„Moskau sollte sich darauf gefasst machten, dass Trump mit seinem pragmatischen Verstand versuchen wird, seinem Vorgänger im Amt alle Probleme zuzuschieben und Russland für den neuen internationalen US-Kurs zu gewinnen“, mahnt Lukjanow. Aus seiner Sicht könnte Trump dem Kreml vorschlagen, zu Peking auf Abstand zu gehen, um gewisse Vergünstigungen als Gegenleistung von Amerika zu bekommen.
Die größte Versuchung für Russland könne aber Europa werden. Für diesen Kontinent interessiere sich Trump deutlich weniger als seine Vorgänger. In Europa selbst herrsche bereits eine Art Panik wegen Trumps Wahlsieg. Die EU-Konstruktion erlebe eine Talfahrt. Vor diesem Hintergrund komme Russland möglicherweise auf den Gedanken, an europäischen Angelegenheiten wieder teilzunehmen, um seine eingebüßten Positionen zum Teil zurückzugewinnen, hieß es.
„Die russische Geschichte belegt jedoch: Jedes Mal, wenn sich Russland in europäische Angelegenheiten ernsthaft vertiefte, um über das Schicksal Kontinentaleuropas mit zu entscheiden, hatte dies immer ein schlechtes Ende. Denn Russland wurde in Kriege involviert, strengte sich über seine Kräfte an und erlitt Verluste. Darüber hinaus lenkte sich Russland von seinen realen Entwicklungsproblemen ab“, so der Kommentar. „Die Geschehnisse der letzten Jahre führten dazu, dass Russland anfing, seine Politik zu diversifizieren, Asien stärker ins Visier zu nehmen und seine eigene krankhafte Versessenheit auf den Westen loszuwerden (…) Die Ungewissheit in Asien, die jetzt vor allem mit dem US-Faktor zusammenhängt, eröffnet außerdem neue Möglichkeiten für Russland und macht es zu einem interessanteren Partner. In Asien wäre ein aktiveres Vorgehen viel nötiger und nützlicher als in Osteuropa“, meint Lukjanow.
„Der Wahlsieg des provokanten Milliardärs zieht einen Schlussstrich unter die US-zentrische Welt, in der sich Moskau keinen verständlichen Platz finden konnte. Es gelang Russland nicht, die ihm zugeteilte Nische in ‚Groß-Europa‘ einzunehmen, denn das Land war einfach zu groß, um dorthinein zu passen. Der Rolle eines systemischen Opponenten der USA war Russland nicht gewachsen; es lehnte aber auch eine untergeordnete Stellung strikt ab. Dass sich Russland in keines der angebotenen Formate einbetten ließ, trug zur akuten Krise Mitte der 2010er Jahre wesentlich bei“, so Lukjanow weiter.
Zum Schluss schreibt er: „Falls die USA nun ihre Ambitionen senken oder, genauer gesagt, sie nach innen richten, wird Russland eigentlich das bekommen, was es anstrebte, und zwar ein multivariables internationales System, wo nicht nach jenen Regeln gespielt wird, die einst ohne Russland angenommen worden waren. Es steht allerdings noch bevor herauszufinden, welche Spielregeln nun gelten und ob Russland genug Trümpfe hat.“
Quelle : sputnik.de
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