Die Grünen sind die Guten. Entstanden als eine Sammlungsbewegung linker Splittergruppen und einer nationalidealistischen Öko-Romantik waren die Neulinge in den 70er-Jahren eine Alternative für Deutschland. Sie waren moralisch, gebildet und unangepasst. Auf dem Weg zur Macht häutete sich die Partei und verabschiedete sich von allzu schwärmerischen Positionen.
Mit ihrer ersten Regierungsbeteiligung unter dem Ultramachiavellisten Joschka Fischer kamen Steuersenkungen, Finanzmarktliberalisierungen und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Seitdem leiden die Grünen an sich selbst. In Baden-Württemberg regiert ein grüner Ministerpräsident, der schon mal Flüchtlinge abschieben muss.
Umso wichtiger ist es, die Seele der Partei zu streicheln – wie gerade mit einem Gerechtigkeitskongress der Parteilinken, der als reine Sozialshow wirklich einzigartig gelang. Der neue starke Mann der Partei, Cem Özdemir, hatte einen Rückfall in die Rotfärberei der Grünen unter Trittin ausgeschlossen: Jede Steuererhöhungsdebatte für 2017 wurde autoritär beerdigt.
Anton Hofreiter und Simone Peter hielten dagegen und räsonierten über auseinandergehende Scheren zwischen Arm und Reich, Chancengerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt.
Das Blinken nach links gefährdet eine Koalition mit der CDU
Das ökologische Harmonieprinzip soll in einer grünen Gesellschaft eben auch in sozialer Eintracht münden. Unterstützt wurden die Parteilinken von Sozialstaatslobbyisten wie Ulrich Schneider, Frank Bsirske und Erbenforscherinnen, deren Missmut über Wohlhabende berühmt ist.
Der Kongress war Folklore. Aber er konserviert jene Träume, die Grünen oft viel bedeuten – aber eben nicht so viel wie Regierungsbeteiligungen. Die Parteilinke will Rot-Rot-Grün und ein Deutschland, in dem es zugleich grüner und roter wird. Das Blinken nach links ist im Augenblick vor allem Befriedung von Stammwählern.
Aber es gefährdet die realistischste Regierungsoption im Augenblick: die Koalition mit der Union. Im politischen Berlin ist im Augenblick eben nicht genug für alle da. Deshalb werden die Rollen bei den Grünen verteilt: Die Linke ist für die Show zuständig, die Entscheidungen aber treffen die Realos. Auch eine Gewaltenteilung.
Quelle: welt.de
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