Kohl sprach sich in der "Bild"-Zeitung für eine "Atempause" Europas aus. Die EU müsse einen Schritt zurück- und dann langsam zwei Schritte vorangehen - in einem Tempo, das mit den Mitgliedstaaten machbar sei. Er plädierte erneut dafür, die nationalen und regionalen Eigenständigkeiten und Identitäten der einzelnen Mitgliedstaaten stärker zu achten und im Miteinander auch wieder mehr Respekt vor der Geschichte und den Befindlichkeit des anderen zu haben.
Das Brexit-Votum hat die EU in ihre bislang schwerste Krise gestürzt. Europas Staats- und Regierungschefs hatten am Mittwoch - ohne Großbritannien - über erste Weichenstellungen für die Zukunft der Union beraten. Sie sprachen sich für eine Reform der EU ohne komplizierte Vertragsänderungen aus. Belgiens Ministerpräsident Charles Michel forderte: "Eine Gruppe von Ländern, die schneller vorangehen will, muss die Möglichkeit haben, dies zu tun, ohne von anderen gehindert zu werden."
Maas: Das Königreich bröckelt
Am 16. September ist ein weiteres Gipfeltreffen der EU-Chefs geplant - wieder ohne Großbritannien. Laut Diplomaten wird vom britischen Premier David Cameron erwartet, spätestens bis dahin Klarheit über den Austrittskurs seines Landes zu schaffen. Mit Blick auf mögliche Dominoeffekte in anderen Mitgliedstaaten sagte Maas: "Der Brexit-Schock kann heilsame Wirkung haben - mit dem Ergebnis, dass man sich auf ein solches Wagnis eben nicht einlässt."
Viele, die sich ähnliche Gedanken gemacht hätten, würden aufgeschreckt sein. "Jetzt sieht jeder, was so etwas für ein Land wie Großbritannien bedeutet." Das Vereinigte Königreich bröckele. Und anscheinend gebe es nun keinen Plan für den Umgang mit dem Votum. In Großbritannien hatte es Zuspruch für einen EU-Austritt vor allem in England und Wales gegeben. In Nordirland und besonders in Schottland sprach sich die Mehrheit hingegen für einen Verbleib in dem Staatenbund aus. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon brachte daraufhin eine Trennung Schottlands von Großbritannien ins Gespräch.
Obama befürchtet Belastung
US-Präsident Barack Obama sieht im Votum der Briten für ein Ausscheiden aus der EU eine Belastung für die Weltwirtschaft. "In einer Zeit, in der die globalen Wachstumsraten ohnehin schwach sind, ist das nicht hilfreich", sagte Obama. Er sei aber zuversichtlich, dass die Europäer nach der Brexit-Entscheidung einen "reibungslosen Übergang" organisieren könnten.
Das Wirtschaftsteam seiner Regierung werde mit den Europäern zusammenarbeiten, "um das Wachstum unserer Volkswirtschaften zu sichern und die Stabilität des globalen Finanzsystems zu gewährleisten", kündigte Obama an. "Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen." Der US-Präsident räumte zugleich ein, dass es "berechtigte längerfristige Sorgen" in Folge des Brexit-Votums gebe. So könnte das Wachstum der Weltwirtschaft beeinträchtigt werden, wenn die Investitionen in Großbritannien oder im Rest Europas zum Stillstand kämen, warnte er.
Bayerns Finanzminister Markus Söder warnte davor, die durch einen Brexit entstehenden Kosten Deutschland aufzubürden. Die bisherigen britischen Beitragszahlungen dürften nicht einfach auf Deutschland und die übrigen Netto-Zahlerländer übertragen werden, sagte der CSU-Politiker der "Welt". Vielmehr müsse das fehlende britische Geld eingespart werden. Schließlich habe die EU in den vergangenen Jahren immer mehr ausgegeben. "Der Haushalt hat sich aufgebläht."
Söder machte die EU-Kommission für den Brexit mitverantwortlich. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker scheine sich mehr darum zu sorgen, wer den Platz des zurückgetretenen britischen EU-Kommissars einnehme. Genau jene bürokratische und technokratische EU habe viele Briten zum Austritt bewogen, sagte Söder.
Quelle: n-tv.de
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