Denn auf dem Schlachtfeld häufen sich die Rückschläge, vor allem weil sich Assads Bodentruppen als ausgelaugt und demotiviert erweisen. "50 Zentimeter" sei man an der Front bei Hama vorangekommen, spottete ein syrischer Kommandeur. Stattdessen häufen sich im Internet Videos von brennenden russischen Panzern, abgeschossen mit frisch von Saudi-Arabien gelieferten mobilen amerikanischen TOW-Lenkraketen. Auf der Website The Daily Beast brüstete sich ein Rebellenchef, man habe innerhalb von 24 Stunden 23 russische Panzer zerstört.
Im Funkverkehr des Regimes, den Aufständische mithören konnten, hagelte es Vorwürfe eines russischen Generals an seinen syrischen Kommandeurkollegen. Dessen Armee sei schwach und unfähig, erobertes Gelände zu halten, polterte der Russe, der bald noch ganz andere Probleme bekommen könnte. Denn im November sollen offenbar einige Rebellengruppen erstmals auch Boden-Luft-Raketen erhalten, mit denen sich die bisher unerreichbaren russischen Kampfjets und Hubschrauber vom Himmel holen lassen.
Rückeroberung von Aleppo gescheitert
Auf dem Boden ist derweil der Versuch von Assads Generälen, die Handelsmetropole Aleppo mit russischer Luftunterstützung zurückzuerobern, bereits gescheitert. Stattdessen wurden weitere 120.000 Menschen aus der schwer zerstörten Stadt in die Flucht getrieben und ein halbes Dutzend Krankenhäuser zerstört. Zudem gelang es dem "Islamischen Staat", im Schatten der russischen Angriffswellen auf alle anderen Rebellengruppen, die wichtigste Nachschubroute der Assad-Armee nach Aleppo zu erobern und zu kappen. Nach Informationen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte stehen die IS-Kommandos jetzt vor den Toren der Militärbasis in Safireh, wo große Menge an Waffen lagern. Gleichzeitig rückten Kämpfer der Freien Syrischen Armee in Richtung Latakia und damit auf das Kernland der Assad-Sippe vor.
Entsprechend wächst das Risiko für Putin, dass er die bröckelnde Regime-Front bald mit eigenen Bodentruppen stabilisieren muss – eine Eskalation mit schwer kalkulierbaren Folgen. Mehrere Dutzend Elitesoldaten, die ähnlich wie die US-Antiterroreinheit Delta Force operieren, wurden angeblich bereits kürzlich aus der Ost-Ukraine nach Syrien verlegt. Sie seien in ukrainischen Gebieten eingesetzt gewesen, die von prorussischen Rebellen kontrolliert werden, zitierte das Wall Street Journal einen ungenannten Beamten des Verteidigungsministeriums – eine Präsenz, die Moskau bisher abgestritten hat.
Aber auch beim Iran, dem zweiten Assad-Verbündeten, wächst die Nervosität. Im Lagezentrum von Latakia sei es zwischen iranischen und syrischen Offizieren zu lautstarken Auseinandersetzungen gekommen, erfuhren die Rebellen über Mittelsmänner. Im iranischen Internet artikuliert sich erstmals offen Kritik am Bodeneinsatz in Syrien, nachdem im Oktober mehr als ein Dutzend Gefallene zu Grabe getragen werden mussten – zwei Generäle, zwei Offiziere und zehn Mitglieder der Revolutionären Garden, darunter ein früherer Leibwächter von Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad. "Unsere Präsenz ist gewachsen", reagierte Anfang der Woche der Vizekommandeur der Garden, Hossein Salami, im Staatsfernsehen. Die eigenen Verluste seien nicht hoch, versuchte er zu beruhigen. "Aber sie sind sichtbarer als in früheren Zeiten."
Kriegsherr Wladimir Putin intoniert derweil gedämpften Zweckoptimismus. "Mit unserer Unterstützung macht die syrische Armee Fortschritte", versicherte er. "Bisher sind die Erfolge bescheiden, aber es werden mehr werden – da bin ich sicher."
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