Die, die nun antworten: „Ja, da steckt noch mehr dahinter,“ weisen darauf hin, dass die Koordination in Syrien, wo Israel und Russland manchmal widersprüchliche Interessen vertreten, ganz einfach auf einem viel niedrigeren Level hätte abgewickelt werden können. „Die persönliche Anwesenheit Bibis in Moskau ist dazu wirklich nicht nötig,“ meint eine hochrangige Quelle mit langjähriger Erfahrung in Sicherheitsfragen. „Ganz offensichtlich passiert da noch etwas Anderes.“
Auf dieses hintergründige „Andere“ gibt es mehrere Antworten, oder besser Spekulationen – oder sogar Verschwörungstheorien. Yaakov Kedmi, ehemaliger Leiter einer geheimen Organisation in der UdSSR, die dem Büro des Premiers zugehörig war, ist sich absolut sicher, die wahre Antwort zu kennen. „Netanyahu besucht Putin nur deshalb so regelmäßig, um die Amerikaner und Obama wütend zu machen,“ sagt er den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Und es funktioniert hervorragend: Das CIA, das Pentagon und das Weiße Haus sind rasend. Und wenn sie rasend sind, dann sind die Russen glücklich und somit willens, Netanyahu jederzeit zu begrüßen. Abgesehen davon sind die Besuche in Moskau zwecklos. Im Bezug auf den Israel-Palästina-Konflikt hat Russland Israel wenig zu bieten.“
Das Abschlussstatement des russischen Außenministers Sergei Lawrow bei einem der letzten Besuche Netanyahus in Moskau, dass „Israel bereit ist, die Arabische Friedensinitiative (welche ursprünglich von Saudi-Arabien vorgeschlagen wurde) zu akzeptieren,“ könnte zumindest belegen, dass die Israel-Palästina-Situation in Moskau auf der Agenda steht. Das rasche Bestreiten von Lawrows Erklärung durch das Büro des israelischen Premiers, trug nur zur Verwirrung bei.
Eine Sache ist aber sicher: Die Beziehungen mit Russland scheinen ein ganzes Spektrum an Interessen zur haben. Die israelische Politik – oder eher Netanyahu selbst – haben viele Brücken zum Weißen Haus abgerissen. Es ist ein Allzeittief, nicht nur zwischen den beiden Anführern. Eine wachsende Zahl der Israelis traut Obama und seinen Absichten gegenüber Israel nicht. Zur gleichen Zeit hat Europa – repräsentiert von der Europäischen Union – seine Glaubwürdigkeit in den Augen vieler Israelis in der politischen Mitte bis rechts verloren. Die Unterstützung von linksorientierten israelischen NGOs durch die EU, sowie die Sanktionen, die israelischen Produkten aus den besetzten Gebieten auferlegt wurden, machen die EU quasi zum Feind.
Die Faszination von Europa ist vorüber und Amerika hat aufgehört, ein Vorbild zu sein. Der Wechsel der Eliten in Israel – von Ashkenazi (überwiegend europäische, weltliche Juden) hin zu einer Mischung aus jungen Sephardi und religiösen Eliten – hat zu diesem Sinneswandel beigetragen. Eine neue Gruppierung junger Shepardi-Intellektueller verkündet auf ihrer Website den Slogan: „Hier ist nicht Europa.“
Israel, das sich auf der Suche nach einer neuen Identität befinden, könnte sich auch nach neuen Verbündeten umsehen. Russland sieht auf einmal nicht so schlecht aus. Vor einigen Jahren bemerkte der russische Botschafter in Israel Piotr Stegny scherzhaft: „Israel wird zu einer weiteren post-sowjetischen Republik.“ Heute hört sich das kaum noch nach einem Scherz an. Scherze werden nun durch Verschwörungstheorien ersetzt. Eine von ihnen befasst sich damit, dass Israel erst kürzlich Syrien im Interesse Russlands bombardierte. Verwirrt? Zu Recht.
Trotz dieser Entwicklung zweifeln die meisten Experten Russlands Fähigkeit oder Willen, den ehrlichen Vermittler im Israeli-Palästinenser-Konflikt zu spielen, an dieser Stelle an.
Parlamentsmitglied Dr. Ksenia Svetlova (Zionistische Union), Expertin im Bereich Nahost und Islam, glaubt, dass Russland den Plan, eine aktive Rolle zu spielen, vor einigen Jahren aufgeben hat. Svetlova, die als Jugendliche aus Russland nach Israel kam, hat sich aus ihrer Zeit als renommierte Journalistin ihre festen Kontakte in Russlands politischen Kreisen erhalten. „2005 schlug Russland vor, eine regionale Friedenskonferenz zu organisieren und hatte vor, sich in den Konflikt einzubringen. Zwei Jahre später, nachdem es immer noch keine klare Antwort dazu aus Israel gibt, sagen mir meine Freunde im russischen Außenministerium, dass man auch nicht mehr darauf besteht. Das war das letzte, was wir davon gehört haben.“
Svetlova denkt, dass das offizielle Israel im Moment verzweifelt genug sein könnte, an Russland heranzutreten, bezweifelt aber, dass es in Russlands bestem Interesse ist, sich im Israel-Palästina-Konflikt zu involvieren. „Die bilateralen Beziehungen sind sehr gut im Moment“, sagt sie, „doch es scheint eher taktisch, als strategisch.“ Um ihren Punkt zu unterstreichen, zitiert sie einige sehr Netanjahu-kritische Artikel aus der russischen Presse, die nach seinem letzten Besuch veröffentlicht wurden. Eine der Schlagzeilen lautet: „Zweifach-Ohrfeige für Netanjahu.“ „Solche Texte werden in Russland nicht unautorisiert veröffentlicht,“ fügt sie im Gespräch mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten hinzu. In Israel hingegen wurde der Besuch als großer diplomatischer Erfolg porträtiert.
Ist es echt? Ist es ein Vorwand? Bei einer gemeinsamen Ansicht bedarft es jedenfalls keiner Spekulation: Die Führungsspitzen beider Länder wollen Trump als Präsidenten.
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