Der Experte erläutert, es gebe im Moment kaum andere Mächte von vergleichbarer Handlungsfähigkeit: „Europa hat die Eigenschaften eines politischen Subjekts eingebüßt, und zwar paradoxerweise in seinen beiden Gestalten – sowohl als einzelne Staaten als auch als deren Zusammenschluss. China, Indien und der Iran sind trotz ihrer offensichtlich zunehmenden Ambitionen, Ansprüche und Möglichkeiten vorerst nicht bereit, am großen militärpolitischen Spiel selbständig teilzunehmen. Im Nahen Osten und in der Ukraine – also in den beiden akutesten regionalen Krisen von heute – erweisen sich Putin und Obama deshalb als zentrale Gesprächspartner. Nicht gerade zu ihrem gegenseitigen Vergnügen, aber so ist es.“
Es sei kein Geheimnis, dass die beiden Staatschefs keine besonderen persönlichen Sympathien zueinander empfinden. Trotzdem sei es ihnen gelungen, Arbeitskontakte in Bezug auf jene Fragen aufrechtzuerhalten, wo diese Kontakte nötig seien, so Lukjanow.
„Die beiden Seiten haben Pragmatismus an den Tag gelegt. Wenn es in den nächsten Wochen nun doch gelingt, ein akzeptables Muster zu finden, um die Interessen in Syrien gegenseitig abzugrenzen, kann dies als großer Erfolg gelten“, heißt es in dem Kommentar.
„Die Beziehungen zwischen Putin und Obama liefern ein Beispiel dafür, wie der Schaden ziemlich effizient minimiert werden kann, obwohl die Beziehungen selbst antagonistischen Charakters und die Interessen meistens unterschiedlich sind und die Weltanschauungen praktisch in keinerlei Hinsicht zusammenfallen. Das Ziel dieser Beziehungen ist nicht etwa deren Verbesserung, sondern das Risikomanagement. Dies vollzieht sich teilweise wie damals im Kalten Krieg – aber eben nur teilweise. Denn angesichts der verkomplizierten und verworrenen internationalen Konstellation entsteht ein Bedarf an Zusammenwirken derzeit viel häufiger als im Zeitalter einer ideologisch gespalteten Welt“, so Lukjanow weiter.
Er prognostiziert: „Unabhängig davon, wer die US-Präsidentschaftswahl im November gewinnt, wird sich der russisch-amerikanische Kontext ändern. Obwohl Donald Trump und Hillary Clinton unterschiedliche außenpolitische Ansichten haben, lehnen beide den Ansatz von Obama ab. Trump tut das spektakulär und lautstark, Clinton unauffällig, doch auch deren Auffassung weist ziemlich offensichtliche Unterschiede auf im Vergleich zu der von Obama.“
„Es ist durchaus möglich, dass Obamas zurückhaltende Rolle, die auf seine Abneigung gegen riskante Unterfangen zurückzuführen ist, nach seinem Abgang deutlich klarer wird. Und wir werden uns dann an seine Präsidentschaft als an eine ziemlich ruhige Phase zwischen Moskau und Washington erinnern“, so Lukjanow zum Schluss.
Quelle : sputnik.de
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