Aber es ist anders als früher. Das Vorgeplänkel und immer brutalere Aufblasen der nur noch im Kern sportlichen Veranstaltung törnt mich ab, jeder will ein Stückchen vom Eventkuchen, das Ergebnis ist fast durchweg gruselig.
Was in EM-Meetings selbst großer Agenturen so ausgeschieden wird, ist größtenteils grotesker Müll. "Die Welt" hatte den Marketingmurks zuletzt ja schon umrissen, von Gewinner-Gulasch bis Fan-Shampoo, "Hauptsache was zur EM". Bitter.
Glücklicherweise nähern wir uns endlich dem erwähnten sportlichen Kern. Aufstellungen, Tore und Ergebnisse ersetzen das fürchterliche Blabla. Wirklich Gehaltvolles rund um so ein Turnier ist rar geworden, beim DFB freuen sie sich darüber, dass zu den angesetzten und live im TV gesendeten Pressekonferenzen, auf denen immer wieder auch Sponsoren ihre Fenster bekommen, nach wie vor viele Reporter anreisen, die viele Wischiwaschi-Inhalte oft ungefiltert in ihre Kanäle spielen. Schnellschnell hat das Spiel gegen Anspruch und eigenen Ansatz vielerorts gewonnen.
Kein Fortschritt seit zwei Jahren
Leider sind auch gute Interviews mit interessanten Protagonisten selten geworden, die Spieler haben so viele Verpflichtungen, dass für ausführliche Gespräche in der Regel meist nur eine Viertelstunde bleibt, in der es dann nur für die Oberfläche reicht. Die Ausnahmen werden immer wertvoller. Einer, der mehrere Frankreichfahrer berät, beschreibt die Lage so: "Immerhin stehen die Jungs noch Rede und Antwort, sie könnten ja auch nur Facebook und Instagram machen, da haben sie riesige Reichweiten, Millionen potenzieller Kunden."
Wie gut, dass es jetzt losgeht. Dass der Fußball, zumindest zwischen An- und Abpfiff, die Hauptrolle besetzt. So genial DFB-Manager Oliver Bierhoff das Großprojekt Euro 2016 wieder vorbereitet hat, von A wie Anreise bis Z wie Zigmillionen verdienen, so sicher bin ich, dass wir nicht Europameister werden.
Mein Eindruck: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren keinen Fortschritt gemacht, unsere Nationalelf hat sich, zum ersten Mal unter Jogi Löw, nicht verbessert. Im Drumherum ja, in der Wahrnehmung auch, überall auf der Welt beneiden sie uns um "Die Mannschaft". Aber nur dort lag meiner Ansicht nach auch das Augenmerk, zu wenig auf dem Platz, wo die nächste Entwicklungsstufe, das nächste System, die neue Spielidee, elementar gewesen wäre.
Diesen Schritt haben andere Nationen gemacht. England, Frankreich, auch die Spanier. Dazu kommen Belgien, Österreich und Polen, die an guten Tagen auf Augenhöhe mit uns sind. Die Leistungsdichte ist extrem, die Motivation, es dem Weltmeister zu zeigen, ebenfalls. Die Mittel dafür haben die anderen.
Ich bin mir sicher, so sicher wie lange nicht vor einem großen Turnier, dass wir im Viertel-, spätestens im Halbfinale ausscheiden. Als Enttäuschung sähe ich das nicht, wir waren in Brasilien nicht überragend, wir sind es auch jetzt nicht. Aber wir gehören wieder zu den Guten – und nun Schluss mit Vorgeplänkel.
Quelle : welt.de
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