Clintons schlechte Gesundheit wird zum Problem

  12 September 2016    Gelesen: 783
Clintons schlechte Gesundheit wird zum Problem
Ihre Kritiker wollen es schon lange gewusst haben, nun steht es fest: Hillary Clinton ist gesundheitlich angeschlagen, sie hat eine Lungenentzündung. Das macht sie angreifbar — und könnte wahlentscheidend sein.
Ein kurzes Stolpern, dann brachen der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton am Sonntagmorgen abrupt die Knie weg, während mehrere Mitarbeiter des Geheimdienstes der Demokratin in den Schutz der verdunkelten Scheiben ihres schwarzen Vans halfen.

Clinton verließ eine Gedenkfeier in New York zu den Anschlägen vom 11. September frühzeitig, ein Beobachter filmte das Geschehen und veröffentlichte das Video dazu auf Twitter. Von Clintons Seite herrschte danach zunächst Funkstille, weder Aufenthaltsort noch Gesundheitszustand der Präsidentschaftskandidatin waren bekannt.

Es vergingen rund 90 Minuten, bis das Wahlkampfteam der ehemaligen Außenministerin das Wort ergriff und mitteilen ließ, dass Clinton während der Veranstaltung, die unter freiem Himmel bei Temperaturen um die 27 Grad stattfand, dehydriert und überhitzt gewesen sei. Am Sonntagabend dann bestätigt das Lisa Bardack, die langjährige Ärztin der Kandidatin, in einer Mitteilung. Bei Clinton sei am Freitag eine Lungenentzündung diagnostiziert worden, so Bardack. Die Präsidentschaftskandidatin nehme jedoch Antibiotika, sei inzwischen erneut untersucht worden und erhole sich gut, hieß es weiter.

Der gesundheitliche Zustand Clintons dürfte nun vermehrt zum Wahlkampfthema werden. Was bisher als Verschwörungstheorie ohne faktische Belege galt, ist nun zumindest teilweise von Clintons Ärztin bestätigt worden: Ihre Patientin ist nicht bei „exzellenter körperlicher Gesundheit“. Die Demokratin solle sich ausruhen und ihren Terminplan anpassen, rat Bardacks in ihrer Mitteilung. Eine für diese Woche geplante Reise zu Wahlkampfveranstaltungen in Kalifornien habe Clinton bereits abgesagt, berichtete der Sender CNN am Sonntagabend unter Berufung auf Wahlkampfmitarbeiter.

Dabei läuft gerade heiße Phase des Wahlkampfs an, bis zum Wahltag am 8. November sind es nur noch wenige Wochen. In dieser Zeit würde sich Clinton mit gesundheitlich bedingten Ausfällen von Trump besonders angreifbar machen lassen.

Nun bemüht sich die Kandidatin darum, Stärke zu zeigen: Wenige Stunden nach dem Vorfall trat sie wieder vor die Öffentlichkeit. Sie hatte sich nach ihrem Schwächeanfall in die Wohnung ihrer Tochter Chelsea in Manhattan zurückgezogen. Beim Verlassen des Gebäudes am Nachmittag strahlte sie dann und winkte den Pressevertretern zu, auch posierte sie mit einem kleinen Mädchen für die Kameras. Auf Nachfrage teilte sie mit, dass sie sich „großartig“ fühle und betonte, was für ein schöner Tag in New York es doch sei.

In den Stunden, die bis zu Clintons erneutem Auftreten und Bardacks Mitteilung verstrichen, wurde in den amerikanischen Medien jedoch bereits ausführlich über den Gesundheitszustand Clintons spekuliert. So berichtete der konservative Fernsehsender Fox News, dass Clinton Sicherheitskreisen zufolge „klar eine Art von medizinischem Notfall“ erlitten habe. Beim Einsteigen in den Van habe sie gar einen Schuh verloren, berichtete der Sender unter Berufung auf einen Augenzeugen.

Bereits zuvor spekulierten Kritiker der Demokratin, vor allem aus dem republikanischen Lager, immer wieder über den Gesundheitszustand der 68 Jahre alten Präsidentschaftskandidatin. Erst vergangene Woche fragte Trump auf Twitter, warum die Medien nicht über Clintons Hustenanfälle berichten würden. Die Demokratin musste eine Rede in Cleveland im Bundesstaat Ohio vergangenen Montag unterbrechen, weil sie so stark hustete. Ihr Kampagnenteam teilte später mit, dass es sich bei dem Husten um eine allergische Reaktion gehandelt habe. Clinton selbst versuchte während der Rede, den Anfall mit einem Witz abzutun. „Wann immer ich an Trump denke, werde ich allergisch,“ sagte die Demokratin ins Mikrofon.

Auch der ehemalige New Yorker Bürgermeister Trump-Unterstützer Rudy Giuliani behauptete zuletzt Ende August gegenüber Fox News, dass die Demokratin mehrere Anzeichen einer ernsten Krankheit zeige. Clinton selbst denunzierte die Spekulationen am Montag bei einem Fernsehauftritt als „verrückte Strategie“.

Gutachten mit Hunderten Seiten

Der Gesundheitszustand der ehemaligen First Lady wurde bereits im Jahr 2012 stark in den amerikanischen Medien thematisiert. Damals musste der Demokratin, die zu dieser Zeit Außenministerin war, in Folge einer Gehirnerschütterung ein Blutgerinnsel entfernt werden. Einige Republikaner hinterfragten damals den Wahrheitsgehalt dieser Krankengeschichte — denn aufgrund der Behandlung verpasste Clinton eine Anhörung zu dem tödlichen Anschlag auf die amerikanische Botschaft in Benghasi, für den sie heute noch von einigen Kritikern verantwortlich gemacht wird.

Trump hatte seine Gegnerin in der Vergangenheit wiederholt dazu aufgefordert, ihre medizinischen Informationen zu veröffentlichen. Der 70 Jahre alte Republikaner prahlt bei Wahlkampfveranstaltungen öfters mit seinem angeblich makellosen gesundheitlichen Zustand und ließ sich von seinem langjährigen Arzt im Dezember attestieren, dass er, falls er die Wahl gewinnen sollte, der gesündeste Präsident aller Zeiten wäre. Auch Clintons Ärztin Bardack bestätigte im vergangenen Sommer, dass die Demokratin bei „exzellenter körperlicher Gesundheit“ und „fit für das Amt des Präsidenten“ sei. Besonders detaillierte Informationen stellten bisher allerdings weder Trump noch Clinton zur Verfügung.

Zum Vergleich: Präsident Barack Obama veröffentlichte 2008 während seines Wahlkampfes laut dem britischen „Guardian“ 276 Seiten zu seiner medizinischen Vorgeschichte. Sein damaliger Gegenkandidat, der Republikaner John McCain, veröffentlichte seinerseits mehr als tausend Seiten.

Noch hat sich Trump nicht zu Clintons Schwächeanfall geäußert. Einer Reporterin des Fernsehsenders „MSNBC“ teilte er auf Nachfrage am Sonntagmorgen mit, er wisse nichts davon. Wie Clinton war auch Trump zum Gedenktag in New York.

Hillary Clinton muss Gedenkfeier in New York abbrechen
Beide Präsidentschaftskandidaten haben eine enge Verbindung zu New York, Clinton war während der Terroranschläge Senatorin des gleichnamigen Bundesstaates, Trump lebt und führt sein Immobilienimperium in der Großstadt. Es ist gut möglich, dass der Republikaner aus Respekt für die Hinterbliebenen am Gedenktag von der sonst so harschen Angriffsrhetorik seines Wahlkampfs abgewichen ist. Auf Facebook verfasste er am Sonntag lediglich einen längeren Beitrag zum Gedenken an die rund 3000 Opfer des 11. September, Clinton erwähnte er nicht. Doch dass das so bleibt, ist keinesfalls sicher.


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