In den USA, wo "Dieselgate" im September 2015 ins Rollen kam, drehte sich die Affäre bislang vor allem um etwa 475.000 VW-Dieselfahrzeuge mit 2,0-Liter-Motoren. Um den Abgas-Rechtsstreit beizulegen, handelte VW mit US-Klägern den bis dato größten Vergleich der Automobilgeschichte aus: Bis zu 14,7 Milliarden Dollar sollen Kunden und US-Behörden erhalten, weitere 1,8 Milliarden Dollar nimmt der Konzern zur Entschädigung von Autohändlern und US-Bundesstaaten in die Hand. Doch eine Großbaustelle bleibt offen.
Audi um Schadensbegrenzung bemüht
Den Behörden zufolge haben auch rund 85.000 größere Dieselautos eine verbotene Abgastechnik an Bord. Hier stammen die 3,0-Liter-Motoren von der Konzerntochter Audi, die sich deshalb um die Schadensbegrenzung kümmern muss. Auch in diesem Fall läuft alles auf einen teuren Vergleich hinaus. Doch zumindest kommt man einer Einigung näher. Es gebe "erhebliche Fortschritte", sagte Richter Breyer. Er sei "sehr optimistisch", dass rasch eine Lösung gefunden werde, wie die Fahrzeuge in einen legalen Zustand umgerüstet oder aus dem Verkehr gezogen werden können. Aber warum braucht Audi dann so lange?
Die Vorwürfe gegen die Ingolstädter VW-Tochter waren erst später aufgekommen, deshalb hatte Breyer mehr Zeit für eine Einigung zugestanden. Zudem ist der Fall etwas anders gelagert - obgleich die US-Behörden sowohl VW als auch Audi den Einsatz einer illegalen Abschalteinrichtung ("defeat device") zum Austricksen von Emissionstests vorwerfen, sind die Programme nicht identisch. Audi wies die Anschuldigungen zunächst zurück und machte ein Versäumnis beim Zulassungsverfahren für den Konflikt verantwortlich. Betrugsabsichten streitet man ab. Dem allerdings widerspricht der Umstand, dass nach Untersuchungen der US-Kanzlei Jones Day der inzwischen vom Dienst freigestellte Entwicklungschef Dieter Knirsch von Software-Manipulationen wusste.
Mit der Geduld am Ende
VW-Anwalt Robert Giuffra zieht sich hier auf den Umstand zurück, dass das Thema technisch hochkomplex ist. Eine Umrüstung aller der Zehntausenden Dieselwagen scheint unmöglich, monatelanges Getüftel der Audi-Ingenieure war bisher vergeblich. Breyers Geduld neigt sich langsam dem Ende zu. Dass die Autos noch unterwegs seien, obwohl sie gegen US-Umweltrecht verstießen, bezeichnete der Richter bereits im August als "untragbar". Bei Audi zeigte man sich zuletzt zuversichtlich, doch noch eine überzeugende Lösung liefern zu können.
Mittlerweile geht es bei den Verhandlungen vor allem um die Frage, wie viele der größeren Fahrzeuge mit 3,0-Liter-Motoren - teure Dickschiffe wie Porsche Cayenne und VW Touareg, vor allem aber etliche Audi-Luxusmodelle - zurückgekauft werden müssen. "Man muss sich auf eine Größenordnung von zwei bis vier Milliarden Dollar einstellen", schätzt der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Er orientiert sich bei seiner Rechnung am bereits geschlossenen Vergleich für die kleineren VW-Fahrzeuge. Audis Rückstellungen sind bislang deutlich geringer. Doch letztlich würden die Kosten ohnehin bei der Volkswagen AG auflaufen und deren Aktionären zur Last fallen.
Sind Audi Q5 und Touareg in Gefahr?
Allerdings wurde gerade eine Fahrveranstaltung für Journalisten für das neue Dickschiff in den USA abgesagt. Einem offiziellen Audi-Schreiben zufolge scheitert die Präsentation an "ungelösten Fragen bei den Zulassungsbestimmungen für unsere Vorserien-Testfahrzeuge in den USA – Fragen, die sich ungeachtet anderer Vorzeichen mit den zuständigen Stellen nicht final klären ließen". Auf Nachfrage in Ingolstadt betont ein Pressesprecher gegenüber n-tv.de, dass das alles nichts mit dem Dieselskandal zu tun habe. Auch die Produktion, die im Dezember starten soll ist nicht gefährdet, sagte er.
Gut wäre ein Verzug in der Produktion für den Konzern in keinem Fall, denn auch beim Nachfolger des Touareg soll es Probleme geben, wie die "Bilanz" in ihrer November-Ausgabe berichtet. Hier soll die neue Führungsstruktur von VW-Markenchef Herbert Diess auf internen Widerstand stoßen. Viele Ingenieure aus der Technischen Entwicklung boykottieren die neue Organisation der Fahrzeugentwicklung in insgesamt vier Baureihen mit jeweils eigener Leitung. Wenn der Konflikt eskaliert, könnte sich die Neuauflage des Touareg verzögern. Wie der Q5 soll der große Geländewagen im nächsten Jahr auf den Markt kommen. Beteiligte beklagen, dass man bereits mehrere Monate in Verzug geraten sei.
Selbst beim Volumenmodell Tiguan soll es Probleme geben, berichtet "Bilanz". Zwar läge VW mit dem Produktionsstart im Zeitplan, aber es sollen zwischenzeitlich entwicklungsbedingte Qualitätsmängel aufgetreten sein, die aufwendige und teure Nacharbeiten in der Fertigung erforderlich machten, berichtet das Blatt. Das Unternehmen winkt unterdessen ab: Die aktuelle Produktion laufe planmäßig, heißt es.
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