Und die Big Player an den Devisenmärkten rechnen flächendeckend damit, dass die Dollar-Rallye noch lange nicht zu Ende ist. Die Deutsche Bank erwartet, dass der US-Dollar bis Ende 2017 über die Parität zum Euro steigen könnte, ähnliche Prognosen kommen auch von Goldman Sachs und Barclays.
Als Begründung für die Aufwertung werden in erster Linie Trumps Ankündigungen angeführt, die US-Wirtschaft mit Steuersenkungen und einem großangelegten Investitionsprogramm anzukurbeln. Außerdem hat die US-Notenbank ziemlich deutlich signalisiert, dass sie bei ihrer nächsten Sitzung im Dezember die Zinsen ein weiteres Mal anheben will. 2017 könnte es dann zwei oder drei weitere Zinserhöhungen geben, während die Europäische Zentralbank wohl weiter an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten wird.
Allerdings wirken diese Argumente bei genauerer Betrachtung nicht mehr ganz so überzeugend. Da wären in erster Linie die noch nicht feststehenden Modalitäten von Trumps Plan zur Erneuerung der Infrastruktur. Das einzig wirklich Konkrete, was dazu bisher existiert, ist ein 10-seitiges Papier, das Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro und Wilbur Ross im Wahlkampf präsentierten.
Der Plan klingt zunächst imposant. Eine Billion US-Dollar sollen in den kommenden zehn Jahren in die sanierungsbedürftige US-Infrastruktur investiert werden. Der Teufel steckt jedoch in den Details. So sollen die Projekte nicht direkt aus der Staatskasse bezahlt, sondern von privaten Investoren finanziert werden, die durch Steuergutschriften 82 Prozent ihres eingesetzten Eigenkapitals zurückerhalten. Der Knackpunkt: Private Investoren wollen legitimerweise Geld verdienen. Das bedeutet, dass die Projekte nach der Fertigstellung auch Einnahmen bringen müssen – was bei den meisten Infrastrukturprojekten (wenn überhaupt) dann nur sehr langfristig der Fall ist. Auch ist nicht auszuschließen, dass es sich nicht um Projekte handelt, die auch ohne die Subventionen gebaut worden wären.
Sollte der Infrastrukturplan also auf diesem Wege umgesetzt werden, ist es fraglich, ob die US-Konjunktur den massiven Wachstumsschub bekommt, auf den die Finanzmärkte derzeit spekulieren.
Buy on the rumour …
Schon vor der Wahl Trumps verwiesen viele Analysen auf die unterschiedlichen Wege, die die EZB und die Federal Reserve verfolgen würden und führten diese Divergenz als Hauptgrund für die zu erwartende Dollar-Rally an. Dieses Argument gab es aber vor fast genau einem Jahr auch schon vielfach zu hören, als sich die Fed anschickte, ihre erste Zinserhöhung seit 2006 vorzunehmen. Bereits damals hatten viele im Vorfeld der Entscheidung einen weiter steigenden US-Dollar prognostiziert. Jedoch gab der Dollar nach, als die Zinserhöhung dann im Dezember tatsächlich vollzogen war.
Aus einer langfristigen Perspektive ist das keinesfalls überraschend. So wies beispielsweise Anatole Kaletsky, Chefökonom beim privaten Forschungsinstitut Gavekal, schon im November 2015 – also inmitten des letzten Dollar-Hypes – darauf hin, dass bei den beiden vorangegangenen Zinserhöhungszyklen die US-Währung im Vorfeld der Zinserhöhung gestiegen war – und danach wieder an Wert verlor.
Das wird beim Blick auf die folgende Grafik deutlich. Die lila Linie zeigt den handelsgewichteten Kurs des US-Dollar seit 1992. Die graue Linie zeigt den US-Leitzins.
Die erste Zinserhöhungsphase beginnt im Februar 1994. Im Vorfeld der Zinserhöhung gewann der Dollar zunächst an Wert. Nachdem die Erhöhung vollzogen war, brauchte er rund drei Jahre, um den Wert von vor der Erhöhung wieder zu erreichen. Erst wesentlich später ging es dann rasant bergauf.
Der zweite Zinserhöhungszyklus ab dem Juni 2004 ließ den Dollar ebenfalls nur kurzzeitig steigen – auf lange Sicht verlor er aber sogar deutlich an Wert.
Die nun laufende dritte Phase wurde bereits seit 2014 von der Fed angedeutet. Seitdem hat der Dollar handelsgewichtet bereits rund 15 Prozent dazugewonnen.
Bei den vergangenen Zinserhöhungszyklen haben die Devisenmärkte offenbar die alte Börsenweisheit "Buy on the rumour, sell on the facts" beherzigt. Vielleicht wird dieses Mal alles anders, vielleicht aber auch nicht. Der springende Punkt ist: Seriös prognostizieren kann das niemand.
Fundamentaler Irrtum
Denn es ist höchst fraglich, ob und wie stark Wechselkurse überhaupt von solchen "fundamentalen" Entwicklungen bestimmt werden. Wie der Berliner Ökonom Jan Priewe in einer umfassenden Untersuchung zeigt, werden die nominalen Euro-Dollar-Wechselkurse kurz- und mittelfristig "durch das nicht vorhersagbare Verhalten von heterogenen Agenten getrieben". Dabei handele es sich vor allem um kurzfristige Kapitalflüsse, Devisenspekulationen sowie wechselnde Erwartungen.
Auch auf lange Sicht spricht laut Priewe nichts dafür, dass Fundamentaldaten wie Zinsdifferenziale, Kaufkraftparitäten und Wachstumsunterschiede die Entwicklung des Wechselkurses beherrschen. Man könne allerdings sagen, dass es Aufwertungszyklen gäbe, die irgendwann zu Ende gehen und zu einem Abwertungszyklus führen.
Etwas freier übersetzt lassen sich Priewes Ergebnisse also wie folgt zusammenfassen: Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der Euro-Dollar-Kurs heutzutage von Fundamentaldaten wie Wachstum oder Handelsströmen bestimmt wird. Es ist schlicht ein Kurs, der von den großen Akteuren an den Devisenmärkten geprägt wird, die Ereignisse spekulativ in die eine oder andere Richtung interpretieren. Wechselkursprognosen auf Basis von Fundamentaldaten haben also vor allem den Sinn, andere Devisenhändler davon zu überzeugen, in die gleiche Richtung zu marschieren – ein klassisches Beispiel für sich selbst erfüllende Prophezeiungen oder das berühmte Herdentrieb-Verhalten.
Für diese Auslegung spricht auch das schiere Volumen, das mittlerweile an den Devisenmärkten gehandelt wird und das sich immer weiter von den tatsächlichen realwirtschaftlichen Aktivitäten abgekoppelt hat. Fun Fact: Heutzutage werden an den Devisenmärkten Derivate im Wert von 5,1 Billionen US-Dollar gehandelt – pro Tag, wohlgemerkt. Aufs Jahr hochgerechnet entspricht dies einem Volumen von über 1.800 Billionen US-Dollar – das ist fast das 25-fache der weltweiten jährlichen Wirtschaftsleistung. Vor 20 Jahren betrug das Verhältnis "nur" 13:1.
Die Gefahren der Aufwertung
Für die weitere Entwicklung heißt das: Wir wissen schlicht und ergreifend nicht, in welche Richtung sich der US-Dollar künftig entwickeln wird. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn bald pünktlich zum Weihnachtsfest die üblichen Prognosen der großen Banken über die Ticker laufen, und mögen sie scheinbar noch so gut begründet sein.
Apropos Weihnachten: Mit Blick auf die Stabilität der Weltwirtschaft wäre es im Übrigen wünschenswert, dass sich die Aufwertung des Dollar in den kommenden Monaten nicht weiter fortsetzt.
So könnten einige Schwellenländer in Schwierigkeiten geraten. Denn viele Unternehmen und Staaten haben ihre Kredite nicht in der heimischen Währung, sondern in Dollar abgeschlossen – diese Verbindlichkeiten steigen bei einer Dollar-Aufwertung im Wert an und werden schwieriger zu bedienen. Die betroffenen Länder könnten sich dann genötigt sehen, den Kurs der eigenen Währung beispielsweise durch Zinserhöhungen zu stabilisieren, was jedoch die Konjunktur bremsen würde.
Ein weiteres Problem könnte darin bestehen, dass sich das US-Handelsdefizit im Falle einer fortgesetzten Dollar-Aufwertung weiter vergrößern dürfte. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Trump eigentlich möchte. Wie Sebastian Dullien zeigt, könnte dies einen Konflikt zwischen den USA und Europa provozieren, da die Amerikaner nicht länger bereit sein werden, die Strategie der Europäer, sich mit Exportüberschüssen aus der Krise zu befreien, zu tolerieren – ein stärkerer Dollar bzw. schwächerer Euro würde die europäischen Exportüberschüsse zumindest gegenüber den USA aber wohl noch weiter ansteigen lassen.
Das gleiche Prinzip gilt auch für China, dem von Trump vorgeworfen wird, seine Währung künstlich niedrig zu halten. Allerdings ist Trump hier nicht mehr auf dem neuesten Stand: Zwischen 2003 und 2014 hatte die chinesische Zentralbank in der Tat versucht versucht, den Renminbi durch Dollar-Aufkäufe niedrig zu halten, um die Exporte zu stimulieren. Doch seit zwei Jahren tut China das Gegenteil: Es verkauft seine Dollarbestände, um den Renminbi vor einer weiteren Abwertung zu schützen. Es ist jedoch vollkommen offen, ob sich die Trump-Administration im Fall eines größer werdenden Handelsdefizits für diese Tatsache interessieren wird und davon ablässt, mit China oder anderen Ländern einen Handelskrieg vom Zaun zu brechen.
Auf dem Weg zum "Trump Tower Accord"?
Aufgrund dieser Gemengelage mehren sich bereits die Stimmen, die vor den weltwirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung warnen. So halten es beispielsweise die Ökonomen Andrew Sheng und Xiao Geng für möglich, dass im Falle einer weiteren Dollar-Aufwertung erneut eine globale Intervention an den Devisenmärkten im Stile des "Plaza Accord" von 1985 nötig werden könnte. Damals hatten sich die USA, die Bundesrepublik Deutschland, Japan, Großbritannien und Frankreich auf eine kontrollierte Intervention verständigt, die auf eine Abwertung des Dollars gegenüber dem Yen und der D-Mark zielte.
Sheng und Geng hätten für eine Neuauflage des Plaza-Abkommens auch schon einen passenden Namen parat: Trump Tower Accord. Denn das New Yorker Plaza Hotel – der Tagungsort, nach dem die damalige Übereinkunft benannt ist – wechselte 1988 seinen Besitzer. Bis 1995 hieß der Eigentümer: Donald Trump.
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