Gute 20 Minuten beliebt er zu scherzen, verliert sich in seinem Vortrag manchmal im Nirgendwo, bleibt mitunter so wolkig, dass die meisten im Saal sich argumentativ irgendwie abgeholt fühlen, ohne zu wissen, wo genau das war. Aber sein Publikum hat er schon nach wenigen Minuten in seinen Bann gezogen. Kaum jemand vermag mehr Begeisterung zu wecken als ein gefallener Hoffnungsträger, der sich lange rar gemacht hat. Höchstens der, der sich schuldbewusst, geläutert, gar gereift zeigt. Und auf dieser Klaviatur spielt Guttenberg, der sich nach seinem Rücktritt 2011 noch kaum einsichtig gezeigt hatte, am Freitag ungewohnt virtuos.
„Die Kritik war mehr als berechtigt“
Ja, sein Sturz sei „abgründig selbst verschuldet“ gewesen und „von eigener Hybris“ verursacht, sagt der 44-Jährige. Und ja, er habe lange gebraucht, um seine Eitelkeit nach seinem Sturz zu überwinden, sagt Guttenberg dann. „Ich sah ein Land der maßlosen Kritiker und der Selbstgerechtigkeit, aber ich schämte mich auch und hatte plötzlich Angst, auch vor mir selbst. Heute weiß ich: Die Kritik war mehr als berechtigt.“ Das sind starke Worte eines stets Selbstbewussten; vielleicht sogar die Demut, die sich mancher seiner Anhänger schon damals, in Guttenbergs altem Leben, von ihm gewünscht hätte.
Seit seinem Rücktritt als Verteidigungsminister wegen der Plagiatsaffäre vor fünfeinhalb Jahren tourt er als Privatmann, vor allem aber als elder statesman vorrangig durch die Vereinigten Staaten. In New York hat er vor einiger Zeit eine Investment- und Beratungsgesellschaft mit dem Schwerpunkt neue Technologien gegründet.
Seehofer will Guttenberg statt Söder
Seit Oktober 2015 ist Guttenberg auch Mitglied im „Kompetenzteam“ des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), der ihn nur zu gern wieder nach Bayern locken würde - um sich in seinem wieder erstrahlenden Glanz zu sonnen, vor allem aber, um Markus Söder als neuen starken Mann in der CSU zu verhindern, wie Kritiker spötteln. Doch das komme derzeit nicht infrage, sagt Guttenberg – zu gut gehe es ihm in seinem neuen Leben, fernab von alten Wunden und den parteipolitischen deutschen Nickeligkeiten. „Meine Scham wird fortdauernd, die Angst ist gewichen. Sonst stünde ich heute nicht hier.“
Mit konkreten Einwürfen, gar Angriffen auf deutsche Politiker hält sich Guttenberg zurück. Stattdessen referiert er die „internationale Machtverschiebung in der amerikanischen Außenpolitik“, spricht vom „transatlantischen Kraftfeld“, das sich in Richtung Osten verschoben habe und kritisiert den republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump, der den politischen Skandal „entwertet“ habe, indem er ihn inflationär zelebriere.
„Irgendwann komme ich zurück“
„Was war das doch noch für eine Zeit, als man wegen Abschreibens noch sauber aus dem Amt gejagt wurde“, sagt er dann – wieder so eine Koketterie, die das Publikum mit großer Heiterkeit goutiert. Zu Merkels Flüchtlingspolitik kein Wort, höchstens der Einwurf, als Rezept gegen Populismus sei Selbstkritik nicht die schlechteste Lösung. Oder „vertraut ist mir die unerbittliche Routine des Regierungsbetriebs“ und „Unordnungsmanagement statt Ordnungspolitik ist die Regel“ - auch das so Guttenberg-Sätze, die dem Publikum vielleicht die gelassene Weltläufigkeit seines neuen Lebens zeigen sollen. Ich bin mit mir und meiner neuen Rolle im Reinen, so die unterschwellige Botschaft. Wenn Ihr es auch wieder seid, umso besser.
Kurz nach seinem Auftritt muss Guttenberg Autogramme geben wie zu den Zeiten, als er manchem schon als nächster Kanzler galt. Als er später in einem nahen Restaurant zu Mittag isst, stehen einige Schlange, um ihm die Hand zu geben und zu gratulieren - ob zu seiner bloßen Anwesenheit oder seinem Auftritt, vielleicht auch zu beidem.
Als zu Guttenberg ein paar Minuten davor noch auf dem Podium steht, meldet sich ein älterer Herr, er hat etwas Dringendes loszuwerden. „Lassen Sie uns doch Ihre Doktorarbeit in die Tonne treten“, sagt er. „Und Sie kommen einfach wieder zurück in die deutsche Politik.“ Guttenberg lächelt, das Kompliment schmeichelt ihm. „Ich bin gerne ein Gast in Deutschland“, sagt er und schmunzelt. Dann schiebt er hinterher: „Irgendwann komme ich zurück.“
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