"VW war rechtlich verpflichtet, die Kapitalmärkte deutlich früher über die Verwendung rechtswidriger Manipulationssoftware in Dieselmotoren zu informieren", sagt Nadine Herrmann, die für Quinn Emanuel die Klagen führt. Mit den Manipulationen seien erkennbar schwerwiegende oder gar existenzbedrohende Rechts- und Reputationsrisiken verbunden, die sich unter anderem in dem "katastrophalen Kursverfall der VW-Aktie" realisiert hätten. "Wir machen für unsere Mandanten den daraus entstandenen Schaden geltend."
Jeremy Marshall von dem Prozessfinanzierer Bentham Europe, der mit Quinn zusammenarbeitet, erklärte, Volkswagen werde nun vielen seiner größten Aktionäre im Gerichtssaal gegenüberstehen. "Der Unmut dieser Investoren über das Ausmaß des Emissionsskandals und das Versagen in der Unternehmensführung ist groß."
Prominentester Kläger ist die mächtige Fondsgesellschaft Blackrock, die weltweit fünf Billionen Dollar verwaltet. Sie zählt zu den größten Aktionären von VW und dürfte allein einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe geltend machen.
"Blackrock hat im Namen seiner Investoren für eine Reihe von Blackrock-Fonds und gemeinsam mit weiteren institutionellen Investoren rechtliche Schritte gegen die Volkswagen AG eingeleitet", bestätigte ein Blackrock-Sprecher. Die Klage stehe im Zusammenhang mit dem Versäumnis von Volkswagen, gegenüber seinen Investoren den Einsatz von Abschalteinrichtungen offenzulegen, die für manipulierte Emissionstests verwendet wurden.
Neben Blackrock sollen einige der größten amerikanischen Fondsgesellschaften, unter anderem State Street und Vanguard, sich der Klage angeschlossen haben. Die beiden Investoren wollten sich dazu nicht äußern.
VW hatte die Manipulation von Abgaswerten am 20. September vergangenen Jahres eingeräumt. "Volkswagen geht weiterhin davon aus, dass wir unsere kapitalmarktrechtlichen Pflichten vollumfänglich erfüllt haben und die Ansprüche unbegründet sind", teilte das Wolfsburger Unternehmen auf Anfrage mit.
Seit dem Bekanntwerden der Manipulationen haben bereits Hunderte Aktionäre Schadensersatzklagen beim zuständigen Landgericht Braunschweig eingereicht. Allein der Tübinger Anwalt Andreas Tilp hat bislang Klagen von mehr als 300 Investoren mit Ansprüchen über 3,2 Milliarden Euro gebündelt. Quinn Emanuel hatte in einer ersten Klage unter anderem den norwegischen Staatsfonds vertreten, der zu den größten freien Aktionären von VW zählt. Dominiert wird der Autokonzern von den Familien Porsche und Piëch, dem Land Niedersachsen sowie Katar.
Über die Aktionärsklagen soll in einem Musterverfahren entschieden werden. Dabei wird aus der Vielzahl der auf den gleichen Sachverhalt ausgerichteten Klagen stellvertretend eine herausgegriffen und voraussichtlich vor dem Oberlandesgericht Braunschweig verhandelt. Die anderen Verfahren ruhen solange. Das Urteil im Musterverfahren gilt dann für alle Kläger.
Einige Klägeranwälte vertreten die Auffassung, dass die Ansprüche ein Jahr nach dem Publikwerden des Skandals verjähren könnten. Nadine Herrmann von der Kanzlei Quinn Emanuel teilt diese Ansicht nicht, hält es aber angesichts des bevorstehenden Musterverfahrens für sinnvoll, zeitnah Ansprüche geltend zu machen. Auch zahlreiche weitere Anwaltskanzleien dürften in diesen Tagen Klagen für Aktionäre einreichen.
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