Warum Kirgistan?

  14 Juli 2016    Gelesen: 696
Warum Kirgistan?
Die Hauptstädte Berlin und Bischkek liegen 4500 Kilometer Luftlinie entfernt, wirtschaftlich spielt Kirgistan für Deutschland praktisch keine Rolle - und doch gibt es triftige Gründe, warum Kanzlerin Merkel erstmals dort ist. Was macht die Ex-Sowjetrepublik besonders? Ein Überblick.

Kirgistan ist seit dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig. Doch bislang war noch nie ein Regierungschef aus Deutschland in dem zentralasiatischen Staat. Der Besuch von Kanzlerin Angela Merkel ist also eine Premiere. Und die Kanzlerin setzt damit ganz bewusst ein Zeichen.

Handelspartner Nummer 146

Historisch gibt es durchaus enge Beziehungen: Während des Zweiten Weltkrieges waren zahlreiche "Russlanddeutsche" auch nach Kirgistan zwangsumgesiedelt worden. Zum Ende der Sowjetunion zählte die deutschstämmige Minderheit dort noch etwa 100.000 Menschen. Doch ihre Zahl ist inzwischen auf nur noch 8000 Einwohner geschrumpft. Aktuell sind die Beziehungen weder politisch noch wirtschaftlich sonderlich eng: Kirgistan ist für die deutsche Wirtschaft Handelspartner Nummer 146 von etwa 200 Ländern dieser Welt. "Die Investitionstätigkeit deutscher Firmen ist wegen ungünstiger Rahmenbedingungen insgesamt gering; eine Verbesserung ist zur Zeit nicht in Sicht", so die Einschätzung des Auswärtigen Amtes.

Stabile Demokratie und relativ liberal

Doch in der Region gibt es jede Menge Staaten, die vom Idealbild einer stabilen Demokratie ziemlich weit entfernt sind. Kirgistan kommt hier eine Sonderrolle zu: Das Land gilt als stabile parlamentarische Demokratie und als relativ liberal. Diesen Kurs will die Kanzlerin mit ihrem Besuch unterstützen. "Wir haben eine große Hochachtung für den eigenständigen Weg, den Kirgisistan seit 2010 geht", sagte Merkel. Ihre Visite ist für das Land wichtige Anerkennung dafür, dass es sich als einzige Demokratie in einer Region behauptet, in der auch die Terrormiliz IS zu erstarken droht.

Kirgistan ist das zweitkleinste zentralasiatische Land, mit 200.000 Quadratkilometern aber trotzdem mehr als halb so groß wie Deutschland. Es ist allerdings wesentlich dünner besiedelt: Nur knapp sechs Millionen Menschen leben hier, ein Drittel von ihnen ist nach Angaben der UN jünger als 15 Jahre.

Etwa 80 Prozent der Einwohner sind sunnitische Muslime, acht Prozent russisch-orthodoxe Christen. Kirche und Staat sind in Kirgistan aber getrennt. Hauptstadt ist Bischkek, das zu sowjetischer Zeit noch Frunse hieß - benannt nach einem General. Fast das gesamte Land ist gebirgig. Der höchste Berg ist der 7439 m hohe Dschengisch Tschokusu, der als "nördlichster Siebentausender der Welt" gilt.

Geld aus Russland wichtigste Devisenquelle

Das Land verfügt über Bodenschätze wie Gold, Kohle, Öl oder Kupfer. Trotzdem ist die wirtschaftliche Lage vieler Kirgisen schlecht, jeder Dritte lebt unterhalb der Armutsgrenze.

Die Verflechtungen der ehemaligen Sowjetrepublik mit Russland sind nach wie vor eng. Kirgistan ist Teil der Eurasischen Wirtschaftsunion, zu der neben Russland und Kirgistan auch Weißrussland, Kasachstan und Armenien gehören. Wichtigste Devisenquelle sind die Geldüberweisungen kirgisischer Arbeitsmigranten aus dem Ausland - vor allem aus Russland, wo etwa 500.000 Kirgisen leben.

Präsident Almasbek Atambajew hofft dementsprechend auch darauf, dass sich Russland und die EU wieder annähern. "Als eurasisches Land spüren wir die Folgen des Konfliktes in der Ukraine und der Krise zwischen Russland und der EU, und wir wollen, dass alle Seiten so schnell wie möglich einen Kompromiss finden", sagte er anlässlich des Merkel-Besuchs.

Ein Präsident, der auch mal singt

Der Sozialdemokrat regiert das Land seit 2011. Er gilt als pro-russisch. Atambajew war nach dem Sturz zweier Präsidenten sowie ethnischen Unruhen in dem zentralasiatischen Land in einer friedlichen Wahl zum Staatschef gewählt worden. In den vergangenen Monaten gab es mehrere Versuche von Oppositionsgruppen, ihn zu stürzen. Ihre Anführer wurden festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, einen Putsch geplant zu haben oder das Land destabilisieren zu wollen.

Der Präsident hat ein Faible für Musik. Vor kurzem nahm er in seinem Amtszimmer fünf Lieder in Russisch auf, die demnächst zusammen mit fünf Songs in Kirgisisch als CD erhältlich sein sollen. Die Balladen, die Atambajew singt und bei denen er sich auch auf der Gitarre begleitet, hat der 59-Jährige selbst geschrieben. Das Album schenke er sich quasi selbst anlässlich seines 60. Geburtstags am 17. September, sagt Atambajew. Vorerst ist es aber nur Besuchern, Freunden und Verwandten vorbehalten.

Vier Namen, die alle richtig sind

Für Verwirrung sorgt manchmal die Tatsache, dass es vier verschieden Namen für das Land gibt. Die meisten deutschen Medien - darunter auch die tagesschau - verwenden die Bezeichnung Kirgistan. Das Auswärtige Amt gönnt sich noch eine Silbe mehr und nennt den Staat Kirgisistan. "Es gibt kein Richtig und kein Falsch", sagt Beate Eschment, Herausgeberin der "Zentralasien-Analysen". Beides sei korrekt. Hinzu komme noch Kirgisien, was aber nur sehr selten genutzt wird. Die Botschaft des Landes selbst verwendet alle drei Namen - und außerdem noch den offiziellen: "Kirgisische Republik".

Quelle: tagesschau.de

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