Immer wieder kommt es in solchen Prozessen zu der Behauptung, der Angeklagte hätte die unmenschlichen Verbrechen gar nicht gesehen und wüsste nichts davon. Um die Behauptungen mit der damaligen Realität anschaulicher abgleichen zu können, hat das LKA München ein 3D-Modell von Auschwitz entwickeln lassen, das mit einer Virtual-Reality-Brille eingesehen kann. In einem Sputnik-Interview mit Ilona Pfeffer hat Diplomingenieur Ralf Breker, der an der Entwicklung mitgearbeitet hat, das Modell erklärt.
"Wir hatten 2012 hier ein Treffen mit der Staatsanwaltschaft Weiden und mit unseren Sonderermittlern in diesem Fall, das war damals der Fall Breyer“, so Breker. „Und die Intention der Staatsanwaltschaft war eben die, dass man Perspektiven nachstellen kann, zum Beispiel die Position im Wachturm einnehmen kann und natürlich auch eine bessere Übersicht über das Lager hat.“
„Die Grundlage bilden digitale Geländemodelle und orthografische Luftbildaufnahmen“, erklärt der Diplomingenieur. „Die wurden uns vom Vermessungsamt in Warschau zur Verfügung gestellt. Dann sind wir im Mai 2013 nach Auschwitz gegangen und haben eine Bestandsaufnahme durchgeführt, das heißt, wir haben alle bestehenden Gebäude mit einem 3D-Laserscanner aufgenommen und zu allen nicht mehr vorhandenen Gebäuden Pläne im Archiv von Auschwitz recherchiert. Die Pläne waren zum Glück alle vorhanden und so konnten wir dann im Büro die Gebäude rekonstruieren auf Grundlage der Pläne."
"Es geht um Fragen wie: Konnte man von einem Wachturm aus die Krematorien sehen? Oder eine Kompanie ist irgendwo im Lager entlang marschiert – dann kann man eine virtuelle Kamera da reinsetzen und die Kamera auf zum Beispiel 1,70 Meter, in Augenhöhe stellen und da virtuell entlang gehen. Und dann schauen, was ist von dieser Position sichtbar, was ist nicht sichtbar", erklärt Breker die Anwendung des Modells.
Ob das Modell auch zuverlässig ist? „Wir haben bei den orthografischen Bildern eine Genauigkeit von 25 Zentimetern und beim Laserscanner, mit dem wir die Bestandsaufnahme durchgeführt haben, liegt die Genauigkeit bei circa einem Zentimeter. Deshalb konnten wir ein sehr exaktes Modell erstellen. Von einem genaueren Modell, das auf Vermessungsgrundlagen basiert, wüsste ich nichts", so Breker.
Welchen Stellenwert so ein 3D-Modell bei der Beweisführung haben kann, hat Valentin Raskatov in einem Sputnik-Interview mit Jens Rommel, Leiter den Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, geklärt:
„Beweismittel nach der Deutschen Strafprozessordnung sind Zeugen und Sachverständige, Urkunden und Augenschein und da ist dieses 3D-Modell kein eigenständiges Beweismittel. Es ist lediglich ein Hilfsmittel im Rahmen einer Aussage eines Zeugen oder des Gutachtens eines Sachverständigen“, erklärt der Jurist. „In diesem Rahmen kann es dann aber beispielsweise die Sichtfelder von einer bestimmten Stelle aus veranschaulichen. Das Gericht muss also immer genau prüfen, was der Zeuge oder Sachverständige sagt und muss dann diese Erkenntnisse abgleichen mit anderen Beweismitteln. Und in diesem Rahmen denke ich, dass es eine zuverlässige Unterstützung sein kann.“ Auf die Frage Frau Pfeffers, ob solche 3D-Modelle in Zukunft auch in anderen Bereichen eingesetzt werden sollen, antwortet Breker: „Wir sind hier schon dabei. Wir machen hier ja ausschließlich Kapitaldelikte und diese erfassen wir auch in 3D und versuchen jetzt auch schon, die dreidimensionalen Tatorte in die virtuelle Realität zu bekommen, weil die virtuelle Realität eben ein sehr intuitives Medium ist. Ich gehe davon aus, dass wir in ein bis zwei Jahren sämtliche Kapitaldelikte auch in der virtuellen Realität zur Verfügung stellen können.“
Quelle:sputniknews
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