Clinton in der Krise Trumps Stunde

  13 September 2016    Gelesen: 515
Clinton in der Krise Trumps Stunde
Wahlkampfpannen, Schwächeanfall: Hillary Clinton steckt in einer schweren Krise. Donald Trump wittert eine neue Chance - und agiert auf einmal überraschend differenziert.
In acht Wochen ist Wahl, aber zunächst einmal wollte Donald Trump ein angenehmeres Thema ansprechen. Er widmete sich im Fernsehen ausführlich seinem neuen Luxushotel in Washington DC. "Das Hotel ist großartig. Es ist überragend. Ein solches Hotel hat Washington noch nie gesehen. Ein unglaubliches Projekt", schwärmte der Milliardär.

Das hatte zwar wenig mit seinen Plänen für eine mögliche Präsidentschaft zu tun, aber für Gebäude, auf denen sein Name prangt, hatte Trump immer schon eine sehr ausgeprägte Leidenschaft. Und außerdem läuft alles gerade so gut für ihn, dass einer wie er eben rasch ins Pathetische abgleitet.

Seine Rivalin steckt in einer Krise. Hillary Clinton hat schwere Tage hinter sich. Erst hat sie Trumps Anhänger beschimpft und damit gegen die goldene Regel von Präsidentschaftskandidaten verstoßen, sich niemals mit den Wählern eines Konkurrenten anzulegen. Dann erlitt sie in Manhattan einen Schwächeanfall und hat die erschütterte Öffentlichkeit erst verspätet wissen lassen, dass sie an einer Lungenentzündung erkrankt ist. Amerika ist irritiert, und Trump sieht eine neue Chance auf den Wahlsieg im November. Diese Chance möchte er sich ungerne entgehen lassen.

Zwei Dinge sind auffällig.

Erstens: Trump schweigt weitgehend zu Clintons gesundheitlichen Problemen. Er wünscht seiner Rivalin gute Besserung, vermeidet es aber, über ihren Zustand zu spekulieren, wie er es sonst so gerne macht. Das ist kein ungeschickter Ansatz. Seine Kampagne, so heißt es, habe ihn gewarnt, sich bloß aus dem Thema herauszuhalten. Clinton ist an dieser Front auch ohne uns unter Druck, so die Einschätzung, was sicher richtig ist. Aber alle in Trumps Umfeld wissen, wie schnell der Milliardär sich dazu verleiten lässt, trotz aller interner Absprachen doch persönlich zu werden, insofern herrscht an dieser Stelle noch hinreichend Unsicherheit, wie lange Trump sich zügeln kann.

Die gute Nachricht aus Sicht seiner Leute ist, dass Trump - zweitens - auffallend diszipliniert agiert, was seine politische Botschaft angeht.

Seit Clinton bei einem Spendendinner am vergangenen Freitag "die Hälfte" seiner Anhänger als "erbärmliche" Rassisten und Sexisten angriff, glaubt er, ihren wunden Punkt gefunden zu haben. Am Montag arbeitete er sich eine gesamte Rede lang an Clintons strategischem Fauxpas ab, warf ihr vor, das Land zu spalten und die Amerikaner wie Objekte zu behandeln. Parallel dazu veröffentlichte seine Kampagne einen neuen TV-Spot, in dem Clintons Zitate ausgewalzt werden.

Trump hofft darauf, seine Gegnerin als ähnlich entrückt erscheinen zu lassen, wie es Barack Obama 2012 mit seinem Gegner Mitt Romney machte, nachdem dieser "47 Prozent" der Amerikaner zu unmündigen staatlichen Subventionsempfängern erklärt hatte. "Man kann das Land nicht führen, wenn man sein Volk geringschätzt", sagte Trump bei einer Veranstaltung in Baltimore und seine Fans erhoben sich, um zu applaudieren.

Die Sätze klangen tatsächlich gut, aber es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, Trump so sprechen zu hören. Es gab kaum eine gesellschaftliche Gruppe, die der Milliardär in den vergangenen zwölf Monaten nicht verunglimpfte. Illegale mexikanische Einwanderer bezeichnete er als Vergewaltiger und Drogendealer, er beleidigte die Eltern eines gefallenen Soldaten, machte abfällige Bemerkungen über Frauen, Bürgerrechtler und einen prominenten Kriegsgefangenen. Die Gefahr aus Trumps Sicht ist, dass immer dann, wenn Clintons Sätze thematisiert werden, auch seine eigenen Beleidigungen eine Renaissance erfahren. Hinzu kommt, dass er auch in seinem Leben vor der Kandidatur eher selten als Inklusionsexperte aufgetreten ist. Seine Kritiker erinnern nun daran, dass er Romneys Aussetzer vor vier Jahren vehement verteidigte, dem Republikaner damals sogar davon abriet, sich zu entschuldigen.

Ähnliche Tücken hält Clintons Gesundheitsproblematik für Trump bereit. Die Demokratin steht - übrigens auch innerhalb ihrer Partei - zu Recht in der Kritik, die Hintergründe ihres Schwächeanfalls zunächst verheimlicht zu haben. Weil sie schon vor dem Kollaps mit einem grundsätzlichen Vertrauensproblem zu kämpfen hatte, versuchen Trumps Gegner nun, beides miteinander zu verweben.

Das ist ein legitimer Versuch, ihren Schaden noch zu vergrößern, nur ist die Sache mit der Transparenz nicht zwangsläufig ein Gewinnerthema für Donald Trump. Je mehr über Clintons rätselhaftes Faible für Klandestinität diskutiert wird, desto stärker dürfte auch in den Blick geraten, was der Republikaner selbst alles der Öffentlichkeit vorenthält. Von seiner Steuererklärung über ein ausführliches medizinisches Attest bis hin zu seinen "geheimen" Plänen gegen den "Islamischen Staat" - die Liste ist lang.

Immerhin: In dieser Woche will Trump offenbar ein paar neue Details zu seinem Gesundheitszustand veröffentlichen. Nur gibt es auch in seiner Partei Menschen, die das erst glauben, wenn sie die Papiere wirklich sehen. Großen Ankündigungen keine Taten folgen zu lassen, ist bislang eine Art roter Faden gewesen in seiner Kandidatur.

Aber das ist nochmal ein anderes Thema.

Quelle : spiegel.de

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