In Amerika regiert die Angst

  18 Juli 2016    Gelesen: 739
In Amerika regiert die Angst
Nach den erneuten Todesschüssen auf US-Polizisten ist für Donald Trump eines klar: Die USA sind außer Kontrolle. Auf dem Parteitag will Trump die Lösung für das Problem präsentieren: sich selbst.

Der Mörder war ein Schwarzer, und er war vorübergehend Mitglied der islamistischen Organisation Nation of Islam. Damit hat ein weiterer Anschlag auf Polizisten am Vortag des Nominierungsparteitages Donald Trumps gleich zwei gesellschaftliche Konfliktfelder der USA erneut in die Schlagzeilen katapultiert.

In Cleveland im hohen Norden des Landes platzierten Dutzende Helfer am Sonntagvormittag Podien, Stühle und Dekoration in der gewaltigen Quicken Loans Arena, wo ab Montag die National Convention der Republikaner startet. Zur gleichen Zeit fielen in Baton Rouge in Louisiana im tiefen Süden Schüsse aus einem Schnellfeuergewehr, die drei Polizisten töteten und weitere drei zum Teil schwer verletzten. Andere Polizisten konnten den Täter erschießen.

Gavin Long aus Kansas City im Bundesstaat Missouri wurde just am Tag seiner Bluttat 29 Jahre alt. Entgegen ersten Meldungen, in denen von mindestens zwei Komplizen die Rede war, geht die Polizei inzwischen davon aus, dass Long als Einzeltäter handelte. So wie Micah Xavier Johnson, der exakt zehn Tage zuvor am Rande einer Schwarzen-Demonstration im texanischen Dallas fünf Polizisten erschoss. Zwei Einzeltäter, aber offenkundig keine Einzelhasser.

Auf YouTube hat Long unter einem Pseudonym über Polizeigewalt geklagt. In einem inhaltlich mäandernden Video-Statement, das wohl als Abschiedsbotschaft verstanden werden darf, sagte der spätere Mörder dort auch, er sei einst Mitglied der radikalen Schwarzenorganisation Nation of Islam gewesen, aber "bringt mich nicht in Verbindung damit, bringt mich mit nichts in Verbindung". Er habe auch nichts mitdem Islamischen Staat zu tun. Er sei nur verbunden "mit dem Geist der Gerechtigkeit".

Trump nennt die USA "gespalten und außer Kontrolle"

Donald Trump schlug gleichwohl den Bogen zur globalen Auseinandersetzung mit dem islamistischen Terror. "Wir versuchen, gegen IS zu siegen, und nun morden unsere eigenen Leute unsere Polizei. Unser Land ist gespalten und außer Kontrolle. Die Welt beobachtet uns", twitterte der designierte Präsidentschaftskandidat. In fünf weiteren Tweets thematisierte Trump im Laufe des Tages die Themen Gewalt gegen Polizisten, Law and Order und gesellschaftliche Spaltung der USA. Seine demokratische Rivalin Hillary Clinton ließ nach Trumps erstem Tweet noch über dreieinhalb Stunden verstreichen, bis sie ebenfalls über den Kurznachrichtendienst die Schüsse in Baton Rouge als "Anschlag auf uns alle" verurteilte.

Unter den Trump-Anhängern ist die Ansicht verbreitet, dass die USA zerrissen ist und die Regierung, namentlich Präsident Barack Obama, dem Verbrechen nicht entschlossen entgegen tritt. Der erste Tag der Convention ist dem Thema "Macht Amerika wieder sicher" gewidmet. Mit Forderungen wie dem Bau einer Mauer gegen illegale Einwanderer aus Mexiko oder einem vorübergehenden Einreiseverbot für alle Muslime hat der Immobilienmilliardär Trump sein Profil über sehr spezifische Beiträge zu diesem Themenfeld geschärft. Das Image des Kämpfers für Sicherheit legte die Grundlage für Trumps klaren Sieg in den republikanischen Vorwahlen.

Gleichwohl taugt der bei seiner Tat ganz in Schwarz gekleidete und mit einem Schnellfeuergewehr bewaffnete Todesschütze von Baton Rouge auf den ersten Blick nicht als Beispiel für den radikalen Muslim oder den ausgegrenzten Afroamerikaner. In seinem Video sagt Long, er sei einst Christ gewesen, und an anderer Stelle spricht er gar von seinem muslimischen Glauben in der Vergangenheitsform. Jetzt folge er nur noch der Religion der Gerechtigkeit.

Long war aber auch ein aktiver "Marine", wie die Angehörigen der Marineinfanterie der USA genannt werden, und unter anderem im Irak im Einsatz. Er wurde ausgezeichnet und 2010 ehrenvoll entlassen. Ein Soldat also, der sein Leben für sein Land riskierte und sich dann entschloss, Polizisten zu erschießen, die ebenfalls regelmäßig Gesundheit und Leben für die öffentliche Sicherheit einsetzen; dass einzelne unter ihnen zu schnell zur Waffe greifen, darf als gesichert angesehen werden, aber derartige Regelverletzer gibt es auch im Militär und in allen anderen Bereichen.

"Männer, es ist Zeit für Opfer. Alles, was ich tue, tue ich für die Frau (sic!)", schrieb der Täter zu seinem dräunenden Video über die vermeintliche Gerechtigkeit, und vor der Kamera lobt er dann die "schwarzen Frauen", die er "liebe". Er, der auf Twitter mitteilt, dass er zwei Jahre in Afrika, dem Kontinent "meiner Vorfahren" verbracht habe und dort "wie eine König lebte", kündigte seinen Terroanschlag nicht an, aber das, so sagte er, was er tun werde, tue er für die Frauen und für die Kinder.

Ein in den USA geborener, schwarzer Rassist

In einem unter dem Pseudonym "Convos with Cosmo" (Konversationen mit dem Kosmos) betriebenen Twitter-Account schrieb der Täter am 13. Juli: "Gewalt ist nicht DIE Lösung (es ist eine Lösung), aber an welchem Punkt stehst du auf, damit dein Volk nicht wie die Ureinwohner Amerikas wird - VERSCHWUNDEN?"

Die Regierung sei eine "Hass-Gruppe, sie hasst die Schwarzen", twitterte Long einige Tage zuvor. In seiner letzten Nachricht vom Sonntagmorgen, Stunden vor der Tat, philosophierte er, dass man nicht tot sei, nur weil man den Körper verlasse.

Long, so viel lässt sich erkennen, war ein in den USA geborener und sozialisierter schwarzer Rassist, und es gehört zu den Kollateralschäden der politischen Korrektheit, dass über dieses gesellschaftliche Phänomen kaum berichtet wird. Weiße Rassisten, die "white Supremacists", werden zurecht regelmäßig thematisiert. Dass es aber auch radikalisierte Schwarzen gibt, die auf den Spuren von Gewalttätern wie den alten und neuen Black Panthers wandeln, wird gern ausgeblendet. Die Nation of Islam hat einen dezidiert antisemitischen Einschlag, und Weiße werden dort mit "Teufeln" gleichgesetzt. Sie arbeitete früher mit den Black Panthers zusammen, die eben keine Bürgerrechtsbewegung war, sondern eine revolutionär-sozialistische und in Teilen gewalttätige bis mörderische Truppe.

Ihr folgte inzwischen die Organisation New Black Panthers, deren Äußerungen nicht weniger hasserfüllt und rassistisch sind als die von weißen Extremisten. Die Zahl ihter aktiven Mitglieder ist gering. Doch auch einzelne können schlimme Verbrechen anrichten, wenn sie sich radikalisieren lassen. In jüngster Zeit wurde dies, so unterschiedlich die jeweiligen Motive offenkundig waren, in Dallas und Baton Rouge, aber auch in Nizza bestätigt.
Ob Long in derartige Zusammenhänge eingebunden war, ist noch nicht klar. Als die Polizei das Haus in Kansas City, in dem der Täter zuletzt wohnte, untersuchen wollte, empfing sie dort ein Mann mit Schrotgewehr, der in Handschellen gelegt werden konnte.

In Cleveland sind die Arbeiter in der "Q", wie die Arena kurz genannt wird, zu diesem Zeitpunkt fast fertig. Der Parteitag kann am Montag beginnen. Draußen ziehen kleine Gruppen von Demonstranten vorbei, die gegen Trump, für die Protestbewegung "Black Lives Matter" und für "Revolution" protestieren. Sie sind friedlich. Aber die Angst, dass es zu weiteren Gewalttaten kommen wird, wo und von wem auch immer, hält Amerika gefangen.

Quelle: n24.de

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