Trump hat ein Problem, Obama auch

  11 November 2016    Gelesen: 760
Trump hat ein Problem, Obama auch
Der künftige US-Präsident Trump steckt im Dilemma: Verzichtet er darauf, Hillary Clinton ins Gefängnis zu bringen, bricht er ein Wahlversprechen. Klagt er sie an, spaltet er die USA noch stärker. Barack Obama könnte ihm helfen.
Unter den zentralen Versprechen aus dem Wahlkampf von Donald Trump gab es eine, die bei seinen Auftritten stets für Stimmung sorgte: seine Konkurrentin Hillary Clinton ins Gefängnis zu bringen.

"Sperrt sie ein!" wurde im Sommer auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner skandiert, es wurde im Herbst von Wählern gerufen, die stundenlang in der Kälte warteten, um Trump zu sehen, es hallte noch durch Trumps Wahlparty im Hilton in New York, kurz bevor er dort verkündete, man schulde Clinton "große Dankbarkeit für ihren Dienst an diesem Land". Viele Trump-Anhänger, im Hilton und im ganzen Land, dürften sich in diesem Moment ein wenig gewundert haben. Immerhin war "Lock her up" der inoffizielle Schlachtruf von Trumps Wahlkampagne.

Trump selbst hatte im Wahlkampf ganz konkret angekündigt, dass er Clinton einsperren lassen will. "Wenn ich gewinne, werde ich meinen Justizminister anweisen, einen Sonderermittler einzusetzen, um sich Ihre Situation anzusehen", sagte Trump im zweiten TV-Duell zu Clinton über ihre E-Mail-Affäre. "Denn nie hat es so viele Lügen gegeben, so viel Betrug."

"Hillary Clinton muss ins Gefängnis gehen"

In der E-Mail-Affäre geht es darum, dass Clinton als Außenministerin einen privaten Account benutzt hat statt, wie vorgeschrieben, eine Mail-Adresse des Ministeriums. Zwei Mal hat das FBI in der Sache ermittelt, zuletzt in der Endphase des Wahlkampfes, was Trump sehr gefreut hat. Beide Male kam die Behörde zu dem Schluss, dass keine strafbare Handlung vorliegt und es deshalb keine Anklage geben wird – das freute Trump dann nicht mehr.

Das Ergebnis der Untersuchungen seines eigenen Sonderermittlers stand im Wahlkampf für Trump schon fest. "Hillary Clinton muss ins Gefängnis gehen", sagte er bei Wahlkampfauftritten. Damit hat er sich in eine selbstgebaute Falle manövriert. Will er Präsident aller Amerikaner sein, will er "die Wunden verbinden" und "das Volk wieder vereinen", wie er in der Wahlnacht sagte, dann muss er auf den Sonderermittler verzichten. Dann allerdings hätte er ein Wahlversprechen gebrochen. Wenn er wiederum den Sonderermittler einsetzt und ernsthaft versucht, Clinton ins Gefängnis zu stecken, bricht er sein Versprechen aus der Wahlnacht. So oder so: Er hätte die Unwahrheit gesagt.

Obama kann Clinton begnadigen – auch ohne Anklage

Ausgerechnet der scheidende Präsident Barack Obama könnte Trump aus diesem Dilemma befreien. Er hat die Möglichkeit, Clinton zu begnadigen – selbst dann, wenn sie gar nicht angeklagt wurde. Er könnte ihr einen Straferlass für jeden etwaigen Verstoß gegen US-Bundesrecht gewähren. Clinton müsste nicht einmal darum bitten.

Der Präsident werde sicher über die Möglichkeiten nachdenken, die er in seinen letzten Wochen im Amt habe, sagte der Verfassungsrechtler Harold Krent dem Nachrichtenportal Politico. "Es gibt ein Zeitfenster, das Präsidenten genutzt haben, um unterschiedliche Ziele zu erreichen." Ein historisches Beispiel gibt es. Präsident Gerald Ford hat seinen Vorgänger Richard Nixon 1974 vor möglichen Anklagen bewahrt. Nixon war wegen der Watergate-Affäre zurückgetreten.

Allerdings ist die Sache auch für Obama ein Dilemma. Begnadigt er Clinton, käme dies einem Schuldeingeständnis gleich. Dies wäre für Clinton vermutlich keine besonders attraktive Aussicht, zumal das FBI sie ja gar nicht anklagen will. Und auch Obama würde damit seinen Ruf beschädigen.

Bislang hat Obama keine Signale gegeben, ob er eine Begnadigung erwägt. Sein Sprecher Josh Earnest sagte, der Präsident habe bereits eine "erhebliche Zahl" von Begnadigungen ausgesprochen, aber gesprochen habe das Weiße Haus im Vorfeld nie darüber.

Trumps Wahlkampfsprecherin Kellyanne Conway machte unterdessen deutlich, dass das Thema zumindest aktuell nicht verfolgt wird. "Wir haben das seit seinem Sieg nicht diskutiert", sagte sie dem Sender MSNBC. Trump habe das "natürlich nicht" angesprochen, als er in der Wahlnacht mit Clinton telefonierte, fügte sie leicht kichernd hinzu. Auf die Frage, ob das Thema noch aktuell sei, verwies Conway auf Trumps Siegesrede. Im Übrigen sei der beste Weg, "die Elite zu schlagen", am Wahltag seine Stimme zu erheben.

Genau das wird wohl Trumps Strategie in dieser Frage sein. Er wird Hillary Clinton höchstwahrscheinlich nicht anklagen lassen. Er wird mit absoluter Sicherheit abstreiten, jemals gelogen zu haben, als er dies ankündigte. Und vermutlich wird er sagen, dass er ja schon gewonnen habe. Eine Anklage wäre da völlig überflüssig.

Quelle: n-tv.de

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