Regierung und Farc-Rebellen müssen nachverhandeln

  03 Oktober 2016    Gelesen: 468
Regierung und Farc-Rebellen müssen nachverhandeln
Trotz der Ablehnung des Friedensvertrags wollen sich der kolumbianische Präsident und die marxistische Farc-Guerilla weiter um Frieden bemühen. Allerdings ist höchst fraglich, wie die 7000 Aufständischen nun entwaffnet werden sollen.
Ungeachtet der knappen Ablehnung des historischen Friedensvertrages beim Referendum vom Sonntag haben der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos und die Führung der marxistischen Farc-Guerilla ihren Willen zum Frieden bekräftigt. Santos wandte sich noch in der Nacht zum Montag in einer kurzen Fernsehansprache an das kolumbianische Volk und versicherte: „Ich gebe nicht auf. Ich werde mich bis zum letzten Tag meiner Amtszeit um den Frieden bemühen.“ Er werde seine Unterhändler noch an diesem Montag nach Havanna schicken, wo die maßgeblich von Kuba und Norwegen vermittelten Friedensgespräche von November 2012 an stattgefunden hatten. Auch mit den Gegnern des Abkommens im Land werde er Gespräche aufnehmen, sagte der von dem Ergebnis des Referendums sichtlich schockierte Santos.

Auch die Führung der Farc zeigte sich von dem Abstimmungsergebnis enttäuscht. Eine Rückkehr zum bewaffneten Kampf schlossen die Rebellen aus. „Die Farc halten an ihrer Bereitschaft zum Frieden fest und unterstreichen ihren Willen, nur noch Worte als Waffen zum Aufbau der Zukunft zu nutzen“, sagte Farc-Kommandeur Rodrigo Londoño in Havanna. Londoño, der unter dem Kriegsnamen Timochenko bekannt ist, fuhr fort: „Dem kolumbianischen Volk, das vom Frieden träumt, sage ich: Ihr könnt auf uns zählen, der Frieden wird siegen.“

Bei der Volksabstimmung vom Sonntag stimmten 50,21 Prozent der Wähler gegen den knapp 300 Seiten langen komplexen Friedensvertrag, 49,78 Prozent votiertem mit Ja. Alle Umfragen waren zuvor von einer deutlichen Bestätigung des Abkommens ausgegangen. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 37,43 Prozent. Bei teilweise starken Regenfällen und Sturmböen durch die Ausläufer des Hurrikans „Matthew“ gingen am Sonntag noch weniger Menschen in die Wahllokale als bei Abstimmungen in Kolumbien üblich. An der Karibik-Küste im Nordwesten des Landes öffneten Wahllokale erst später als geplant oder blieben ganz geschlossen.

„Alle wollen Frieden, keiner will Gewalt“

Das Ergebnis der Abstimmung unterstreicht die tiefe innere Gespaltenheit des Landes nach 52 Jahren Bürgerkrieg. Die Gegner des Vertrags jubelten, als sich das Nein abzeichnete. Befürworter des Abkommen hingegen brachen in der Hauptstadt Bogotá in Tränen aus. Während in Bogotá und in anderen Großstädten sowie im Südwesten des Landes und an der Küste die Befürworter des Friedensvertrages deutlich in der Mehrheit waren, sprachen sich in der Metropole Medellín, im wirtschaftsstarken Departamento Antioquia sowie in ländlichen Gebieten in Zentralkolumbien rund 60 Prozent der Wähler gegen das Abkommen aus. Medellín und Antioquia sind Hochburgen des früheren Präsidenten Álvaro Uribe, der das Lager der Gegner des Vertrages angeführt hatte. Uribe zeigte sich trotz seines politischen Triumphs versöhnlich und gesprächsbereit. „Alle wollen Frieden, keiner will Gewalt“, sagte Uribe in einer kurzen Fernsehansprache in der Nacht zum Montag. Mit seiner konservativen Partei „Centro Democrático“ wolle er zu einem „nationalen Pakt für den Frieden“ beitragen.

Uribe hatte vor dem Referendum seinen Amtsnachfolger Santos heftig dafür kritisiert, dass dieser den Farc in den Verhandlungen zu viele Zugeständnisse gemacht und mit einer Angstkampagne für die Annahme des schlechten Vertrages geworben habe. Santos hatte vor der Abstimmung vom Sonntag gewarnt, es gebe „keinen Plan B“ und eine Ablehnung des Vertrags bedeute „eine Rückkehr zum Krieg“. Uribe hatte argumentiert, auch er und seine Partei seien für den Frieden, aber nicht um den Preis einer faktischen Amnestie für die von den Farc begangenen Verbrechen und deren Sonderbehandlung beim Übergang zu einer politischen Partei. Der Vertrag hatte eine Sondergerichtsbarkeit für Kommandeure und Kämpfer der Farc mit milden Strafen für „politisch motivierte Verbrechen“ vorgesehen sowie der politischen Nachfolgeorganisation der Guerilla nach den Parlamentswahlen von 2018 jeweils fünf Sitze in beiden Kammern des Kongresses garantiert.

Ein Spiegelbild der Unzufriedenheit mit Santos` Amtsführung
Uribes Vater war Viehzüchter und wurde 1983 bei einem Entführungsversuch von den Farc ermordet. Uribe, der von 2002 bis 2010 das Präsidentenamt bekleidete, vertritt das nach wie vor einflussreiche konservative Lager der Landbesitzer. Santos, Spross einer Verlegerfamilie, repräsentiert maßgeblich die liberale städtische Bürgerschicht. Das Ergebnis des Referendums vom Sonntag ist auch Ausdruck der verbreiteten Unzufriedenheit mit Santos` Amtsführung, mit der nach jüngsten Umfragen nur noch ein gutes Fünftel der Kolumbianer zufrieden war.

Trotz der Ablehnung des Friedensvertrages bleibt der bilaterale Waffenstillstand in Kraft. Das Referendum ist für den Präsidenten bindend, der nun nicht wie beabsichtigt den am 26. September unter großer internationaler Anteilnahme mit Timochenko unterzeichneten Vertrag durchsetzen kann. Es gilt als wenig wahrscheinlich, dass der Kongress gegen den Willen der Wähler den Friedensvertrag in der vorliegenden Form ratifizieren wird. Fraglich ist, ob es nun wie geplant zu der Entwaffnung der knapp 7000 Aufständischen innerhalb von sechs Monaten kommt. Auch die geplante Mission der UN zur Überwachung der Demobilisierung und Entwaffnung der Farc kann vorerst nicht entsendet werden. Die Vereinigten Staaten hatten 450 Millionen Dollar zugesagt, um den Übergang der Farc-Kämpfer ins zivile Leben sowie Entschädigungszahlungen für die Opfer des Krieges mitzufinanzieren.

Neben den UN hatten alle Länder Lateinamerikas, die EU und auch der Vatikan den Friedensvertrag unterstützt. In dem längsten Bürgerkrieg Lateinamerikas starben nach offiziellen Angaben mindestens 220.000 Menschen, rund sieben Millionen Kolumbianer wurden vertrieben. Nach Angaben der Regierung würde ein Ende des Krieges dem öl- und kohlereichen Land einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung von zusätzlich ein bis drei Prozent pro Jahr garantieren.


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