Europas Rechtspopulisten warten auf den Brexit

  17 Juni 2016    Gelesen: 869
Europas Rechtspopulisten warten auf den Brexit
Polen fürchtet den Ausstieg seines wichtigen Partners, in Paris wiegelt man ab und stellt sich schon auf eine EU ohne Briten ein. Wie man im Ausland auf die Insel schaut.
Dieser Tage schaut ganz Europa nach Großbritannien – doch die niederländische Perspektive ist eine spezielle. Geografisch verbinden mehrere Fähren die einstigen maritimen Mächte über den Kanal. Auch sprach man hier schon flächendeckend Englisch, als Deutschland linguistisch noch selbstgenügsam war. Und dann ist da die wirtschaftsliberale Tradition, welche die Niederlande und das Vereinigte Königreich verbindet. "Wenn es um Handelsverträge, den internen Markt und weniger Regeln geht, ist Großbritannien ein Bundesgenosse, den wir sehr vermissen würden", sagt Winand Quadvlieg, Vertreter des niederländischen Arbeitgeberverbands VNO-NCW in Brüssel.

Ausgerechnet die Niederlande stehen aber auch am Beginn einer Entwicklung, die mit dem britischen Referendum nun ihren vorläufigen Höhepunkt erlebt: der nationalstaatlichen Gegenbewegung zum Expansionsdrang der EU, getragen durch Entfremdung und Demokratiedefizit. An jenem 1. Juni 2005, als die Niederländer den europäischen Grundvertrag ablehnten, ahnte freilich niemand den Umfang der Krise.

In den vergangenen Jahren machte vor allem die Partij voor de Vrijheid (PVV) einen EU-Austritt auch im ehemaligen Musterland zumindest zu einer diskursiven Option. PVV-Chef Geert Wilders gab dieser schon 2004 die Bezeichnung "Nexit" und schraubte parallel an einer europhoben Fraktion im EU-Parlament, deren vornehmstes Amalgam die Fundamentalopposition zum "Brüsseler Superstaat" war und ist.

Der wichtigste Baustein für das britische Referendum jedoch war die Volksabstimmung in den Niederlanden zum EU-Assoziationsvertrag mit der Ukraine im April. Im Gegensatz zur Darstellung in manch internationalen Medien spielte der xenophobe Bildungsbürgerschreck Wilders darin freilich nur eine kleine Nebenrolle. Vielmehr waren es zivilgesellschaftliche Akteure und konservative Thinktanks, die das Referendum initiiert hatten. Der EU-kritische Nigel Farage, Chef der Ukip, machte wiederum keinen Hehl daraus, dass ein erneutes niederländisches Nee den Brexit-Befürwortern Auftrieb geben könnte.

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Im eurokritischen Lager wartet man nun auf den Doppelpass von der anderen Kanalseite. Geert Wilders hat bereits angekündigt, sich im Fall eines britischen Austritts auch für ein niederländisches Referendum einzusetzen. Die Initiatoren des April-Referendums warten unterdessen ungeduldig darauf, dass die Regierung in Den Haag aus dem Ukraine-Abkommen aussteigt.

Premier Mark Rutte erbat sich damals Verhandlungszeit bis zum Juni – in der offensichtlichen Erwartung, dass im Vergleich zum großen britischen Knall die niederländische Dissidenz ein kleiner Misston würde. Womit man sich zumindest im Juli unauffällig von der Bühne des turnusmäßigen EU-Vorsitzes verabschieden könnte, der unter keinem guten Stern stand.


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