“Unsere großzügige Hilfe wurde missbraucht“

  12 Juli 2016    Gelesen: 588
“Unsere großzügige Hilfe wurde missbraucht“
Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer ist überzeugt, dass die Silvester-Übergriffe von Köln auch Folge unkontrollierter Zuwanderung waren. Niemand dürfe mehr unregistriert ins Land kommen.
Die Welt: Herr Palmer, Sie sprechen in einem Beitrag auf Facebook die Gewalttätigkeit junger Asylsuchender in Deutschland an. Was ist der Anlass?

Boris Palmer: Ich beziehe mich auf den jetzt bekannt gewordenen Bericht des Bundeskriminalamts, wonach etwa die Hälfte der Übergriffe an Silvester quer durch Deutschland von Männern begangen wurde, die seit höchstens einem Jahr im Land waren.

Die Welt: Geht es Ihnen dabei speziell um junge Muslime?

Palmer: Nein. Kulturelle oder religiöse Aspekte sind irrelevant. Es geht um etwas, das sich ganz einfach aus dem Alltag nachvollziehen lässt: Junge Männer ohne Bindungen, die nichts zu verlieren und auch nichts zu befürchten haben, sind gefährlicher als andere Bevölkerungsgruppen. Das gilt unabhängig vom Kulturkreis.

Die Welt: Haben die Grünen Flüchtlinge bislang zu einseitig als Opfer gesehen und zu wenig als Täter?

Palmer: Die gesamte Gesellschaft war nicht darauf eingestellt, dass die großzügige Hilfe, die wir zurecht im vergangenen Herbst geleistet haben, in einem solchen Ausmaß missbraucht werden könnte. Es war nicht falsch, zu helfen. Aber wir müssen auch offen darüber sprechen können, welche Probleme sich daraus ergeben haben. Die Silvester-Übergriffe haben etwas mit der Aufnahme von Flüchtlingen ohne Registrierung und Kontrolle zu tun. Diesen Satz muss man aussprechen können, ohne dafür gleich zu hören zu kriegen: Dann geh doch zur AfD!

Die Welt: Haben Sie solche Reaktionen bekommen?

Palmer: Ständig. Vereinzelt auch aus meiner Partei. Es gibt eine Denkschule in Deutschland, die jeden voreilig mit Rassismusvorwürfen überzieht, der lediglich eine differenzierte Betrachtung in der Flüchtlingsdebatte einfordert. Das blockiert die Diskussion und erschwert die Suche nach Lösungen.

Die Welt: Ihre Parteifreundin Claudia Roth hat nach den Gewalttaten in der Silvesternacht auf das Oktoberfest verwiesen und erklärt, auch dort komme es regelmäßig zu sexualisierten Übergriffen …

Palmer: Das stimmt, und das darf man auch nicht verharmlosen. Aber das ist etwas grundsätzlich anderes. Was die Silvesternacht angeht, stellt sich die Frage: Hätten diese Übergriffe auch stattgefunden, wenn die rund 1000 Täter gar nicht erst im Schutz einer großen Fluchtbewegung nach Deutschland gekommen wären? Die Antwort ist: Nein.

Die Welt: Was ist die Konsequenz aus Ihrem Befund für die Asylpolitik der Grünen?

Palmer: Erstens müssen wir diese Probleme offen ansprechen. Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass niemand mehr unkontrolliert und unregistriert nach Deutschland kommt. Wir müssen wissen, wer sich wo im Land aufhält. Wer glaubt, niemand könne ihn finden, wird eher zum Täter als jemand, der die Kontrolle des Staates spürt. Damit wird Verantwortlichkeit hergestellt und Kriminalität vorgebeugt. Und drittens müssen wir Lücken im Strafrecht schließen, was jetzt zum Glück auch passiert. Wenn die jungen Täter die Erfahrung machen, dass sie nicht mit Strafen rechnen müssen, werden sie zu Wiederholungstätern.

Die Welt: Nach den aktuellen Zahlen sind im ersten Halbjahr rund 225.000 Asylsuchende hergekommen. Aufs Jahr hochgerechnet kommen wir damit auf weit über 400.000 Schutzsuchende. Halten Sie diesen Zuzug für verkraftbar?

Palmer: Auf jeden Fall. Wir haben jetzt die Grenzen unter Kontrolle, und daraus erwächst die Verpflichtung, direkt zu helfen. Wir sollten jetzt den Familiennachzug beschleunigen und nach den Vereinbarungen aus dem EU-Abkommen mit der Türkei gezielt syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen Schutz gewähren. So klar, wie ich im Herbst gesagt habe, wir schaffen das nicht, sage ich jetzt: Wir helfen viel zu wenig.

Quelle : welt.de

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