Die Bahn revolutioniert ihr Preissystem

  26 Juli 2016    Gelesen: 967
Die Bahn revolutioniert ihr Preissystem
Die Ticketpreise sollen stärker schwanken, je nach Strecke und Reisetag. So will die Bahn wieder Gewinn machen. Rüdiger Grube muss aber noch zwei weitere Punkte erfüllen, wenn er Chef bleiben will.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellt die Weichen der Bundesregierung in der Bahnpolitik neu – vor allem für die Deutsche Bahn (DB). Die Phase, in der der DB-Konzern voll auf Umsatzsteigerungen und Rendite getrimmt worden sei, sei vorbei, so Dobrindt.

"Eine Maximierung des Gewinns ist nicht die oberste Aufgabe des DB-Vorstandes, sagte der Minister. Wichtiger als Ergebnisrekorde seien "bezahlbare Mobilität für alle im Land, die Erschließung von Räumen und die Vernetzung von Mobilitätssystemen". Das bedeute, dass es durchaus auch Strecken geben könne, mit denen die Deutsche Bahn nichts verdiene, erklärte Dobrindt.

Verluste des Gesamtkonzerns, wie sie die Bahn zuletzt für 2015 ausgewiesen hatte, werde die Bundesregierung jedoch nicht akzeptieren. Die DB hatte im vergangenen Jahr ein Minus von 1,3 Milliarden Euro eingefahren. Am Mittwoch stellt Vorstandschef Rüdiger Grube die Halbjahresbilanz vor. Es werden weiterhin schwache Zahlen im Fern-, Regional- und vor allem im Schienengüterverkehr erwartet.

Bedingungen für Verlängerung von Bahn-Chef Grube

Dobrindt nannte drei Bedingungen des Bundes, unter denen Grubes Vertrag über das Jahr 2017 hinaus verlängert werde: Die Bahn dürfe in diesem Jahr insgesamt als Konzern keinen Verlust einfahren. Die Pünktlichkeit müsse deutlich besser werden, im Fernverkehr bei 80 Prozent und darüber liegen.

Und die Digitalisierung in den Zügen, vor allem die geplante Einführung von kostenlosem WLAN in der zweiten Klasse, müsse reibungslos vorankommen. "An diesen Vorgaben werden wir Rüdiger Grube zum Jahresende messen", sagte der Minister. Grubes Vertrag läuft bis Dezember 2017. Der 64-Jährige würde gern darüber hinaus im Chefsessel bleiben.

Grube reagierte überraschend kritisch auf die Ankündigungen Dobrindts, die der im Rahmen der "Sommerreise" von Minister und Vorstandschef zu Europas größtem Rangierbahnhof in Maschen südlich von Hamburg gemacht hatte. Er habe eigentlich keine große Lust, Chef einer Behördenbahn zu werden, sagte er. Dabei hat Dobrindt mit seiner Neujustierung der Bahnpolitik zunächst den Druck von Grube genommen. Und die Vorgaben für eine Vertragsverlängerung sind darüber hinaus nicht allzu schwer zu erfüllen.

Bahn will, dass 85 Prozent der Züge pünktlich sind

Der Milliardenverlust im vergangenen Jahr war wegen einer Sonderabschreibung des schwächelnden Schienengüterverkehrs angefallen. Fern-, Regionalverkehr, der Logistiker Schenker und die Auslandstochter Arriva verdienen weiterhin Geld. Die Gefahr, dass 2016 erneut vergleichbar hohe Verluste anfallen, ist also gering. An der WLAN-Offensive und besseren Pünktlichkeitswerten arbeitet die Bahn mit Hochdruck. Was die Verspätungen angeht, kann der Konzern auch kaum mehr weiter abfallen – sie befinden sich auf einem Mehrjahrestief.

"Mittelfristig sollen 85 Prozent der Fernzüge pünktlich sein, dann bekommen 95 Prozent der Fahrgäste ihre Anschlusszüge, das ist mein Ziel. Davon sind wir aber noch ein ganzes Stück weg, derzeit liegen wir bei einem Durchschnittswert für das bisherige Jahr von 78,7 Prozent", räumte Grube ein. "Grund sind vor allem die vielen Baustellen." Bund und Bahn hatten sich jüngst auf mehr Geld für das Schienennetz verständigt. Die Folge ist, dass mehr gebaut wird. Das führt zu Einschränkungen auf den Schienenwegen. Baustellen sind einer der Hauptgründe für die Verspätungen im Personenverkehr.

"Aber da steuern wir jetzt um. Wir organisieren die Baustellen neu", kündigte Grube an. Es soll mehr in den Nächten gebaut werden, ein Teil der Baustellen wurde testweise einfach abgesagt. "Außerdem haben wir uns die sogenannten Flaschenhälse vorgenommen, vor denen sich die Züge regelmäßig stauen. An den großen Knoten sind jetzt sogenannte PlanStart-Teams im Einsatz, Kollegen aus verschiedenen Bereichen der Bahn, die zusammenarbeiten und gemeinsam dafür sorgen, dass die Züge besser durch diese Nadelöhre kommen", so Grube. Beispiel Köln: Dort lag die Pünktlichkeit zuletzt bei 49 Prozent im Fernverkehr. Seit das neue Team arbeitet, sei sie auf 79 Prozent gestiegen.

Weitere 19-Euro-Aktion geplant

Das Thema Gewinn will – und kann – Grube dennoch gerade bei den Fernzügen nicht aus den Augen verlieren. Denn die Einnahmen bröckeln zunehmend, im Gegenzug müssen die hohen Investitionen in neue Züge und Systeme finanziert werden. Deshalb arbeitet der Vorstand an einem neuen Tarifmodell. Zum einen will Grube neue Fahrgäste mit weiteren Billigtickets in die Züge locken. Das ist schon in den vergangenen Monaten mit dem Sparpreis für 19 Euro gut gelungen. Die Aktion mit den Billigtickets war aufgrund der guten Nachfrage bereits bis zum Ende der Sommerferien am 12. September verlängert worden.

Nun soll nach einer Pause bis zu den Herbstferien nach diesen Urlaubstagen eine weitere 19-Euro-Aktion gestartet werden. Zwischen den Sommer- und den Herbstferien kann die Bahn gut darauf verzichten, denn in diesen Wochen ist übers Gesamtjahr gesehen der Andrang in den Fernzügen immer am größten. Nur: Mit den Spartarifen verdient die Bahn so gut wie nichts, daher soll im Preissystem künftig berücksichtigt werden, an welchem Wochentag man fährt.

Ist es ein Tag, an dem die Züge auf dieser Strecke üblicherweise voll sind, ist die Fahrkarte teurer. Auf Linien mit geringerer Auslastung gibt es Nachlass. Von um die fünf Prozent Schwankungen in die eine oder andere Richtung ist in Bahnkreisen die Rede. "Wir werden verstärkt auf flexible Preise setzen. Wir wollen die Kundenströme besser steuern, um die Auslastung noch weiter zu verbessern", sagte Grube. "Wir testen das gerade. Das Modell, wonach ein Kilometer Bahnfahren 20 Pfennig kostet, egal wann, wie zu Bundesbahn-Zeiten, ist nicht mehr zeitgemäß."

Entsprechende Versuche laufen in den Monaten August und September auf den Strecken München–Nürnberg und Köln–Frankfurt. Dabei sollen die Preise 23 Tage stabil bleiben und an 18 Tagen um fünf Prozent klettern sowie an 20 Tagen um fünf Prozent sinken, je nach Reisetag. Wird es von den Kunden angenommen, soll es auf andere Verbindungen ausgeweitet werden. Die Bahn würde damit der Preispolitik der Luftfahrtgesellschaften folgen, die ihre Tarife anhand der Auslastung ihrer Maschinen steuern.

Quelle : welt.de

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