Die Sonne strahlte, der Zoodirektor lachte, die kleinen Löwen spielten miteinander, die Fotografen waren eingetroffen und die Spieler ebenfalls. Beziehungsweise: Blaszczykowski und Piszczek. Lewandowski noch nicht.
Also wurde um Geduld gebeten. Doch Blaszczykowski war nicht bereit, die aufzubringen. Er grummelte etwas von "unprofessionellem Verhalten" und drängte darauf, die Fotos ohne Lewandowski zu schießen. Auf den Hinweis, dass der Kollege doch jeden Augenblick erwartet werde, entgegnete er, dass der sich dann ja allein fotografieren lassen könne.
Blaszczykowski und Lewandowski mögen sich nicht. Das war schon damals so, im Mai 2012. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Auch der Meistertitel konnte sie nicht einen
"Es ist kein Geheimnis, dass wir nicht auf einer Wellenlänge liegen. Wir haben keinen Kontakt, jeder geht seinen eigenen Weg", schrieb Blaszczykowski in seiner Biografie "Kuba". Die Charaktere der beiden besten Fußballspieler Polens in diesem Jahrzehnt sind zu unterschiedlich: Da ist Blaszczykowski (30), der Kämpfer, der stets den Teamgedanken betont.
Und da ist Lewandowski (27), der spielintelligente Ausnahmestürmer, in dessen Karriereplan Vereine höchstens als temporäre Zwischenstationen gesehen werden. Die beiden Männer sind sich derart wesensfremd, dass sie sich zu einer professionellen Zusammenarbeit zwingen müssen. Nie wurde das deutlicher als in den vier Jahren, in denen sie gemeinsam für Borussia Dortmund spielten.
Egal wie erfolgreich sie auch waren - zueinander fanden sie nie. Selbst der Meistertitel 2011 und der Gewinn des Doubles 2012 änderte daran nichts. Während Blaszczykowski und seine Frau Agata mit Piszczek und dessen Frau Ewa eng befreundet sind und viel Zeit miteinander verbrachten, blieben Lewandowski und seine Frau Anna lieber für sich.
Doch das ist nicht der einzige Grund für ihr unterkühltes Verhältnis. Eine große Konkurrenz um den Führungsanspruch in der Nationalelf kommt hinzu. Jahrelang war Blaszczykowski Kopf und Gesicht der "Bialo-Czerwoni" (der Weiß-Roten), er führte sie bei der Europameisterschaft im eigenen Land vor vier Jahren an.
Für Lewandowski lief es sportlich viel besser
"Kuba" bezog daraus sein ganzes Selbstverständnis, er ging darin auf, und wenn es sein musste, legte er sich im Interesse der Kollegen auch schon mal mit dem Verband an. Er war Chef und Gesicht der Mannschaft - selbst wenn Lewandowski der talentierterte Spieler war.
Bedingt durch die Führungsrolle wurde Blaszczykowski zu einem Idol der Werbung. Während der vergangenen EM waren ganze Häuserwände in polnischen Großstädten mit einen cool dreinblickenden "Kuba" plakatiert, der für Herrendüfte (Hugo Boss) warb. Lewandowski wirbt dagegen für einen Automobilhersteller (Opel) und einen Mobilfunkanbieter (t-mobile). Beide teilen sich in Polen quasi den Markt.
Sportlich läuft es seit geraumer Zeit allerdings deutlich besser für Lewandowski. Vor zwei Jahren verließ er den BVB zu seinem Wunschverein Bayern München. Blaszczykowski ging ein Jahr später, jedoch alles andere als freiwillig. Der Flügelspieler sah in Dortmund nach dem Trainerwechsel von Jürgen Klopp zu Thomas Tuchel keine Perspektive mehr.
Nach acht Jahren im Verein ließ er sich an den AC Florenz ausleihen, wurde dort aber nicht glücklich. Derzeit wird spekuliert, ob er nach Dortmund zurückkehren könnte - besonders wahrscheinlich ist dies jedoch nicht. Eine Entscheidung über Blaszczykowskis Zukunft dürfte erst nach der EM fallen.
Mit zwei Kapitänen in Frankreich
Er verletzte sich zudem, verlor seinen Stammplatz in der Nationalelf. Junge Talente wie Piotr Zielinski, Karol Linetty und Bartosz Kapustka drängten in den Kader. Was "Kuba" aber abesonders geschmerzt haben dürfte: Im Dezember wurde Lewandowski von Nationaltrainer Adam Nawalka offiziell zum neuen Kapitän ernannt.
Doch eines war Blaszczykowski noch nie abzusprechen: ein unbändiger Kampfgeist. "Kuba", der eine besonders schwere Jugend mit herben Schicksalschlägen überstehen musste, gab nicht auf.
Bei einem Testspiel im März gegen Serbien (1:0) gab er ein bemerkenswertes Comeback und hämmerte den Ball volley aus 16 Metern zum Siegtor ins Netz. Anschließend feierte er seinen Treffer frenetisch, rutschte auf den Knien über den Rasen. Wenig später stellte Nawalka dann klar, dass er Blaszczykowski mit zur EM nehmen werde.
"Er hat seine Chance wirklich genutzt. Wir rechnen fest mit seiner Erfahrung und seiner Klasse", sagte der Nationaltrainer.
Von diesem Augenblick an war klar, dass Polen mit zwei Kapitänen nach Frankreich reisen wird - ob sie sich nun mögen oder nicht. Und es sieht so aus, als ob die Zweckgemeinschaft Blaszczykowski/Lewandowski erneut funktionieren wird.
Vor dem Auftaktspiel gegen Nordirland setzte Nawalka - ein wenig überraschend - auf die Erfahrung von Blaszczykowski und wurde belohnt: In seinem 80. Länderspiel war "Kuba" stärkster Pole. Mit seinem Pass auf Arakadiusz Milik leitete er das entscheidende Tor ein. Lewandowski, sein ewiger Rivale, blieb dagegen wirkungslos.
Quelle : welt.de
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