Elektrobusse sollen das innerstädtische Klima retten

  30 Auqust 2016    Gelesen: 786
Elektrobusse sollen das innerstädtische Klima retten
Die Abkehr vom Diesel wird für Verkehrsunternehmen teuer. Ihr Verband ruft nach Fördermitteln.
Städte und Gemeinden ächzen unter dem Dunst der Dieselfahrzeuge. Deren Zahl hat enorm zugenommen, vielerorts werden die Grenzwerte bei Feinstaub und Stickoxiden erreicht. Der Deutsche Städtetag schlägt jetzt Alarm. „Wenn jetzt nichts passiert, werden Städte wahrscheinlich durch Gerichte bald gezwungen, Fahrverbote zu erlassen“, warnt Städtetags-Geschäftsführer Helmut Dedy. In Deutschland gebe es etwa 80 Städte, die mit der Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte Schwierigkeiten hätten. Die Automobilindustrie müsse endlich die Fahrzeuge sauberer machen. Und Bund, Länder und Kommunen müssten den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) weiter verbessern.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) war sich mit den Länderumweltministern im April einig, dass es eine „blaue Plakette“ für Autos mit besonders geringem Stickoxidausstoß geben sollte. Ältere Dieselfahrzeuge sollten an der Einfahrt in die Städte gehindert werden. Weil sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gegen diese Regulierung von Mobilität wandte, wurde die Idee der Plakette zwar auf Eis gelegt. Das Klimaproblem bleibt jedoch. Deshalb sagt auch Dobrindt: „Wir müssen heran an die Fahrzeuge, die sich ständig im Stadtverkehr befinden, etwa Taxis, Busse und Behördenfahrzeuge. Die müssen wir so bald wie möglich auf alternative Antriebe umstellen. Das dient der Reduzierung von Stickoxiden deutlich mehr als Einfahrverbote.“

Die Deutsche Post versucht darauf mit eigenen Elektro-Zustellfahrzeugen zu reagieren, Daimler will Anfang des kommenden Jahrzehnts auch bei schweren Lastwagen mit Elektroantrieb in Serie gehen. Der ÖPNV wiederum sorgt im Moment nur eingeschränkt für ein gutes Klima, denn auch Busse fahren in der Regel mit Diesel-Kraftstoff. Doch die Ziele der UN-Klimakonferenz in Paris Ende 2015 setzen die Stadtväter unter Druck. Einige sind längst entschlossen, den Dieselverkehr nach und nach aus den Städten zu verbannen. Dabei sollen die kommunalen Verkehrsunternehmen und die Taxibetriebe mit gutem Beispiel vorangehen – und auf Elektromobilität umsteigen.

Hamburg zum Beispiel will von 2020 an eine „grüne Stadt“ werden. Die öffentlichen Verkehrsunternehmen sollen dann nur noch emissionsfreie Busse anschaffen. Den ersten Schritt ins Elektrobus-Zeitalter hat Hamburg vor knapp zwei Jahren gewagt. Seither fährt durch das Treppenviertel im Ortsteil Blankenese der erste rein batteriebetriebene E-Bus der Stadt. Der Kleinbus mit fünf Litiumionen-Akkublöcken auf dem Dach hat eine Reichweite von rund 100 Kilometern. Aufgeladen werden die Batterien an einer Ladesäule am Blankeneser Bahnhof, wo die Linie beginnt und endet – das dauert etwa 20 Minuten. Außerdem wird bei Bergabfahrten die Bremsenergie in Strom umgewandelt und wieder eingespeist. Nachts werden die Batterien im Betriebshof aufgeladen. Der Strom kommt vom Ökostromanbieter Hamburg Energie. Gerade hat nun die Hamburger Hochbahn AG (HHA) drei Busse angeschafft, die in den nächsten Wochen eingesetzt werden sollen.

Doch nicht nur Hamburg übt im Pilotprojekt. 30 Städte in Deutschland probieren derzeit Elektrobusse aus, um sich langfristig von fossilen Kraftstoffen zu lösen. Allerdings ist der Einsatz der klimafreundlichen Fahrzeuge für die chronisch finanzschwachen Unternehmen mit erheblichen Investitionen verbunden. Ein E-Bus kostet nach Angaben des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) rund 700000 Euro – etwa doppelt so viel wie ein konventioneller Diesel-Bus. Die deutschen Hersteller halten sich derweil mit der Produktion von E-Bussen zurück – auch dies erinnert an die ersten Jahre der Pkw-Elektromobilität. Während neben Solaris auch Van Hool und Volvo Elektrobusse anbieten, zeigen sich beispielsweise MAN und Vossloh noch zurückhaltend; Daimler will mit Evobus 2020 serienreife Busse auf den Markt bringen.

Der hohe Anschaffungspreis ist es nicht allein. Es müssen teure Ersatzbatterien vorgehalten werden. Hinzu kommen die bescheidene Reichweite der Busse und die Ladeinfrastruktur, die erst aufgebaut werden muss und die derzeit in den unterschiedlichsten Varianten erprobt wird: Das sind wie bei den Elektroautos, deren Verkauf nicht recht in Schwung kommt, die wunden Punkte. Der VDV sagt nüchtern: Unter rein betriebswirtschaftlichen Aspekten ist die Anschaffung von E-Bussen nicht wirtschaftlich. „Betrachtet man die gesamte Nutzungsdauer, ist der Elektrobus bislang 40 bis 60 Euro je 100 Kilometer teurer als ein vergleichbarer Diesel-Bus“, heißt es in einem VDV-Positionspapier. Serienreife hätten die Modelle noch nicht erreicht, darunter leide die Zuverlässigkeit. Die E-Busse seien daher „sehr wartungsintensiv“. Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG machen gerade unerfreuliche Erfahrungen mit den vier E-Bussen der polnischen Firma Solaris, die immer wieder den Dienst versagen. Im vergangenen Herbst war die kleine Flotte wegen Problemen mit der Elektronik für sechs Wochen ganz stillgelegt.

Der VDV warnt unterdessen vor der finanziellen Überforderung der Verkehrsunternehmen: „Kostensteigerungen, die aus dem Einsatz von mehr Elektrobussen im ÖPNV absehbar noch entstehen, könnten prinzipiell auf drei verschiedenen Wegen ausgeglichen werden: durch eine investive Förderung der öffentlichen Hand, durch Erleichterungen bei den Betriebskosten oder über höhere Fahrpreise.“ Letztere kämen aber nicht in Frage, wenn man nicht riskieren wolle, dass Fahrgäste wieder auf das Auto umstiegen. Der VDV hält eine investive Förderung und mehr technische Standardisierung für notwendig. Bund und Länder sollten für die „Dekarbonisierung des ÖPNV“ bis 2020 jährlich rund 30 Millionen Euro bereitstellen, fordert der Verband.

Quelle: F.A.Z.

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