Nur das Pantheon hat keine Risse

  02 November 2016    Gelesen: 768
Nur das Pantheon hat keine Risse
Die Erdbeben in Italien haben viele historische Bauwerke beschädigt. Auch die Hauptstadt in Rom leidet. Dort kommt es zu kleineren Nachbeben.
Noch sind nicht alle Schäden aufgenommen. Aber es werden fast 300 Kirchen und Paläste gezählt, die seit der vergangenen Woche bei den Beben in Mittelitalien in Mitleidenschaft gezogen wurden. Dazu gehört der Dom von Orvieto, in dem allerdings nur Mörtel von der Decke fiel, und die mittelalterliche Burg von Giove bei Terni. Das bekannteste getroffene Bauwerk ist bis auf die frühgotische Fassade vollkommen zerstört: die Basilika San Benedetto, die über dem Geburtshaus von Benedikt von Nursia (Norcia) stehen soll, der dort 480 nach Christus geboren und Gründer der auf der ganzen Welt verbreiteten benediktinischen Ordensgemeinschaft wurde.

Feuerwehrleute mussten am Montag in der Nähe dieser Kirche Nonnen aus ihrer Klausur befreien, nachdem die Tür zu ihrem Zellentrakt zusammengebrochen und eine Wand eingestürzt war. Mittlerweile durchzieht ein langer Spalt den Platz vor der zerstörten Kirche San Benedetto und dem Rathaus von Norcia. Geologen errechneten, dass sich der Erdsockel der Stadt um 70 Zentimeter senkte. Auch droht die weniger bekannte Kirche Santa Maria della Grazie in Norcias Stadtteil Monte di Campi einzustürzen. Diese Kirche entstand erst im 17. Jahrhundert, aber sie steht auf älteren frühmittelalterlichen bis frühgotischen Mauern. Schwer beschädigt ist Santa Maria in Pantano, eine 1000 Jahre alte umbrische Wehrkirche an der Via Flaminia.

Vor allem Bauten dieser frühen Perioden seien vom Erdbeben betroffen, stellt der Kunsthistoriker Fabio Isman fest. Was mit der Zerstörung von Amatrice auf dem Apennin Ende August begann, als dort die aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammende Kirche San Francesco zu Boden ging, setze sich nun in den mittelitalienischen Regionen zwischen den Marken und Umbrien fort, der Heimat der italienischen Heiligen.

Hier sind Benedikt von Nursia zu Hause und Franziskus von Assisi. Auch der weniger bekannte Heilige Eutizio stammt aus Umbrien. Eines der ältesten Klöster der Region, die auf das fünfte Jahrhundert und den syrischen Eremiten San Spes zurückgehende Eutizio-Abtei bei Preci am Berg Monte Moricone, trug schwere Schäden davon. Zum Glück seien nicht die großen Kunstwerke von Perugino und Raffael oder Lorenzo Lotto betroffen, die alle aus dieser Gegend stammen, wohl aber Bilder ihrer Lehrer oder Schüler wie zum Beispiel das Werk von Giovanni Battista Crescenzi.

„Die Beben treffen das Herz des zwar weniger bekannten Italiens“, sagt Fabio Isman. „Doch in den Höhen des Apennin waren bisher noch viele der Ursprünge des mönchischen Lebens und ihrer Kunst bewahrt. Sie sind nun bedroht und könnten restlos verschwinden.“

Das gilt auch für Jesi in den Marken, wo im Jahr 1192 auf dem Marktplatz der künftige Kaiser Friedrich von Hohenstaufen geboren wurde. Dort ist das Dach von San Giuseppe vom Einsturz bedroht, ähnlich wie im umbrischen Calvi die Fassade von Santa Maria Maddalena sowie der mittelalterliche Kirchturm von Bagnoregio bei Viterbo.

Seit über 100 Jahren produziert das italienische Traditionsunternehmen edle Stoffe: Mit "Pelle Tessuta" wird diese Erfahrung im Weben auf Leder übertragen. Mehr...
Im Gegensatz zu Ismans Gefahrenanalyse versichert die Staatssekretärin im Ministerium für Kulturgüter, Antonia Pasqua Recchia, Italien werde „jedes Fresko wieder erneuern und jedes Bild, dem die Zerstörung droht, unverzüglich provisorisch schützen“. Dem „Messaggero“ sagte sie, so wie der Staat nach dem verheerenden Erdbeben von 1997 alle Schäden in der Basilika des heiligen Franziskus in Assisi wieder hergestellt habe, so werde Rom auch jetzt verfahren: „Wir werden Fragment für Fragment auf den Wänden und den Gemälden instand setzen und auf diese Weise den vom Erdbeben betroffenen Orten ihr Leben zurückgeben.“

Viele Schäden werden erst spät sichtbar

Dafür wird die Architektin tief in die Kassen des verschuldeten Landes greifen müssen. Denn noch sind nicht einmal alle Schäden ausgemacht. Noch verbieten es Sicherheitskräfte vielerorts, in die einsturzgefährdeten Bauten vorzudringen. Man werde darum auch mit Drohnen über den gefährdeten Bauten eine erste Bestandsaufnahme vornehmen und notfalls kleine Roboter in die eingestürzten Gebäude schicken, sagt die Staatssekretärin.

Unterdessen macht sich über die getroffenen Gebiete hinaus Unsicherheit breit. In Rom zum Beispiel waren die Beben im August wohl zu spüren, aber erst in den letzten Tagen kam es auch in der italienischen Hauptstadt zu Schäden an bedeutenden Bauwerken. Am ohnedies schon wegen Baumaßnahmen eingerüsteten Turm der barocken Kirche Sant’Ivo alla Sapienza von Francesco Borromini in der Altstadt entdeckte man neue Risse. In der benachbarten Basilika di Sant’Eustachio, die auf das neunte Jahrhundert zurückgeht, dürfen fürs Erste nur in einer Seitenkapelle Gottesdienste stattfinden. Geschlossen ist die barocke Kirche San Francesco di Paola dei Calabresi im Monti-Viertel beim Kolosseum. Die historische Brücke Ponte Mazzini über den Tiber bei Trastevere wurde vorübergehend gesperrt. Auch die Papst-Basilika Sankt Paul vor den Mauern wird auf mögliche Schäden untersucht. Sicherheitskräfte vor dem Pantheon aber versichern, den alten römischen Bauten könne kein Erdbeben etwas anhaben. „Im Pantheon gibt es keinen Riss.“


Tags:


Newsticker