Bringt Italien die Euro-Krise zurück?

  29 November 2016    Gelesen: 562
Bringt Italien die Euro-Krise zurück?
Formal stimmen die Italiener am Sonntag nur über eine Verfassungsänderung ab. Doch das Referendum droht nach dem Brexit zur nächsten Anti-Euro-Protestwahl zu werden. Und könnte die Eurozone noch heftiger erschüttern.
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es keine italienische Regierung geschafft, für fünf Jahre durchzuregieren. Ministerpräsident Matteo Renzi will deshalb am Sonntag per Referendum eine Verfassungsänderung durchsetzen, die die Macht des Regierungschefs stärkt. Und könnte dabei selbst Opfer der sprunghaften italienischen Wähler werden.

Die meisten Umfragen sagen Renzi beim Referendum eine Niederlage voraus. Sollte der Ministerpräsident scheitern, wäre das aber nicht bloß eine weitere Episode im italienischen Regierungschaos seit 1945. Renzis Scheitern könnte die Euro-Krise mit Macht zurückbringen. "Schlüssel für die Zukunft des Euros" nannte die britische "Financial Times" (FT) die Abstimmung kürzlich.

Renzi hat seine politische Zukunft an ein "Ja" geknüpft. Fällt seine Verfassungsreform beim Volk durch, will er zurücktreten. Für seine Gegner ist die Abstimmung daher eine Prostestwahl gegen den Regierungschef. Um die eigentliche Verfassungsänderung geht es kaum noch. "Das Referendum hat mittlerweile mehr den Charakter einer Vertrauensfrage für die Regierung", sagt Carsten Klude von MM Warburg.

Ein "Nein" beim Referendum wäre eine Absage an weitere Reformen in Italien und an die Eurozone. Die Kapitalmärkte dürften es daher so interpretieren, "dass die Überlebensfähigkeit Italiens in der Eurozone in Frage gestellt wäre", sagt Klude. Ohne Wachstum und weitere Reformen wird es für Italien immer schwieriger, sich am Finanzmarkt zu refinanzieren.

Für den Rettungsschirm ist Italien zu groß

Mit über 130 Prozent seiner Wirtschaftsleistung steht Italien inzwischen in der Kreide. Renzi versucht, die drittgrößte Wirtschaft der Eurozone wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Muss er gehen, würden die Zinsaufschläge für italienische Staatsanleihen wohl spürbar anziehen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat bereits davor gewarnt: "Abhängig vom Ausmaß eines Schocks haben wir dann zu erwägen, ob wir etwas tun müssen oder nicht", sagte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio vergangene Woche.

Bei einer erneuten Panik an den Märkten wie 2011 auf dem Höhepunkt der Euro-Krise wären die Währungshüter auch Italiens einzige Hoffnung. Nur ihr Versprechen "alles zu tun, was nötig ist", verhindert die Staatspleite. Für ein Rettungspaket der anderen Euro-Länder wie im Fall Griechenland ist Italien schlicht zu groß. Italiens Schuldenberg liegt bei über zwei Billionen Euro. Im Euro-Rettungsschirm ESM stecken noch rund 373 Milliarden Euro. Er hat nicht genug Feuerkraft, um Italien gegen einen neuen Überfall der Märkte zu verteidigen.

Noch explosiver wird die Lage durch den maroden Bankensektor. Er liefert wie in Griechenland zusätzlichen Brennstoff für ein neues Aufflammen der Krise. Italiens Banken haben in diesem Jahr die Hälfte ihres Marktwerts verloren. Denn Monte dei Paschi di Siena, Popolare di Vicenza, Veneto Banca und andere Geldhäuser sitzen auf einem Haufen fauler Kredite. Ohne neues Eigenkapital droht die Pleite. Nach einem gescheiterten Referendum dürften sie frisches Geld am Markt kaum noch bekommen. Bis zu acht italienischen Banken droht bei einem "Nein" daher der Zusammenbruch, berichtet die "FT" unter Berufung auf italienische Banker und Offizielle.

Italiens Populisten wittern Morgenluft

Kommt es durch das Referendum zu einer Vertrauenskrise, sei selbst eine für Anfang 2017 geplante Kapitalerhöhung der einigermaßen robusten UniCredit in Gefahr, der einzigen globalen Bank Italiens. Auch andere Euro-Länder mit Problemen im Bankensektor könnten von der Krise erfasst werden. Wie groß die Ansteckungsgefahr ist, hat nicht nur mit den realen Problemen zu tun, sondern der Furcht der Märkte davor, wie groß sie werden könnten.

Wie heftig die Ausschläge ausfallen hängt davon ab, wie es nach einem "Nein" beim Referendum weitergeht. Eine Übergangsregierung aus Technokraten könnte bis zur nächsten Wahl 2018 übernehmen, wie einst unter der Führung des Ex-EU-Kommissars Mario Monti. Ob es ihr gelingen würde, die politische Ungewissheit auszuräumen und die Märkte zu beruhigen, ist offen.

Für noch mehr Verunsicherung würden Neuwahlen sorgen. Selbst der Euro-Austritt Italiens wäre dann womöglich nicht länger ausgeschlossen. Denn in den Umfragen liegt zurzeit die Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo vorn. Die italienischen Populisten wollen ein Referendum über den Euro. Das kann sich bislang niemand vorstellen. Genauso wenig wie den Brexit oder Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten.

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