Frankreich: Aufrechte Kochtöpfe

  18 Juni 2016    Gelesen: 596
Frankreich: Aufrechte Kochtöpfe
Sie wollen es nicht hinnehmen: Am Abend gingen in 500 Orten in Frankreich Menschen auf die Straße, um gegen die geplante Arbeitsmarktreform zu protestieren. Und sie machten Krach.
Töpfe, Pfannen, Kuchenformen und Salatschüsseln: Am Freitagabend stehen etwa 100 Menschen vor dem Rathaus des 20. Arrondissements in Paris und schlagen auf alles ein, was sie in ihrer Küche gefunden und mitgebracht haben - Hauptsache, es macht Lärm. Denn das ist das Ziel der Aktion "Casseroles Debout".

Der Titel ist eine Anlehnung an die Protestbewegung "Nuit Debout" und bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie "aufrechte Kochtöpfe". Wie "Nuit Debout" wendet sich auch "Casseroles Debout" gegen die geplante Arbeitsmarktreform, in der viele Arbeitnehmer eine Aushöhlung ihrer Rechte sehen.

Gestartet hat die Aktion Caroline De Haas; sie hat bereits eine Petition gegen die Arbeitsmarktreform initiiert, die inzwischen mehr als eine Million Unterschriften gesammelt hat. "Wir suchten nach einem Mittel, um uns Gehör zu verschaffen", sagt De Haas. "Wir wollen der Regierung zu verstehen geben, dass sie so nicht weitermachen kann. Sie kann kein Gesetz machen, das keiner will."

Die Aktion fand am Freitag zum ersten Mal statt. Vor mehr als 500 Rathäusern in ganz Frankreich versammelten sich Menschen zu einem Trommelkonzert. In Paris gab es in fast jedem Arrondissement eine eigene Versammlung. Nach dem nationalen Protesttag am Dienstag war es in dieser Woche bereits die zweite Aktion gegen das sogenannte Loi Travail.

Protest schnell und einfach

Die Kochtöpfe seien symbolisch gemeint, sagt De Haas: Lärm machen, damit die Regierung den Menschen zuhört - das ist das Ziel von "Casseroles Debout".

De Haas wollte einen Weg finden, der allen Franzosen erlaubt, an den Protesten teilzunehmen. "Manche haben Kinder oder dürfen nicht streiken", sagt sie. "Aber alle können am Freitagabend um 19.30 Uhr zum Rathaus ihrer Stadt oder ihres Viertels kommen." Schnell und einfach protestieren - das war ihr Ziel.

Eigentlich sollten die Proteste nur eine gute halbe Stunde dauern: Treffpunkt um 19.30 Uhr, um 20 Uhr ein dreiminütiges Trommelkonzert. Die Teilnehmer im 20. Pariser Arrondissement halten sich nicht an die Vorgabe. Um halb acht bläst eine Frau in eine Trillerpfeife und ruft: "Ich mache jetzt schon mal Lärm!" Eine zweite beginnt, auf einen Kochtopf zu trommeln. Nach und nach stimmen weitere ein.

"Ich habe heute Morgen im Internet gelesen, dass diese Aktion stattfindet, also habe ich beschlossen, zu kommen", sagt eine Teilnehmerin. "Das mit den Töpfen ist eine tolle Idee, die machen schön viel Lärm", sagt eine andere.

Um 20 Uhr ist der Platz vor dem Rathaus voll. "Contre la Loi Travail", skandiert die Menge - gegen das Arbeitsgesetz. Eine Frau schlägt zwei Topfdeckel wie Becken aneinander. Eine andere prügelt so sehr auf eine Bierdose ein, dass sie sich in der Mitte durchbiegt. Ein älterer Mann hält sich die Ohren zu, andere haben sogar Ohrstöpsel mitgebracht. Irgendwer kommt auf die Idee, einen Protestzug durch das Viertel zu starten, die anderen laufen hinterher. Um halb neun wird im 20. Arrondissement immer noch getrommelt.

Auch auf politischer Ebene geht die Debatte um das Loi Travail weiter: Am Freitagvormittag diskutierten Philippe Martinez, Generalsekretär der Gewerkschaft CGT, und die französische Arbeitsministerin Myriam El Khomri über das Gesetz - ohne nennenswertes Ergebnis. Seit Montag berät der Senat, eine der beiden Kammern des französischen Parlaments. Ende kommender Woche soll die finale Abstimmung stattfinden; für kommenden Donnerstag sind weitere Proteste angekündigt.


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