CDU und CSU suchen nach der Antwort auf den Trump-Erfolg
Auch auf die US-Wahl, in der Donald Trump zur Überraschung der meisten Beobachter siegte, hat er seinen eigenen Blick. "Mir gefällt, dass er die Menschen direkt anspricht und ihre Lebensrealität berücksichtigt. Nicht abstrakt, nicht verschwurbelt, sondern mit konkreten Antworten. Das finde ich gut", sagte Seehofer am Wochenende der "Passauer Neuen Presse". Die Menschen hätten "die ausdruckslose Lyrik satt, die in Deutschland verwendet wird, nur damit man keine hohen Wellen schlägt", die Leute wollten "heraus aus dem Ungefähren ins Konkrete."
Doch ließ er offen, welche "konkreten Antworten" Trumps er eigentlich meint (etwa das Versprechen, einer Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen?), ob er sich das Niveau des US-Wahlkampfes mit seinem aggressiven Tonfall auch in Deutschland für die Bundestagswahl 2017 wünscht.
Seehofer gratulierte Trump in einem Brief
Seehofer, davon ist auszugehen, geht es einmal mehr mit seinem eher vorsichtigen Lob darum, sich abzusetzen von den zurückhaltenden Botschaften, die die CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel nach der Wahl in Richtung Trump sendete.
Denn bei näherer Betrachtung passt Trumps oft hemmungsloser Stil gegen Frauen oder Minderheiten nicht zu Seehofer: Zwar liebt der mitunter das derbe Wort, aber wer den CSU-Chef im Hintergrundgespräch erlebt, lernt einen differenziert argumentierenden und nachdenklichen Mann kennen, der weiß, welche verheerenden Wirkungen pauschale Urteile über Minderheiten entfalten können. Seehofer gehört, bei aller mitunter aufblitzenden rhetorischen Schärfe, noch immer zu jener Garde der CSU, die zwar rechts zu blinken weiß, am Ende aber die Grenzen verbaler Attacken kennt.
Auf das politische Geschäft der Aufmerksamkeit versteht sich Seehofer. Er hat Trump nach der Wahl in einem Brief gratuliert, dem kommenden US-Präsidenten versichert, dieser sei grundsätzlich immer ein gern gesehener Gast in Bayern, wie es jüngst in bayerischen Regierungskreisen gegenüber SPIEGEL ONLINE hieß. Daraus eine ideologische Nähe Seehofers zu Trump herauszulesen, wäre allerdings voreilig: Es sind symbolische Gesten, die einmal mehr die Eigenständigkeit der CSU herausstreichen sollen.
In einem Punkt aber hat Seehofer mit seinen Bemerkungen über Trumps Rhetorik eine Stimmungslage angesprochen, die in der Union vorhanden ist: Die Sorge nämlich, dass bestimmte Themen - wie etwa Flüchtlingszuzug und Migration - nicht offen genug angesprochen werden. Denn auch in der Schwesterpartei macht man sich seine Gedanken über den Erfolg Trumps. Es geht dabei auch um die Frage, was die CDU der Rhetorik einer AfD (und der Linkspartei) entgegen setzen kann.
"Der Populismus hat in den letzten Jahren damit gepunktet, dass er behauptet, es bliebe alles beim Alten", stellt die CDU-Vize und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen jetzt in einem Gespräch mit dem SPIEGEL fest. Ihre Empfehlung: Man müsse in der Politik mehr erklären, "in einer einfachen Sprache, in Hauptsätzen".
Von der Leyen: "Vielleicht ist der Populismus unsere Chance."
Von der Leyen redet damit nicht dem ausgeklungenen US-Wahlkampf das Wort, einem der härtesten in der Geschichte des Lande, sie sieht dort Linien "eindeutig unterschritten". Aber sie stellt mit Blick auf Umfragen in Deutschland (nur jeder zweite meint, er könne seine Meinung noch frei äußern) fest: "Ja, die Political Correctness ist überzogen worden. Der soziale Druck, homogen zu antworten, war zu hoch." Von der Leyen wirbt dafür, die in den Menschen schlummernden Ängste anzusprechen, die "leise Angst vor dem, was fremd ist, dem Anderssein". Man müsse lernen, mit der "Vielfalt umzugehen, denn auch das ist Globalisierung".
Es ist eine Debatte, die keineswegs auf CDU und CSU begrenzt ist. Als die Bündnisgrünen kürzlich in Münster ihren Bundesparteitag abhielten, sorgte der Leiter der grünennahen Böll-Stiftung in den USA, Bastian Hermisson, mit seiner Rede für Aufmerksamkeit. "Das liberale Establishment in den USA hat das Verständnis vom eigenen Land und von großen Teilen der eigenen Gesellschaft verloren", die Grünen selbst gehörten in Deutschland auch zu diesen Eliten.
"Wir müssen raus aus der Blase, aus unseren eigenen Facebook-Echokammern, wir müssen erklären, wir müssen zuhören, wir müssen mit anders gesinnten Kontakt suchen, ansonsten sind wir selbst Teil des Problems und nicht der Lösung", so der Grüne. Man müsse, mahnte er, den "Duktus der moralischen Überheblichkeit ablegen, nicht jede abweichende politische Meinung ist per se unmoralisch." Hermisson bekam dafür viel Applaus von den Delegierten.
Das Beispiel zeigt: Die Parteien suchen nach Antworten auf den Trump-Schock, auch auf die Erfolge der AfD hierzulande. Von der Leyen sagt es im SPIEGEL so: Nicht die Demokratie müsse sich ändern, sondern die Demokraten. "Wir müssen wieder aufstehen und für unsere Sache ringen und werben". Vielleicht, fügt die CDU-Vize hinzu, "ist der Populismus unsere Chance."
Quelle : spiegel.de