Randalierende Kroatien-Fans: Saboteure im eigenen Block

  18 Juni 2016    Gelesen: 591
Randalierende Kroatien-Fans: Saboteure im eigenen Block

Ein Abend zum Vergessen: Kroatien verspielte gegen Tschechien eine 2:0-Führung. Schlimmer ist die Randale einiger Fans. Doch es ging nicht um stumpfe Gewalt. Es ging um Politik - und gegen den eigenen Verband.

Die Fans der kroatischen Nationalmannschaft waren bester Laune. Zu Tausenden zogen sie durch die Innenstadt von Saint-Étienne auf dem Weg zum Stade Geoffroy Guichard, tranken Bier, sangen, scherzten mit Einheimischen und mit gegnerischen Fans. Vor einer Kneipe spielte eine Sambagruppe. Kroatische Fans tanzten dazu. Es deutete wenig darauf hin, dass der Abend mit hässlichen Bildern zu Ende gehen würde.

Doch in der 86. Minute der Partie gegen Tschechien war es vorbei mit dem Frieden. Aus dem kroatischen Block flogen mehr als ein Dutzend Bengalische Feuer auf den Rasen. Ein Böller explodierte direkt neben einem Ordner. Schiedsrichter Mark Clattenburg unterbrach die Partie. Im kroatischen Block kam es zu Schlägereien. Anders als bei den bisherigen Ausschreitungen bei dieser EM gingen nicht Fans rivalisierender Mannschaft aufeinander los, sondern Anhänger aus demselben Lager.

Das Sportliche passte zu den Ereignissen auf den Rängen. Die Kroaten machten lange ein starkes Spiel, führten verdient 2:0 durch die Tore der ehemaligen Bundesliga-Profis Ivan Perisic und Ivan Rakitic und waren auf dem Weg zum zweiten Sieg beim zweiten Aufritt bei dieser EM.

Doch in der Schlussphase entglitt ihnen die Partie. Milan Skoda vor der Störung aus dem kroatischen Block und Tomas Necid per Elfmeter danach stellten den 2:2-Endstand her und vollendeten damit einen Abend zum Vergessen aus kroatischer Sicht.

"Die Hooligans ruinieren alles"

Trainer Ante Cacic sah schwer getroffen aus, als er hinterher im Pressezelt Auskunft gab. Er sprach ein bisschen über das Spiel, doch dem größeren Thema konnte er sich nicht entziehen - und er wollte es auch nicht. Stattdessen schickte er klare Worte in Richtung der Störer. "Das sind keine Fans. Das sind Hooligans. Sie ruinieren alles", sagte er.

Cacic sprach davon, dass es sich bei den Unruhestiftern um eine kleine Gruppe von höchstens zehn Leuten handeln würde. Nach seinen Worten gab es sogar vor dem Spiel Hinweise, dass es zu Störungen kommen könnte. Denn der kroatische Verband weiß sehr gut, mit wem er es zu tun hat. Bei den Vorfällen in Saint-Étienne ging es nicht um stumpfe Gewalt wie bei den anderen Ausschreitungen bei dieser EM. Es ging um Politik.

Offensichtlich handelt es sich um eine gezielte Sabotage-Aktion der Bad Blue Boys, einer Ultra-Gruppe von Dinamo Zagreb. Die Gruppe liegt im Clinch mit Dinamos windigem Präsidenten Zdravko Mamic, der auch im Verband ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat, und mit Verbandspräsident Davor Suker. Auf ihrer Facebook-Seite bekannten sich die Bad Blue Boys zur Aktion in Saint-Étienne.

Unter einem aus dem Fanblock aufgenommenen Foto schrieben sie: "Niemand wird uns stoppen!" In einer weiteren Nachricht auf Facebook stellten sich die Randalierer in drastischen Worten als Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit dar, während andere nur auf der Couch säßen. Auch Ultra-Gruppen aus Split und Rijeka waren offenbar an den Ausschreitungen beteiligt.

Mamic und Suker im Visier der Ultras

Während es Fans um den Erfolg ihre Mannschaft geht, haben die Störer aus dem kroatischen Block das Gegenteil im Sinn. Sie wollen dem Verband schaden und damit Mamic und Suker. Immer wieder haben die Kroaten Ärger mit einem Teil ihres Anhangs. Im November 2014 gab es beim EM-Qualifikationsspiel gegen Italien in Mailand eine ähnliche Aktion wie jetzt in Saint-Étienne.

Im vergangenen März gab es rassistische Gesänge bei der Partie gegen Norwegen. Beim Rückspiel gegen die Italiener im vergangenen Juni in Split hatten kroatische Fans mit Chemikalien ein Hakenkreuz in den Rasen eingebrannt. Immer wieder muss der Verband Geldstrafen, Zuschauer-Ausschlüsse und Punktabzüge schlucken.

Auch die Vorfälle im Spiel gegen Tschechien werden ein Nachspiel haben, die Uefa kündigte ein Verfahren an. Möglicherweise wird sie den Kroaten wie vorher schon England und Russland mit einem Turnierausschluss bei weiteren Verfehlungen drohen. Neben der Pyrotechnik dürften sich die Ermittler auch für die rechtsextreme Symbolik im Block interessieren. Auf einem Plakat war ein so genanntes Keltenkreuz zu sehen.

Trainer Cacic klang verzweifelt, als er nach dem Spiel um Hilfe rief im Kampf gegen die Saboteure im Block. "Es ist unmöglich, so etwas zu verhindern, das sind wirklich gefährliche Leute", sagte er. Seiner Meinung nach haben die Störer seiner Mannschaft auch sportlich unmittelbar geschadet. Er glaubt, dass der späte Ausgleich nur deshalb zu Stande gekommen sei, weil seiner Mannschaft in den Schlussminuten die Konzentration auf das Geschehen auf dem Rasen gefehlt habe.

Die Randalierer haben ihr Ziel erreicht.


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