumps Haar von Windböen erfasst wird. Kann das echtes menschliches Haar sein? Erste Medien spekulieren sogar darüber, dass die Haar-Geschichte Donald Trump den Kopf kosten könnte, wenn sich herausstellen sollte, dass er gelogen hat, was seinen Schopf betrifft. Der Kandidat der Republikaner, er könnte über eine Haaranalyse stolpern.
Hat die Behandlung Donald Trump in finanzielle Not gebracht?
Nach "Gawker"-Recherchen spricht viel dafür, dass sich der Milliardär in die Hände eines leicht dubiosen Mediziners begeben hat, dessen Spezialität eine unbekannte Behandlungsmethode namens "microcylinder intervention" sei. Bei der nicht operativen Methode werden offenbar in einem äußerst aufwendigen Prozess kleine Strähnchen aus natürlichem Spenderhaar dicht über der Kopfhaut mit den bestehenden Fusseln verbunden und dann wie ein Spinnennetz kreuz und quer über dem Kopf des Patenten verwoben.
Mit dieser Prozedur, so warb der Anbieter in einer früheren Version auf seiner Webseite, werde dünnes Haar wieder dick, kurzes lang und kahle Stellen würden wieder bedeckt. Eine Art Highend-Extension also, bei der allein die Grundbehandlung einen anderen Patienten 60.000 Dollar gekostet haben soll. Hinzu kommen mehrere Tausend Euro an Folgekosten im Jahr, weil die Mikrozylinder regelmäßig angepasst werde müssen, wenn die echten Haare ein Stück nachgewachsen sind.
Hatten Trumps zwischenzeitliche Finanzprobleme etwa ihre Ursache in exorbitanten Behandlungskosten? Noch ist vollkommen unklar, ob er den fraglichen Haarspezialisten überhaupt aufgesucht hat. Eine offizielle Bestätigung gibt es von keinem Beteiligten. Stattdessen beruft sich "Gawker" auf einen anonymen Tippgeber, der sich vor Jahren selbst für die Behandlungsmethode interessiert hatte. Der einzige Anbieter – eine Firma namens Ivari International – residierte damals im Trump Tower in New York. Und zwar just auf der Etage, die sonst für Trumps eigene Büroräume reserviert ist.
Der vermeintliche Wunder-Doc, dem Trump seine gelbe Matte zu verdanken haben soll, ist offenbar selbst kein unbeschriebenes Blatt. Es finden sich keine Nachweise dafür, dass der Mann, der unter verschiedenen Vornamen auftrat, überhaupt eine medizinische Ausbildung vorzuweisen hat. Vor 15 Jahren klagte eine mit der Mikrozylinder-Methode behandelte Patientin auf Schadenersatz. Der Richter erklärte, dass die Enttäuschung der Frau kein Grund für Schadenersatz sei, ließ aber auch den Haar-Guru nicht ungeschoren: "Das Geschäft von Ivari Inc. ist die Anfertigung exorbitant gepreister Haarteile für die Köpfe von Menschen mit dünnem Haar. Sie sind das funktionelle Äquivalent zu einer Perücke, und man muss damit rechnen, dass sie auch so aussehen wie eine Perücke."
"Nicht mehr viel Substanz auf dem Oberkopf"
Eine Formulierung, bei der man gleich an Donald Trumps Kopfbedeckung denken muss, die sich in einigen Situationen so verhält, als sei sie ein eigenständiges Objekt und kaum oder gar nicht mit der Kopfhaut verbunden. "Es spricht schon einiges dafür, dass an seinen Haaren etwas gemacht wurde", sagt Andreas M. Finner, Haarchirurg an der Berliner Klinik am Wittenbergplatz, nach sorgfältiger Betrachtung verschiedener Bilder von Trumps Haar. "Es sieht so aus, als ob auf dem Oberkopf nicht mehr viel Substanz ist und Haar darübergelegt wurde."
Um, wie bei Trump offensichtlich der Fall, Haare über den ganzen Kopf bis in die Stirn und über die Seiten zu legen, brauche es Haarlängen von 30 bis 40 Zentimetern. "Trumps Haar wirkt eher fein und nicht sehr dicht. Das passt nicht zu der Haarlänge", analysiert der Mediziner. Er hält es für plausibel, dass hier mit Einzel-Echthaar-Extensions gearbeitet wurde. Dazu passe auch die strohige Haarstruktur, die durch Verwitterung entstehen könne, wenn nicht nachwachsendes Fremdhaar über längere Zeit verwendet wird.
"Ich hätte Herrn Trump zumindest am Vorderkopf zu einer Haartransplantation geraten. Das sieht viel natürlicher aus", sagt Finner. Bei dieser Standardmethode werden Tausende eigene Haarwurzeln am Hinterkopf entnommen und einzeln vorn eingesetzt. So entsteht ein neuer Haaransatz, der nach einigen Wochen wächst und gedeiht wie ganz normales Haar. Das Verfahren dauert etwa einen Tag und kostet zwischen 5000 und 10.000 Euro.
Für Promis gilt: Urlaub nehmen oder Mütze aufsetzen wie Jürgen Klopp
Aber warum macht das dann der Trump nicht? "Es ist schwierig, von einer einmal gewählten Lösung auf eine andere zu wechseln", erklärt der Haarmediziner. Wenn sich das Äußere ändere, falle das bei Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, sofort auf. Nach einer Transplantation seien zwei Wochen lang Krusten zu sehen, weshalb viele Patienten den Eingriff zu Beginn eines Urlaubs vornehmen ließen oder, wie seinerzeit Jürgen Klopp, zeitweilig nur noch mit Mütze an die Öffentlichkeit gehen.
Für Menschen von Finners Profession sind groteske Haarkreationen von trumpschen Ausmaßen kein allzu ungewohnter Anblick. Obwohl viele Männer eigentlich von einer Schwäche ablenken wollen, machen sie damit erst auf ihr Haarproblem aufmerksam. Allerdings, ohne es zu ahnen. "Das Selbstbild meiner Patienten ist oft ein ganz anderes als die Wahrnehmung anderer. Im Positiven wie im Negativen." Mit anderen Worten: Donald Trump findet seine Haare wahrscheinlich gut so.
Quelle : welt.de
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