Ärzte zeigten der CIA, wie es “richtig“ geht

  17 Juni 2016    Gelesen: 727
Ärzte zeigten der CIA, wie es “richtig“ geht
Wie weit kann man gehen? Diese Frage haben Mediziner den Folterknechten des US-Geheimdienstes CIA in einer Richtlinie beantwortet. Das Dokument ist nun frei zugänglich.
Man müsse den Beinumfang regelmäßig messen und den Sitz der Fesseln überprüfen. Dann könnten Gefangene "über längere Zeiträume (bis zu 48 Stunden)" in eine stehende Haltung gezwungen werden. So beschreiben es Richtlinien für Amerikas "Black Sites", die berüchtigten Geheimgefängnisse der USA für Terrorverdächtige. Es handelt sich um Richtlinien, die Ärzte geschrieben haben.

Einst klassifizierte Dokumente, die in dieser Woche freigegeben wurden und über die unter anderem der britische "Guardian" berichtet, zeigen, wie Mediziner des CIA im Detail Anweisungen für Foltermethoden geben. Die "Richtlinien für medizinische und psychologische Unterstützung" umfassen Hinweise zur Methode, Häftlinge in unbequeme Haltungen zu zwingen, zum Beispiel, indem sie in sogenannte Confinement Boxes gesperrt werden - vier- oder rechteckige Kisten, die kaum der Körpergröße der Inhaftierten entsprechen. Sie umfassen Hinweise zur berüchtigten Methode des Waterboardings, bei dem Häftlinge das Gefühl haben zu ertrinken. Und sie liefern Informationen zum Einsatz von Nahrungsentzug oder künstlicher Ernährung als Foltermethode.

Ein Affront für verantwortungsbewusste Ärzte

Mit den freigegebenen Dokumenten verdichten sich Vorwürfe, die eine Gruppe von Wissenschaftlern erstmals 2013 erhob: Dass Ärzte den Folterknechten die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit zeigten und ihnen so beim Quälen halfen. Damals warfen Sprecher von Pentagon und CIA den Wissenschaftlern noch vor, "falsche Schlussfolgerungen" gezogen zu haben. Den Autoren der Studie seien "schwere Ungenauigkeiten" unterlaufen, hieß es.

Insbesondere nach einem Bericht des US-Senats aus dem Jahr 2014, der die Methoden des CIA im Umgang mit Terrorverdächtigen als ineffektives und brutales Haftregime einstufte, zog sich die Behörde darauf zurück, die Beteiligung von Medizinern quasi als Gütesiegel für ihre Foltertechniken darzustellen. In dieser Lesart haben die Ärzte den Folterknechten nicht erklärt, was alles möglich ist, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen, sondern sie haben die Opfer vor Schlimmeren bewahrt.

Vincent Iacopino von der Menschenrechtsorganisation Physicians for Human Rights hält diese Wort- und Deutungsspiele im Lichte der freigegebenen Dokumente aber für vollends grotesk. Dem "Guardian" sagte er: "Die Richtlinien sind ein Affront an meinem Beruf. Menschen aus dem Gesundheitssektor wissen es besser und sollten sich schämen, dieses Dokument zu verteidigen." Es geht um ein Grundprinzip des ärztlichen Selbstverständnisses: keinen Schaden anzurichten, sondern Menschen zu helfen.

Dienst nach Vorschrift

Ärzte, die dem sogenannten Office of Medical Staff (OMS) des CIA zugeordnet waren, empfahlen in den Richtlinien unter anderem, Häftlinge auf Hungerstreik rektal statt intravenös zwangszuernähren. Sie legten dar, dass zwar 1500 Kalorien am Tag für einen erwachsenen Mann die empfohlene Menge darstellten, dass aber auch 1000 Kalorien am Tag über Wochen hinaus ausreichen würden.

Die Ärzte des OMS gaben an, dass Waterboarding an den Tagen drei bei fünf eines "aggressiven Programms" als "potenziell beunruhigend" einzustufen seien und, dass weiteres Foltern mit dieser Methode danach "medizinisch womöglich nicht mehr angemessen" sei.

Mit juristischen Folgen müssen die Menschen, die sich an den Folterprogrammen des CIA im "Kampf gegen den Terror" beteiligt haben, kaum rechnen. Der frühere US-Präsident George W. Bush ließ die sogenannten "erweiterten Verhörmethoden" ausführlich juristisch prüfen und stufte Terrorverdächtige überdies als sogenannte "ungesetztlicher Kombatanten" ein, um nicht an die Genfer Kriegsgefangenen-Konvention gebunden zu sein. Staatsbedienstete machten so gesehen "Dienst nach Vorschrift", wenn sie systematisch die Menschenwürde missachteten. Der amtierende Präsident, Barack Obama, lehnt Folter zwar ab, bemühte sich bisher aber nicht, die "erweiterten Verhörmethoden" juristisch neu bewerten zu lassen.

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