EU kassiert Sanktionsdrohung wieder ein

  21 Oktober 2016    Gelesen: 630
EU kassiert Sanktionsdrohung wieder ein
Vor dem Gipfel verschärfen die Staats- und Regierungschefs der EU plötzlich ihren Ton nicht nur gegen das syrische Regime, sondern auch gegen dessen Helfer. Von Sanktionen ist die Rede. Doch am Ende wiegt die Angst, Moskau vor den Kopf zu stoßen, schwerer.
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich trotz der wochenlangen Luftangriffe auf die syrische Stadt Aleppo nicht auf eine konkrete Sanktionsandrohung gegen Russland einigen können. In einer Abschlusserklärung des EU-Gipfels in Brüssel heißt es lediglich, bei einer Fortsetzung der "Gräueltaten" ziehe die EU "alle verfügbaren Optionen" in Betracht. Im Entwurf war noch ausdrücklich mit "Sanktionen" gegen alle Unterstützer der syrischen Regierung gedroht worden.

"Der Europäische Rat verurteilt die Angriffe auf Zivilisten durch das syrische Regime und seine Verbündeten, einschließlich Russland, scharf", heißt es in den in der Nacht beschlossenen Gipfelschlussfolgerungen. "Er fordert sie auf, die Gräueltaten zu beenden und dringende Schritte zu unternehmen, um ungehinderten humanitären Zugang zu Aleppo und anderen Teilen des Landes sicherzustellen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Ende des ersten Gipfeltages mit Blick auf die dramatische Lage in Aleppo, die EU könne die "menschenverachtenden Bombardierungen nicht akzeptieren". Bei einer Fortsetzung der Luftangriffe werde die EU "alle verfügbaren Maßnahmen ins Auge fassen".

Auf eine Frage nach der Schwelle für Sanktionen sagte Merkel, wenn "die Intensität der jetzigen Bombardierungen" anhalte, sei dies "schon ein Grund, sich zu überlegen, was tun wir jetzt".

EU zieht "alle Optionen in Betracht"

In der Syrien-Krise hatte die EU den Ton gegen Russland kurz vor dem Gipfel verschärft: In einem letzten Entwurf für die Gipfelerklärung, der am Donnerstagvormittag bekannt wurde, hieß es wörtlich: "Die EU zieht alle Optionen in Betracht, einschließlich Sanktionen gegen Personen oder Organisationen, die das (syrische) Regime unterstützen, sollten die Gräueltaten andauern."

Nach hartem Ringen auf dem EU-Gipfel wurde der konkrete Verweis auf Sanktionen aber gestrichen. Laut Diplomaten hatten insbesondere Italien, Griechenland und Ungarn dagegen Front gemacht. "Beim Thema Syrien sind wir alle sehr besorgt", sagte der italienische Regierungschef Matteo Renzi. "Aber ich glaube, es würde nichts bringen, hier einen Verweis auf Sanktionen einzufügen."

Renzi hatte sich bereits in der Vergangenheit gegen eine harte Haltung gegenüber Moskau ausgesprochen. Merkel sagte nun, innerhalb der EU müssten "Kompromisse" geschlossen werden, damit Europa eine "Kraft" sei. Die Diskussionen in Brüssel hätten in einem "Spannungsfeld" stattgefunden: Es gebe einerseits den Wunsch nach einer "guten Zusammenarbeit" mit Russland, und andererseits die Erkenntnis, dass Moskau vor allem den eigenen Einflussbereich ausdehnen wolle.

Feuerpause verlängert

Die syrischen und russischen Luftangriffe auf Aleppo haben international Entsetzen und Empörung ausgelöst. Nach Angaben von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wurden seit Beginn der Offensive auf die nordsyrische Stadt fast 500 Menschen getötet und rund 2000 verletzt. Seit Anfang Juli habe kein Hilfskonvoi der UNO mehr die Stadt erreicht, Essensrationen würden bis Ende des Monats ausgehen, warnte Ban am Donnerstag vor der UN-Generalversammlung.

Moskau verkündete Anfang der Woche überraschend eine eintägige Waffenruhe, die am Donnerstagmorgen in Kraft trat. UN-Angaben zufolge hat sich Russland verpflichtet, die Feuerpause bis Samstag einzuhalten. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte hingegen, Moskau habe beschlossen, die Feuerpause um 24 Stunden auszuweiten.

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