Das Vertrauen ist leider verflogen

  18 Juni 2016    Gelesen: 780
Das Vertrauen ist leider verflogen
Bitte nur kurz die Erfolge der vergangenen 25 Jahre feiern. Die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Warschau werden alles andere als harmonisch verlaufen.
Nach langer deutsch-polnischer Konfliktgeschichte gab es vor 25 Jahren endlich eine neue Perspektive. Ein Nachbarschaftsvertrag wurde unterzeichnet, ein Meilenstein der Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen. Zu dem Zeitpunkt war die Lage in Mitteleuropa nicht stabil, sowjetische Truppen standen in Deutschland und Polen, das rote Imperium existierte noch, und einige Wochen später wurden wir Zeugen eines Putsches in Moskau. Der Vertrag stand damals für Stabilisierung, sollte als Werkzeug für den Aufbau von solideren Fundamenten dienen. In dem Dokument bezeichneten beide Staaten ihre Beziehungen als eine Werte- und Interessengemeinschaft.

Der Vertrag war ambitioniert: Das gerade vereinigte Deutschland verpflichtete sich in ihm, Polen auf dem Weg in die westliche Gemeinschaft zu unterstützen. Die im Abkommen skizzierten großen Visionen wurden von den politischen Eliten beider Länder nach 1991 konsequent verfolgt. Aus verfeindeten Nationen wurden innerhalb weniger Jahre militärische, politische und ökonomische Bündnispartner.

Ein Höhepunkt war der EU-Beitritt Polens im Jahr 2004. Man sollte sich dabei ins Gedächtnis rufen, dass in den Jahren vor Polens Beitritt ein großer Teil der deutschen Gesellschaft gegen die Mitgliedschaft Polens war. Meinungsumfragen aus dieser Periode gaben ein widersprüchliches Bild ab. Die Deutschen unterstützten zwar mehrheitlich die EU-Erweiterung, nahmen aber zu jedem Kandidaten eine andere Haltung ein. Sie befürworteten den Beitritt Ungarns und Tschechiens, jedoch nicht den Polens.

Die großen Parteien in Deutschland ignorierten allerdings damals die kritische Haltung der Bevölkerung zu Polen. Sie handelten gegen die öffentliche Meinung, weil sie wussten, dass die Aufnahme Polens in die EU Deutschlands Interessen dienen würde.

Die deutsche Politik hielt an der Osterweiterung fest, trotz einer ersten bilateralen Krise. Beide Länder trennten damals die Irakpolitik und die Europaverfassungsdebatte: 2003 unterstützte Polens sozialdemokratische Regierung im Gegensatz zu Berlin die von den USA initiierte militärische Intervention im Irak. Politiker der Bürgerplattform (PO) und der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kritisierten damals vehement die Pläne für eine Vertiefung der europäischen Integration durch Einführung einer europäischen Verfassung.

Die polnisch-deutschen Beziehungen wurden zusätzlich belastet durch die Freundschaft des Bundeskanzlers Gerhard Schröder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das nach 1989 neu gewonnene Vertrauen zwischen den Staaten begann zu schwinden.
Trotzdem agierte die deutsche politische Elite im Geist des Vertrages von 1991 und unterstützte Polens EU-Beitritt. Dank der Erweiterung konnte Deutschland seine geopolitische Position erheblich verbessern, aus der peripheren in eine zentrale Lage innerhalb der EU wechseln. Für Polen eröffnete die Mitgliedschaft die Chance zu einem politischen und ökonomischen Bedeutungswachstum, den es nach 2004 intelligent zu nutzen wusste.


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