In der Silhouette streckt sich der Talisman noch mehr. Extrem weit zieht sich die coupéhafte Dachlinie dank eines wuchtigen Spoilers in die Länge. Am Heck strahlt ein LED-Leuchtenband von beiden Seiten fast über das gesamte Heck und unterhalb des Stoßfängers sorgen zwei sehr schmale trapezförmige Diffusorblenden für sportliches Aussehen. Kurz und gut, der Talisman Grandtour gehört derzeit optisch zu den schärfsten Kombis auf dem Markt.
Ausstattung vom Feinsten
Für den Praxistest fuhr der 4,87 Meter lange Franzose in der höchsten Ausstattung "Initiale Paris" vor. Da sind neben schicken 19-Zöllern auch elektrisch sechsfach verstellbare, beheizbare und zu belüftende Lederpolster mit Massagefunktion an Bord. Zudem gibt es ein Head-Up-Display, eine mit Sensoröffnung versehene elektrisch öffnende und schließende Heckklappe sowie Akustikverglasung. Das alles sind Qualitätsmerkmale, die man bei den Platzhirschen BMW, Mercedes, Audi und selbst bei VW teuer bezahlen muss. Im Franzosen ist das für einen Endpreis von 42.000 Euro mit einer ganzen Reihe an Extras wie Verkehrszeichenerkennung mit Geschwindigkeitswarner, adaptivem Fahrwerk, Notbremsassistent, 8,7-Zoll-Touchscreen, Totwinkelwarner und Rückfahrkamera zu haben.
Auch der Innenraum macht beim Besteigen des Renaults richtig was her. Da sind Lederapplikationen in den Türverkleidungen, Intarsien in heller Holzoptik zieren das Dashboard und ein wunderbar griffiges Volant schmiegt sich in die Hände des Piloten. Aber schon beim Einstellen des Sitzes werden zwei Ungereimtheiten deutlich: Zum einen schubbert die Seitenwange des Fahrersitzes geräuschvoll an der Armauflage des Mitteltunnels, zum anderen ist die Stellfläche für den beim Automatikgetriebe ruhenden linken Fuß so weit in den Innenraum gebaut, dass der Anstellwinkel auf langen Strecken zu einer echten Belastung wird.
Mit dem Charme der 1990er?
Unklar bleibt auch die Verteilung der Bedienelemente im Franzosen. Während der Schalter für die Aktivierung des adaptiven Tempomaten und des Speedlimiters im Mitteltunnel sitzen, werden Abstand und Tempo über die Tasten am Lenkrad geregelt. Dafür fehlt an dieser Stelle die Möglichkeit, die Lautstärke des mit 12 Lautsprechern versehenen Bose-Soundsystems zu verändern, Songs zu skippen oder Radiosender zu wählen. Renault hat hier beim Talisman eine zweite Bedieneinheit an das Lenkrad geflanscht, wie man es seit den 1990er-Jahren von der Marke kennt. Zeitgemäß ist das bestimmt nicht und Premium geht an dieser Stelle anders.
Der Zukunft zugewandt zeigt sich der Franzose aber mit seinem aufrecht stehenden 8,7 Zoll großen Touchscreen. Über ihn lässt sich alles steuern: vom Navi über das Radio bis hin zur Klimaautomatik und den Massagesitzen in der ersten Reihe. Warum die Ausgangsansicht allerdings immer eine Uhr ist und nicht die App-ähnliche Kacheloptik, warum Menüs nur in den Schritten, in denen man sie aufgerufen hat, wieder verlassen werden können und warum ständig über das Anfangsmenü in die gewünschte Ebene getoucht werden muss, erschließt sich nicht. Das kostet Zeit und lenkt vom Fahren ab. Wenigstens der Aufruf des Parkassistenten erfolgt über einen separaten Knopf unterhalb des Displays. Das ist pfiffig, denn für 550 Euro extra kann der Franzose sich wirklich in jede Parklücke schieben. Egal, ob sie parallel, quer oder schräg zur Fahrbahn angeordnet ist. Und weil das so gut klappt, lenkt die Elektronik den Wagen auf Wunsch auch wieder auf die Straße.
Mehr Spontanität wäre schön
Bei derartigem Können wundert es dann schon, dass Renault das teilautonome Fahren, das besonders im Stop-and-go-Verkehr hilfreich ist, in einen Arbeitsbereich gepackt hat, der bei 50 km/h beginnt und bei 140 km/h endet. Die für diese Option extra aufzuwendenden 550 Euro kann man sich getrost sparen, denn Staufahrten bleiben so Sache des Fahrers. Das ist auch gar kein Problem, denn der stärkste Diesel im Programm schöpft seine 160 PS aus einem Vierzylinder mit 1598 Kubikmetern Hubraum. Ein präzise und sanft arbeitendes Doppelkupplungsgetriebe sorgt über sechs Schaltstufen dafür, dass ein maximales Drehmoment von 380 Newtonmetern an die Vorderräder geleitet werden. Leider lässt sich diese Kraft beim Anfahren nur schlecht dosieren. Selbst bei federleichtem Fuß ruckt der 1,6 Tonnen schwere Franzose ruppig an, sprintet dann aber in 9,6 Sekunden auf Landstraßentempo. Aus flottem Lauf verweigert er allerdings die spontane Gasannahme. An dieser Stelle zieht er sich spürbar in sein Turboloch zurück, aus dem er auch bei druckvoller Aufforderung nur behäbig herausklettert.
Daran ändert sich auch kaum etwas, wenn die Fahrmodi auf Sport getastet werden. Zwar fällt der Zeiger des Drehzahlmessers jetzt nicht mehr unter die 2000, wobei der Motor aber selbst bei spontaner Gaszufuhr nur mäßig behände bis 4000 Umdrehungen ausdreht, um dann den nächsthöheren Gang einzulegen. Sportgefühle werden hier nicht wach. Zumal auch der versprochene Sound eher einem Grummeln denn dynamischer Wucht entspricht. Beim smoothen Cruisen spielt das natürlich keine Rolle. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 213 km/h - die sich mit viel Anlauf auch erreichen lässt - fährt der Franzose zwischen Tempo 150 und 180 am besten und zudem flüsterleise. Beim Verbrauch schießt er sich im Drittelmix auf knapp 7,0 Liter ein, was an dieser Stelle in Ordnung geht. Leider fasst der Tank beim Talisman nur 52 Liter, mit Allradlenkung sind es lediglich 47 Liter. Das hat zur Folge, dass der Testwagen bei vermehrten Stadt-und Autobahnfahrten bereits nach 539 Kilometern zwingend an die Zapfsäule musste, was wiederum einem Verbrauch von 8,2 Litern über 100 Kilometer entspricht. Vielfahrer könnte diese Distanz abschrecken, zumal die Konkurrenz mit Tankvolumen von 62 bis 70 Liter deutlich mehr Strecke zu bieten hat.
Adaptives Fahrwerk überzeugt nicht
Auch das adaptive Fahrwerk überzeugt im Talisman Grandtour nicht auf ganzer Linie. Viel zu weich schaukelt es die Insassen in der Komfortstellung auf Landstraßen und bleibt in der Normalstellung indifferent. In der Sporteinstellung wird es dann fühlbar straffer und gestattet es, den Franzosen auch mal etwas schneller ums Eck zu zwingen. Dafür sind die Rückstellkräfte der Lenkung jetzt so eingestellt, dass der Fahrer das Gefühl hat, mit viel zu viel Kraft ein virtuelles Gummiband in die Gegenrichtung ziehen zu müssen. Von der vielversprechenden Allradlenkung spürt man bei der Kurvenhatz dabei leider nur sehr wenig. Sie verhilft dem Langhans aber im urbanen Verkehr zu durchaus mehr Wendigkeit.
Bleibt noch der Blick in den Fond und in den Kofferraum. Mit einem Fassungsvermögen von 572 Litern reiht sich der Talisman am oberen Ende der Mittelklassekombis ein. Wird die Rücklehne über den Zug im Kofferraum umgelegt, sind es sogar 1681 Liter. Beladen wird der Kombi über die wohl niedrigste Ladekante des Segments und eine sich durch einen Kick unter den Stoßfänger öffnende, weit aufschwingende Heckklappe. Ein Umstand, der nicht nur die Fahrt zum Supermarkt zu einem Kinderspiel, sondern auch kleinere Möbeltransporte möglich macht. Dafür spricht auch die maximale Zuladung von 575 Kilogramm. Leider muss sperriges Gut über eine Stufe gehoben werden, die an der Schnittstelle zwischen Sitzlehne und Kofferraum entsteht. Wenig geräumig geht es trotz eines Radstandes von 2,80 Metern in der zweiten Sitzreihe zu. Erwachsene möchten hier nicht viel Zeit zubringen, denn Knie- und Kopffreiheit sind nicht gerade üppig bemessen. Kinder zeigen hingegen auch auf längeren Strecken keine Anzeichen von Unmut im Fond.
Fazit: Der Renault Talisman Grandtour ist ein Kombi mit einem Ausstattungspotpourri, das in dieser Klasse mehr als ordentlich ist. Leider kann er in Abstimmung und Sinnfälligkeit der Bedienung dieses Angebot nicht zur vollen Zufriedenheit umsetzen. Hinzu kommen ein kleiner Tank und der recht üppige Verbrauch für einen Diesel. Wer sich allerdings mit den Eigenarten des Franzosen arrangieren kann, der bekommt für insgesamt 44.190 Euro ein bildschönes Auto, das auf jeden Fall die Blicke auf sich zieht.
DATENBLATT Renault Talisman dCi 160 EDC
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,87/ 1,87/ 1,47 m
Radstand 2,81 m
Leergewicht (DIN) 1614 kg
Sitzplätze 5
Ladevolumen 572 / 1681 Liter
Motor Vierzylinder-Diesel mit 1598 ccm Hubraum
Getriebe 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Systemleistung 118 kW / 160 PS bei 4000 U/min
Kraftstoffart Diesel
Antrieb Frontantrieb
Höchstgeschwindigkeit 213 km/h
Tankvolumen 47 Liter
max. Drehmoment 380 Nm / bei 1750 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 9,6 Sekunden
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) 5,1 / 4,3 / 4,6 l
Testverbrauch 6,9 l
Effizienzklasse A / EU6
Grundpreis 42.000 Euro
Preis des Testwagens 44.190 Euro
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