Sieben Jahre später war Strauß Verteidigungsminister einer Bundeswehr, die von ehemaligen Offizieren der Wehrmacht aufgebaut worden war. Zugleich blieb Misstrauen gegen alles Militärische ein Grundelement der Bundesrepublik. Das führte unter anderem dazu, dass der Bundeswehr der Einsatz im Inneren verboten wurde – mit Ausnahme von Naturkatastrophen und Unglücksfällen sowie "zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung", wie es in Artikel 87 des Grundgesetzes heißt.
Heute gehört der Streit um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zur politischen Folklore. Die Union ist dafür, die SPD ist dagegen, Grüne und Linke sowieso. Zwar glaubt so gut wie niemand, dass die Bundesregierung das Militär einsetzen würde, um, wie in der Weimarer Republik, streikende Arbeiter oder Demonstranten zusammenzuschießen. Doch das Tabu ist stärker als die Vernunft. "Ursula von der Leyen versucht mit aller Macht, den Einflussbereich der Bundeswehr auf das Inland auszuweiten", sagt etwa SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. "Das ist der durchschaubare Versuch, sich innenpolitisch zu profilieren." Die öffentliche Sicherheit will die SPD allein der Polizei überlassen.
Natürlich darf die Bundeswehr nicht benutzt werden, um personelle Lücken bei der Polizei zu schließen – das muss die Politik schon selbst erledigen. Aber was ist dagegen zu sagen, wenn von der Leyen gemeinsame Anti-Terror-Übungen von Bundeswehr und Polizei veranstalten will? Der rechtliche Rahmen ist klar und muss nicht verändert werden: 2012 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Bundeswehr in bestimmten Situationen im Inland auch militärische Waffen einsetzen darf. Das heißt nicht, dass Panzer durch eine Stadt rollen, wenn dort ein Verrückter um sich schießt oder sich ein Selbstmordattentäter in die Luft sprengt. Die Bundeswehr darf nur in "Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes" eingesetzt werden.
Natürlich: Bislang gab es in Deutschland keinen Anschlag, der einen Einsatz der Bundeswehr gerechtfertigt hätte, und möglicherweise – hoffentlich – tritt eine solche Situation nie ein. Aber niemand kann ausschließen, dass eines Tages Anschläge von einer Größenordnung stattfinden, die die Polizei überfordert.
Das Misstrauen gegen alles Militärische, das selbst Strauß im Gründungsjahr der Bundesrepublik noch artikulierte, hat aus guten Gründen bis heute seinen Platz in der politischen Kultur dieses Landes. Allein der lapidare Verweis auf historische Erfahrungen kann jedoch nicht begründen, warum es falsch sein sollte, Bundeswehr und Polizei gemeinsam üben zu lassen.
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